Die Zukunft des Wassers in Deutschland

Heißere und trockenere Sommer könnten zunehmend normal für Deutschland werden. Das Land steht möglicherweise vor saisonaler Wasserknappheit.

Von Jon Heggie
Deutschland, als Nation, ist führend in der Wasserwirtschaft. Aber jeder Tropfen, den wir jetzt einsparen, wird ...
Deutschland, als Nation, ist führend in der Wasserwirtschaft. Aber jeder Tropfen, den wir jetzt einsparen, wird dazu beitragen, unsere Wasserversorgung in Zukunft zu sichern.
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Wenn man an einem nasskalten Wintertag am Ufer des Rheins steht, scheint es undenkbar, dass Deutschland einmal das Wasser ausgehen könnte. Der Fluss ist eine Lebensader des Landes, versorgt Industrie, Kraftwerke, Landwirtschaft, Städte und ganze Ökosysteme, bevor er in die Nordsee mündet. Steht man jedoch im Sommer an der gleichen Stelle, sieht die Sache unter Umständen ganz anders aus: Im Jahr 2018 sank der Wasserstand des Rheins so stark, dass der Schiffsverkehr auf dieser wichtigen Route zum Erliegen kam. In den letzten Jahren litten die deutschen Flüsse immer wieder unter geringem Niederschlag und den Auswirkungen des heißen Wetters. Im Moment gehen Prognosen davon aus, dass es in Deutschland noch wärmer und trockener werden wird, was zu noch häufigeren und schwereren Hitzewellen und Dürren führt. Damit müssen sich die Menschen in Deutschland möglicherweise auf saisonale Wasserknappheit vorbereiten und ihr Verhältnis zum Wasser grundlegend überdenken.

Mit 11 großen Flüssen und zahllosen Seen nimmt das Oberflächenwasser rund 2,2 Prozent der Landesfläche ein. Zusätzlich wird das Grundwasser aus den wasserführenden Schichten im Boden angezapft und deckt rund 70 Prozent des Trinkwasserbedarfs in Deutschland. Aufgefüllt wird es normalerweise von Niederschlägen, doch aktuell sinkt der Grundwasserspiegel an einigen Orten um bis zu 20 Millimeter pro Jahr. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Deutschland beträgt 570 Millimeter jährlich, der weltweite Durchschnitt 985 Millimeter. Dadurch liegt Deutschland auf Platz 62 der Länder, die unter Wasserstress leiden. Rund 16 Prozent des genutzten Wassers entfallen auf Privathaushalte, in denen der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch bei rund 121 Litern Wasser liegt.

Doch in der Bevölkerung kommt zunehmend mehr Bewusstsein für die Notwendigkeit des Wassersparens auf, da sich immer mehr Wasser durch den Klimawandel buchstäblich in Luft auflöst. Die Temperaturen in Deutschland steigen, ebenso die Zahl der warmen und trockenen Tage. Die Niederschläge verlagern sich vom Sommer auf den Winter und dieser Wechsel wird sich in Zukunft noch deutlicher bemerkbar machen. Die Auswirkungen von weniger Regen im Sommer werden durch die höheren Temperaturen noch verschärft, da diese für mehr Verdunstung sorgen. Außerdem werden die Niederschläge in den Wintermonaten zunehmend heftiger. Die Schneeschmelze in den Alpen, die auch Flüsse wie den Rhein speist, setzt inzwischen früher ein, sodass weniger Wasser für die Zeit zwischen Frühling und Sommer zur Verfügung stellt.

Diese neue Klimarealität führt zu Wasserknappheit in genau den Momenten, in denen der Bedarf am größten ist. Mittel- und Ostdeutschland sind hiervon besonders betroffen: Diese Regionen erlebten bereits Wasserknappheit im Sommer, die Probleme für Land- und Forstwirtschaft, Energieerzeugung und den Flussverkehr verursachte. Auch die Regeneration des Grundwassers und die davon abhängige öffentliche Wasserversorgung waren davon betroffen. So wurde in Niedersachsen mancherorts die Wassernutzung stundenweise unterbrochen und in Nordrhein-Westfalen wurde das Befüllen von Swimmingpools zur Ordnungswidrigkeit. Das ist eine recht neue Situation für Deutschland und obwohl die Wasserinfrastruktur im Moment noch unvorbereitet ist, wird bereits nach Lösungen zur Minimierung der Auswirkungen gesucht.

Im tiefen Winter kann der tosende Rhein den Eindruck erwecken, dass es in Deutschland reichlich Wasser gibt. Allerdings bedeuten steigende Sommertemperaturen und sinkende Wassermengen der speisenden Flüsse, eine zunehmend unsichere Wasserzukunft.
Foto von Florian Schulz

Essenziell wichtig für eine sichere Wasserversorgung ist zusätzliche Infrastruktur zum Sammeln, Speichern und Nutzen von mehr Regen und Schnee, die im ganzen Land fallen. In ländlichen Gegenden wird das die Kanalisierung von ablaufendem Wasser in Seen und Stauseen erfordern, ebenso wie mehr unversiegelte Bodenflächen, die den Regen aufnehmen und in Grundwasserschichten leiten können. In den Städten könnte sich die Infrastruktur dahingehend verändern, dass mehr Regenwasser gesammelt wird, das nur als Brauch, aber nicht als Trinkwasser genutzt wird. Verwendung würde das in den Kühlsystemen von Fabriken finden, und unabhängige Netzwerke von Starkregenauffangmöglichkeiten minimieren die Verunreinigungen, sodass das Ablaufwasser effizient und sicher in Reservoirs gespeichert werden kann.

Niederschläge im Winter für die Nutzung im Sommer zu speichern, wird dabei eine wesentliche Rolle spielen, wofür allerdings größere Sammelbecken notwendig werden. Beim Bau oder der Erweiterung dieser müssen jedoch auch die Auswirkungen auf die Umwelt miteinbezogen werden, ebenso wie der Wasserbedarf weiter stromabwärts und außerhalb des Landes. Aktuell gibt es bereits etwa 300 große Staudämme in Deutschland, doch einige Umweltschützer fordern ihren Rückbau, um die von ihnen verursachten Schäden an lokalen Ökosystemen rückgängig zu machen. Eine Alternative zu Stauseen wäre eine Kanalisierung des überschüssigen Oberflächenwassers und aufbereiteten Brauchwassers in ausgelaugte Grundwasserleiter. Diese Maßnahme nennt man kontrollierte Grundwasseranreicherung und sie wurde bereits im dürregeplagten Kalifornien erfolgreich angewendet. Dort stellen die Grundwasserleiter nicht nur ein natürliches Speichersystem dar, sie minimieren auch den Wasserverlust durch Verdunstung.

Deutschland blickt bereits auf eine Reihe enorm sinnvoller Entscheidungen im Bereich Wassermanagement zurück: Nirgendwo in Europa wird so viel Abwasser wiederaufbereitet wie in Deutschland – rund 96 Prozent aus Privathaushalten und öffentlichen Einrichtungen. Die Wasserinfrastruktur des Landes wird hervorragend instandgehalten, sodass wenig Wasser verloren geht. Allerdings beklagen einige Gemeinden und ihre Zuliefererfirmen, dass dringend in weitere Rohrleitsysteme investiert werden sollte, um extreme Wettervorkommnisse wie Dürre und Überschwemmungen besser ausgleichen zu können.

BELIEBT

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    Die Wassernutzung in Deutschland könnte noch effizienter gestaltet werden, wenn man sich hauptsächlich auf Oberflächenwasser stützen würde, das sich in den feuchteren Monaten sammelt, und nur in Zeiten schwerer Trockenheit oder Dürre auf wertvolleres Grundwasser zurückgreift.
    Foto von Florian Schulz

    Verbesserungen sollten auch in der kombinierten Verwendung von Oberflächen- und Grundwasser anstehen. So könnte man zum Beispiel das Oberflächenwasser nutzen, wenn die Niederschläge reichlich sind, und das Grundwasser nur in Zeiten extremer Trockenheit oder Dürre anzapfen. Außerdem könnte die Wassernutzung durch eine gezielte Preispolitik noch effizienter werden, da dadurch Verschwendung vermieden und die Wasserressourcen zu den wichtigsten und produktivsten Sektoren geleitet werden. Entsprechende Programme haben sich bereits in Australien bewährt.

    Die wahrscheinlich einfachste Präventionsmaßnahme gegen Wasserknappheit ist wohl jedoch das vorherige Einsparen, das bereits jetzt beginnen sollte – und das ist etwas, das wir alle tun können. Beim Duschen zwischendurch das Wasser abstellen und generell weniger Zeit unter der Brause zu verbringen, die Armaturen mit Belüftern ausstatten und alte Duschköpfe durch effizientere ersetzen – all das kann den Gesamtwasserverbrauch eines Haushalts signifikant senken. Des Weiteren kann jeder darauf achten, nur volle Waschladungen durch die Maschine laufen zu lassen. Eine Reduktion der Toilettenspülungen hilft ebenso. Die meisten Küchen sind inzwischen mit wassersparenden Geschirrspülern ausgestattet, doch viele von uns spülen das Geschirr überflüssigerweise noch vor – eine Verschwendung von bis zu 24 Litern Wasser pro Maschinendurchgang.

    Die meisten Menschen bringen Deutschland nicht unbedingt mit Wasserknappheit in Verbindung, aber mehr und mehr Deutsche verstehen, wie wichtig es ist, jetzt zu handeln, um Wasserknappheit in Zukunft zu vermeiden. Bund und Länder müssen entsprechende Maßnahmen beschließen, aber die deutsche Bevölkerung besitzt bereits ein hohes Bewusstsein fürs Wassersparen. Knapp 75 Prozent der Deutschen empfinden Wassersparen als wichtig, und der Trend geht eher zum sinkenden Wasserverbrauch. So ist der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch seit 1991 um 23 Liter gesunken. Das ist eine Einstellung, die Deutschland gut auf die schlimmsten Auswirkungen der Wasserknappheit vorbereitet – oder sie sogar ganz verhindert, die Europa durch Hitze und Trockenheit in Zukunft bevorstehen. 

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