Einstein könnte am Ende recht behalten – wieder mal

Die verrückten Vorhersagen der Relativität darüber, wie Materie, Raum und Zeit sich verhalten, haben sich 100 Jahre lang wieder und wieder als korrekt erwiesen.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:21 MEZ
Albert Einstein im Labor
Physiker Albert Einstein (links) besucht das Mount Wilson Observatorium in Kalifornien im Januar 1931. Einsteins Vorstellung von Raum, Zeit und Materie prägten die Physik und Astronomie während der letzten 100 Jahre.
Foto von Von Michael Greshko

Wenn man den jüngsten Gerüchten glauben darf, haben Wissenschaftler endlich Gravitationswellen entdeckt – Schockwellen, die sich durch Zeit und Raum bewegen.

Albert Einstein schlug die Existenz von Gravitationswellen erstmals vor 100 Jahren vor, und ihre direkte Beobachtung wäre der letzte Beweis für sein Meisterwerk: die allgemeine Relativitätstheorie.

2016 haben wir ein letztes Mal herausgefunden, ob Einstein Recht hatte. Forscher vom Caltech und MIT kamen für eine Pressekonferenz zusammen, auf der sie verkündeten, dass sie das zarte Schwingen von Gravitationswellen auffangen konnten, die durch die Kollision von zwei schwarzen Löchern entstanden.

Wissen kompakt: Gravitationswellen

Einstein wurde nicht immer als das Genie angesehen, als das er heute gilt. Als er erstmals seine bizarren Ideen zur Relativität vorstellte, protestierten einige Forscher. Andere beschimpften ihn in der Zeitung und verunglimpften sowohl seine gefährlichen Ideen als auch seine jüdische Identität.

Seine Abhandlungen schlugen ein wie eine Bombe und überarbeiteten die Physik von Grund auf. Das Universum nach Einstein treibt sein Spiel mit den Konzepten von Ort und Geschwindigkeit – nur nicht mit dem Licht, das sich immer mit einer Geschwindigkeit von 300 Millionen Metern pro Sekunde durch das Vakuum bewegt. Raum und Zeit sind in einer vierdimensionalen Melasse namens Raumzeit zusammengerührt, die von Masse gedehnt und gekrümmt werden kann. Materie, die sich bewegt, muss den Kurven der Raumzeit folgen – eine versteckte Geometrie, die wir als Gravitation erleben.

Das klingt wie Unsinn.

Aber in den letzten 100 Jahren haben Experimente wieder und wieder gezeigt: Einstein hat recht. Seine Theorien wurden öfter bestätigt, als wir hier Platz zum Auflisten haben, aber allein die Highlights sind schon beeindruckend.

BELIEBT

    mehr anzeigen

    Hier sehen sie kleine Wellen im Gewebe der Raumzeit, die von bestimmten Arten sich bewegender Massen ausgelöst werden, wie z. B. diesem Paar von schwarzen Löchern, visualisiert durch den Supercomputer Columbia des NASA Ames Forschungszentrums.

    Foto von Darstellung von NASA

    LICHT IST EINE WELLE – UND EIN TEILCHEN

    Einstein ist vor allem für seine Relativitätstheorie bekannt, aber seinen einzigen Nobelpreis erhielt er für seine revolutionäre Arbeit über Licht. In der klassischen Physik galt Licht als Welle, aber diese Theorie konnte nicht erklären, wie und warum Metalle Elektronen abgeben, wenn sie angeleuchtet werden – ein Phänomen, das als photoelektrischer Effekt bekannt ist.

    Einstein erklärte das seltsame Verhalten damit, dass Licht tatsächlich aus einzelnen Wellenpaketen besteht, Photonen genannt, jedes davon mit einer Energie entsprechend seiner Frequenz. Diese Entdeckung war der Schöpfungsfunke für die heutige Quantenphysik, die ebenfalls besagt, dass normale Atome sich seltsam wellenförmig verhalten können – eine Entdeckung, zu der Einstein beigetragen hat.

    RAUMZEIT KANN SICH KRÜMMEN

    Einsteins erster großer Sieg für die allgemeine Relativitätstheorie kam, als er einen mysteriösen zusätzlichen Schlenker im Orbit des Merkur erklärte. 1859 hatte der brillante französische Astronom Urbain Le Verrier diesen auf einen bisher unentdeckten Planeten zurückgeführt, der an Merkur zog und den er „Vulkan“ nannte. Aber auch nach Jahren der Suche ließ sich kein glaubhafter Beweis für Vulkans Existenz finden.

    Zu Einsteins großer Begeisterung zwang seine neue allgemeine Relativitätstheorie Vulkan in die Knie. Sie zeigte, dass die Masse der Sonne die Raumzeit in deren Nähe krümmte, so wie eine Bowlingkugel ein gespanntes Trampolin ausbeult. Da Merkur so nah an der Sonne ist, ist sein schwankender Orbit der kürzeste Weg durch die Raumzeit, die durch die Masse der Sonne gekrümmt wird. Es gab keinen zusätzlichen Planeten: nur eine Geometrie im Universum, die Newton sich nicht hatte vorstellen können.

    RAUMZEIT KANN WIE EINE LINSE FUNKTIONIEREN

    Während einer vollständigen Sonnenfinsternis 1919 bekam Einstein wieder recht. Laut der Relativität sollte die Raumzeit, die durch die Masse der Sonne gekrümmt wird, eintreffendes Licht von Sternen wie eine Linse krümmen.

    Der britische Astronom Arthur Eddington machte Großaufnahmen der Sonnenfinsternis und entdeckte, dass die Sonne die Hyaden, einen Sternhaufen im Sternbild Stier, auseinanderzuziehen schien. Das Licht einzelner Sterne wurde dabei etwa um ein Zweitausendstel Grad gekrümmt – im Einklang mit Einsteins Vorhersage, die einen Krümmungsgrad vorhersagte, der doppelt so groß war wie von der Newtonschen Physik berechnet.

    Selbst Einstein konnte aber nicht voraussagen, wie nützlich dieses Phänomen für Astronomen sein würde: Indem sie Galaxien wie riesige Linsen benutzen, können Astronomen in der Zeit zurückblicken, zu den frühesten Jahren des Universums. Und wenn sie Linseneffekte entdecken, die von scheinbar unsichtbarer Masse erzeugt werden, ermöglichen ihnen die Verzerrungen, weite Felder dunkler Materie zu kartieren.

    ROTIERENDE MASSEN VERWIRBELN DIE RAUMZEIT WIE SIRUP

    Materie verzerrt Raumzeit nicht nur mit dem Bowlingkugel-Effekt, sondern rotierende Massen wie die Erde ziehen die Raumzeit auch subtil um sich herum wie ein Löffel, der in Sirup rührt. Das beeinflusst die Umlaufbahnen von Satelliten in der Nähe – ein bizarrer Vorgang, der sich Lense-Thirring-Effekt oder Frame-Dragging-Effekt nennt.

    Er wurde mit Hilfe der allgemeinen Relativität 1918 vorhergesagt, konnte aber erst 2004 nachgewiesen werden, als Wissenschaftler herausfanden, dass die Rotation der Erde die Umlaufbahnen von zwei Satelliten leicht verschob. 2011 bestätigte NASAs Gravity Probe B die Entdeckung und untermauerte sie mit genaueren Zahlen.

    GRAVITATION VERLANGSAMT DIE ZEIT

    Einsteins Gleichungen verleihen Materie auch die Fähigkeit, Zeit zu beschleunigen oder zu verlangsamen – und die Farbe von Licht zu ändern.

    Dass diese verrückte Vorhersage stimmt, können wir daran erkennen, dass aus der Erdperspektive das Licht entfernter Sterne höhere Frequenzen annimmt – also blauer aussieht –, als das für einen Beobachter im tiefen Raum der Fall wäre. Und je weiter man sich von der Gravitationskuhle der Erde entfernt, desto niedriger scheinen die Frequenzen des Lichts zu werden, das von der Erde abgestrahlt wird – ein Phänomen, das man Gravitationsrotverschiebung nennt.

    Relativität hat auch eine subtile Auswirkung auf Smartphones: Ohne relativistische Korrekturen würden die Uhren der GPS-Satelliten jeden Tag 38 Mikrosekunden schneller laufen als die auf der Erdoberfläche. Damit wäre die Genauigkeit des Systems nach zwei Minuten ruiniert und ab dem Folgetag kämen 10 Kilometer Ungenauigkeit pro Tag dazu.

    Korrektur: In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlicherweise, dass die Lichtgeschwindigkeit 3 Millionen Meter pro Sekunde beträgt. Es sind allerdings 300 Millionen Meter pro Sekunde.

    (Hinweis der Redaktion: Der Artikel wurde erstmals am 10. Februar 2016 veröffentlicht und am 20. November 2020 aktualisiert.)

    Atomare Physik

    Als Atomwaffen den Lauf der Geschichte änderten

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie
    • Video

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2024 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved