Die neue Supererde ist bisher der beste Kandidat für Spuren von Leben

Der potenziell bewohnbare Planet ist nah genug, damit Teleskope nach einer Atmosphäre und Spuren außerirdischen Lebens suchen können.

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:31 MEZ
 Planet LHS 1140b
Eine Illustration zeigt den neu entdeckten Planeten LHS 1140b, der an seinem Stern vorbeizieht.
Foto von M. Weiss, CfA

Astronomen haben einen Planeten mit gemäßigter Temperatur entdeckt, der etwas größer und klobiger als die Erde ist und einen kleinen Stern in nur 40 Lichtjahren Entfernung umkreist. Diese neue Welt könnte zu den besten bekannten Zielen gehören, auf denen man nach Lebenszeichen im Kosmos suchen könnte.

„Kleine Planeten sind verbreitet“, sagt Lauren Weiss von der Universität Montréal. Und dieser Planet, fährt sie fort, sei eine der nächstgelegenen bekannten Gesteinswelten jenseits unseres Sonnensystems. „Er liegt im Hinterhof unserer Sonne.“

Mit einem Teleskop in Chile beobachteten Astronomen, wie der Planet vor einem roten Zwergstern namens LHS 1140 im Sternbild Cetus vorbeizog. Der Planet, der LHS 1140b getauft wurde, ist etwa 1,4 Mal so breit wie die Erde und befindet sich auf einer Umlaufbahn, die flüssiges Wasser auf seiner Oberfläche ermöglichen würde.

Mit einem anderen Teleskop in Chile beobachtete das Team dann, in welchem Maß die Gravitation des Planeten an seinem Stern zieht. Dadurch fanden sie heraus, dass LHS 1140b ungefähr das 6,6-fache der Masse der Erde besitzt. Das bedeutet, dass der Planet terrestrisch ist und vielleicht einen großen Kern aus Eisen hat, der von einer dünnen Kruste umgeben ist. Laura Schaefer von der Arizona State Universität meint, man könnte sich das etwa so wie einen übergroßen Merkur vorstellen.

„Wir wissen aber noch nicht viel über ihn, es wird also richtig aufregend, wenn wir mehr Daten bekommen“, sagt sie.

Das Team, das die Entdeckung gemacht hat, ist aus einem speziellen Grund besonders erfreut über die neue Welt: Sie ist nah genug, um mit aktuellen Teleskopen herauszufinden, ob sie eine Atmosphäre besitzt und ob sich in dieser dann Spuren außerirdischen Lebens finden lassen.

„Der Wissenschaftler in mir will besonders vorsichtig sein und alle Gründe in Betracht ziehen, warum wir auf diesem Planeten vielleicht kein Leben finden könnten“, sagt Studienleiter Jason Dittmann von der Harvard Universität, dessen Team den neuen Planeten in „Nature“ beschrieben hat.

„Allerdings weiß ich auch eine gute Wette zu schätzen und bin insgeheim ein Optimist. Daher würde ich wetten, dass Leben im Universum verbreitet ist und dass es sich sogar auf LHS 1140b befinden kann.“

DIE BEWEISE VERDICHTEN SICH

Mittlerweile sind mehr als 3.400 Planeten bekannt, die Sterne umkreisen. Mit der Verbesserung der Teleskope und der Beobachtungstechniken nehmen auch die Entdeckungen dieser kleinen und vermutlich terrestrischen Planeten zu, die sich im Orbit um Sterne befinden, die deutlich kleiner als die Sonne sind.

Letztes Jahr entdeckten Wissenschaftler drei Planeten von der Größe der Erde, die einen nahegelegenen kleinen Stern namens TRAPPIST-1 umkreisen. Dann stahl ihnen eine erdgroße Welt die Show, die im Orbit um jenen Stern kreist, der uns am nächsten ist – der stürmische rote Zwergstern Proxima Centauri. Anfang des Jahres verkündeten Wissenschaftler dann, dass um TRAPPIST-1 nicht nur drei, sondern mindestens sieben Planeten kreisen, von denen einige bewohnbar sein könnten.

Und Anfang April schließlich verkündeten Wissenschaftler aus Kontinentaleuropa und Großbritannien, dass sie eine Atmosphäre auf dem nahen Exoplaneten GJ 1132b gefunden haben – die kleinste dieser Welten, die Hinweise auf ihre Gasbestandteile liefert. Diese Leistungen sind ein erfreulicher Beweis dafür, dass es mit den heutigen Instrumenten möglich ist, die Moleküle in der Atmosphäre von Gesteinsplaneten zu untersuchen.

All das sorgt natürlich für große Hoffnungen für LHS 1140b. Keiner der bisher gefundenen Planeten kann tatsächlich als erdähnlich bezeichnet werden, da wir nicht genug über sie wissen, um diesen Vergleich zu ziehen. Aber diese neue Welt könnte bisher die besten Chancen haben, jene Eigenschaften in sich zu vereinen, die Leben begünstigen.

Zum einen lässt die Dichte des Planeten darauf schließen, dass er fest ist. Es wäre also die Art von Planet, auf dem Leben auf, unter oder über der Oberfläche möglich wäre. Einige der Welten von TRAPPIST-1 könnten auch in diese Kategorie fallen, aber es gibt noch vieles, das wir über ihren Aufbau nicht wissen.

„Selbst die kleinen Planeten [...] sind nicht zwingend ‚terrestrische‘ Welten wie die Erde“, sagt Weiss. Diese anderen Planeten könnten über terrestrische Bereiche verfügen, aber ihre Oberflächen könnten von dichten Gasschleiern bedeckt sein, die für komplexes Leben verheerend wären.

Aber „die Dichte und geringe Größe [von LHS 1140b] deutet darauf hin, dass er sich aus einer Mischung aus Eisen und Silikaten zusammensetzt – das gleiche Gestein, aus dem auch die Erde besteht“, sagt sie.

Das Team hat die neue Supererde mit dem MEarth South Telescope Array entdeckt, das sich am Cerro Tololo in Chile befindet.
Foto von Jonathan Irwin

Des Weiteren ist die Schwerkraft von LHS 1140b stark genug, um eine Atmosphäre zu halten, allerdings unter einem Vorbehalt: Die fünf Milliarden Jahre alte Sonne des Planeten ist momentan noch ruhig, aber vermutlich neigte sie zu früheren Zeiten zu Sonneneruptionen. Falls das der Fall ist, könnte der Stern die Atmosphäre des Planeten durch gewaltige Eruptionen weggeblasen und damit auch jegliches Leben vernichtet haben, das sich darauf vielleicht entwickelt hat.

Allerdings ist der Planet weit genug von der Sonne entfernt, als dass eine eventuelle Atmosphäre die stellaren Wutanfälle auch überlebt haben könnte. Die Entfernung bedeutet auch, dass die Temperaturen sich in einem Bereich bewegen, der für das uns bekannte Leben angenehm wäre – im Gegensatz zu den Temperaturen des sonst sehr ähnlichen, aber ziemlich heißen GJ 1132B.

Schließlich kreuzt LHS 1140b auf seiner Flugbahn auch noch die Fläche seines Sterns, was Astrobiologen eine erstklassige Aussicht verschafft. Wenn Wissenschaftler sich auf der Suche nach außerirdischem Leben eine Atmosphäre ansehen, versuchen sie in Wirklichkeit, durch sie hindurchzusehen. Wenn der Planet die Sichtlinie zwischen seinem Stern und der Erde passiert, scheint das ferne Licht des Sterns durch seine gasförmige Hülle und offenbart potenzielle Moleküle darin.

Um mit aktuellen und zukünftigen Instrumenten exakte Messwerte für diese Moleküle sowie ihren Anteil in der Atmosphäre zu erhalten, brauchen die Wissenschaftler einen schönen nahen Stern wie LHS 1140.

EIN ERSTER VORGESCHMACK

Es ist durchaus möglich, dass die ersten Spuren außerirdischen Lebens durch zukünftige Untersuchungen fremder Atmosphären entdeckt werden – zum Beispiel ein Gasverhältnis, das nicht so ganz stimmt, oder sonderbare Moleküle, die nur schwer allein durch chemische und geologische Vorgänge erzeugt werden könnten.

Dittmann und sein Team haben LHS1140b schon mit dem Hubble Teleskop genau unter die Lupe genommen und hoffen, das im Laufe des Jahres auch mit den chilenischen Teleskopen noch einmal tun zu können.

Aber so richtig begeistert ist er über die Möglichkeit, mit Messinstrumenten, die in den kommenden Jahrzehnten gebaut werden, nach Gasen wie Methan, Ozon oder Kohlendioxid zu suchen. Das James Webb Space Telescope, das Giant Magellan Telescope und das European Extremely Large Telescope sind nur einige der zukünftigen Projekte dieser Art.

„Realistisch betrachtet werden wir wohl unseren ersten Vorgeschmack auf diese Atmosphären innerhalb der kommenden Dekade erhalten“, sagt Dittmann.

„Was diese Beobachtungen bedeuten und wie die Gase in die Atmosphären gelangt sind, wird uns dann wohl vermutlich noch deutlich länger beschäftigen! Aber zumindest werden wir dann bald Daten darüber haben. Darauf bin ich schon sehr gespannt.“

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