Klimahelfer Moor: Wie niederrheinische Feuchtgebiete neu belebt werden

Lebendige Moore fungieren als Klimaretter, Dürrehelfer und Hochwasserschutz zugleich. Doch es steht schlecht um Deutschlands Moore. Ein Projekt aus NRW will das ändern und betreibt im dicht besiedelten Rhein-Ruhrgebiet Moorrettung zum Mitmachen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 10. Apr. 2024, 09:12 MESZ
Moorlandschaft mit wässriger Graslandschaft und dunklen Wolken.

Herfeldmoor in der Wahner Heide, eine der Moorlandschaften, die im Rahmen eines aktuellen Projekts aus NRW geschützt und renaturiert werden sollen.

Foto von Dirk df/ CC BY-SA 4.0

Moore haben etwas Magisches an sich. Lange Zeit wurden sie in der Folklore mit Irrlichtern oder Kobolden in Verbindung gebracht; in deutscher Kunst und Literatur bildeten sie als schaurig-schöne und geheimnisvolle Orte ein Tor zum Übersinnlichen.

Heute haben Menschen in Deutschland allerdings kaum noch Berührungspunkte mit dem Moor: 95 Prozent der hier angesiedelten Moorlandschaften gelten mittlerweile als tot. Dadurch gehe der Bezug zu den Feuchtgebieten verloren, sagt Martin Grund vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband Nordrhein-Westfalen e.V. „Wer kennt schon noch ein Moor oder hat eines in der Nähe seines Hauses und geht dort spazieren?“  

Im Rahmen eines Projekts zur Renaturierung der Moore in der Bergischen Heideterrasse setzt er sich dafür ein, dass Moorlandschaften in Deutschland wiederbelebt werden. Denn mit den Feuchtgebieten gehen nicht nur seltene Lebensräume unzähliger Arten verloren, sondern auch wahre Klimaschützer.

So sehen heute nur noch wenige Orte in Deutschland aus. Schon zu der Entstehung dieses Gemäldes im Jahr 1898 waren der Torfabbau und die Trockenlegung von Deutschlands Mooren in vollem Gange.

Foto von Franz Schreyer, 1858–1938

Die Folgen des Moorverlusts

Die meisten Moore in Deutschland sind vor rund 10.000 Jahren nach dem Ende der letzten Eiszeit entstanden: In durch die Eisschmelze wassergesättigten Gebieten kam es zu Anhäufungen von Torf und Biomasse, die extrem viel Wasser speichern konnten. Ursprünglich bedeckten die so gebildeten Feuchtgebiete mit 1,5 Millionen Hektar etwa 4,2 Prozent der Landfläche Deutschlands. 

Heute ist das anders: Seit dem 18. Jahrhundert werden Moore in Deutschland im großen Stil entwässert, um land- und forstwirtschaftlich nutzbar zu sein. Hinzu kommt der Torfabbau und die Versiegelung der Flächen für den Straßen- und Städtebau. Die Bilanz: Nur noch fünf Prozent der Moore in Deutschland gelten heute als lebendig. Das hat Folgen: Die Feuchtgebiete fallen als wichtiger CO₂⁠-Speicher weg, während durch den Torffabbau gleichzeitig das zuvor gespeicherte CO₂⁠ freigesetzt wird. Dabei sind Moore laut dem NABU eigentlich die effektivsten Kohlenstoffspeicher an Land und im Kampf gegen den Klimawandel unersetzlich.

BELIEBT

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    Auch für Tier- und Pflanzenarten, die sich auf die im Moor herrschenden Bedingungen spezialisiert haben, ist das Moorsterben ein Todesurteil. Das kleine Helmkraut (Scutellaria minor), ist typisch für die Moore im Dünnwald.

    Foto von Martin Grund

    Und auch für die Menschen vor Ort hat der Verlust der Moore Nachwirkungen. Renaturierte Moore sind eine der effizientesten Schutzmaßnahmen bei Hochwasser: Durch ihre Zugfähigkeit können sie in kürzester Zeit Unmengen an Regenwasser aufnehmen und speichern. Gleichzeitig können sie ihr Wasser bei Dürre an trockene Gebiete in der Umgebung abgeben. Versiegelte und vertrocknete Moore verlieren diese Eigenschaften allerdings. „Eine Wiedervernässung trockengelegter Moore hilft uns, uns gegen die negativen Folgen des Klimawandels zu wappnen“, so Grund. „Es ist also in unser aller Interesse, wenn Feuchtlebensräume wieder vernässt werden.“

    Bergische Heideterrasse: Renaturierung einer besonderen Moorlandschaft

    Das Projekt Renaturierung von Moorlebensräumen auf der Bergischen Heideterrasse setzt sich deshalb dafür ein, zumindest einen Teil der entwässerten Moore in Deutschland wiederzubeleben. Im Fokus steht eine ganz besondere Moorlandschaft: die Feuchtgebiete des Naturraums Heideterrasse, die sich im dicht besiedelten Rhein-Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen durch versiegelte Städte und stark befahrene Straßen schlängeln. Zu ihnen gehören bekannte Gebiete wie der Dünnwalder Wald und die Wahner Heide bei Köln, aber auch kleine verstreute Moore, die sich in dem Ballungsraum zu einem Biotopverbund zusammenschließen.

    Ein Großteil der Moore der Heideterrasse wurde durch die forstwirtschaftliche Nutzung bereits seit der Preußenzeit in Mitleidenschaft gezogen: Unzählige Entwässerungsgräben, die heute noch aktiv sind, haben große Flächen der Moorlandschaft trockengelegt. Dazu kamen der starke Ausbau der Infrastruktur und die wachsende Einwohnerzahl. 

    Dabei sei selbst Menschen, die in der Nähe der Heideterrasse ihr Zuhause haben, oft gar nicht klar, dass sie in einem Moorgebiet leben, so Grund. Das liegt unter anderem an der Art der Feuchtgebiete, die hier am häufigsten vorkommen. „Selbst wenn man durch die Moore geht, sieht man sie oft nicht. Sie sehen nicht aus wie im Fernsehen, wo man hauptsächlich baumlose Hochmoore zu sehen bekommt“, sagt Grund. Viele der Moorlandschaften der Heideterrasse sind Moorwälder, die zwar spärlich bewachsen sind – mit Moorbirken und Erlen –, aber dennoch für Laien eher wie ein Wald als ein Feuchtgebiet daherkommen. 

    Ein Waldmoor der Heideterrasse im Naturschutzgebiet „Thielenbruch und Thurner Wald“ nahe Köln. Im Gegensatz zu Hochmooren, in denen Bäume keinen Halt finden, wachsen in Moorwäldern auch Bäume.

    Foto von Holger Sticht / heideterrasse.net

    Das Projekt auf der Heideterrasse setzt aus diesem Grund nicht nur Maßnahmen zur Renaturierung der verschiedenen Moore um, sondern legt gleichzeitig den Fokus darauf, die Menschen im Rahmen von Exkursionen, Vorträgen und Mitmachaktionen über die Ökosystemleistungen der Moore aufzuklären. Dadurch soll gezeigt werden, wie schützenswert die Feuchtgebiete sind. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen fördern das sechsjährige Projekt. Gestartet ist es am 1. April 2023. 

    Dünnwalder Wald: Moorrettung zum Mitmachen

    In den Mooren der Heideterrasse steht das Schließen der Entwässerungsgräben im Mittelpunkt der Renaturierungsmaßnahmen. Ein Moorprojekt zum Mitmachen im Dünnwalder Wald arbeitet seit August 2023 daran, Blockaden zu bauen, die das abfließende Wasser aufhalten sollen: mit Holz und Werkzeugen gehen BUND-Mitglieder und Freiwillige in den Wald und verschließen sie Gräben, sodass sich das Moor erholen kann. 

    Freiwillige beim Verschließen der Bewässerungsgräben. Nach dem Einbringen der Holzblockaden, die das Wasser aufhalten und im Moor lassen sollen, werden sie mit Erde und Ästen verstärkt und verdeckt.

    Foto von Martin Grund

     „Im Dünnwalder Wald war es verhältnismäßig leicht, ein solches Projekt zu starten“, erklärt Grund. Das Gebiet „Hommelsheimer Bruch und Isbornsheide“ konnte der BUND bereits wieder vernässen – und so wiederbeleben.

    Doch so schnell geht es nicht immer. Denn beim Moorschutz müssen viele Parteien zusammenarbeiten. „Der oder die Eigentümer müssen die Maßnahmen wollen“, so Grund. „Dann müssen je nach Gebiet die Naturschutzbehörde, die Forstverwaltung, der Wasserverband, der Naturschutzbeirat und noch weitere Stellen hinzugezogen werden.“ Viele Hürden auf dem Weg zu einem Ziel, von dem sowohl die Umwelt und das Klima als auch der Mensch profitieren würde.

    Deshalb machen Grund und sein Team weiter. Es gilt das Motto „Moore müssen nass“, das der BUND im Rahmen des Projektes als Leitsatz angibt. Das Ziel: Bis 2029 sollen auf insgesamt 68 Flächen Entwässerungsgraben zurückgebaut und somit wertvolle Lebensräume renaturiert werden – gemeinsam mit und für die Menschen, die in diesem Gebiet wohnen.

     

    Themenmonat im April: our HOME auf National Geographic
    Wir haben nur eine Erde. Zeit, unser Zuhause wertzuschätzen und noch mehr zu schützen: Unter dem Motto our HOME stellt National Geographic zum Earth Month im April 2024 besondere Geschichten und Projekte aus Deutschland vor – rund um Naturschutz sowie kulturelles Erbe und biologische Vielfalt. Weitere spannende Einblicke gibt es hier.

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