Saturnmond Iapetus hat die merkwürdigste Bergkette des Sonnensystems

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 7. Nov. 2017, 09:44 MEZ
Auf Iapetus gibt es eine gigantische Bergkette, die sich über einen Großteil des Mondes erstreckt.
Foto von CaNONE Ssini Imaging Team, Ssi, NASA, Jpl, Esa

Von all den Monden im Sonnensystem gehört Iapetus wohl zu den merkwürdigsten. Der Satellit des Saturn, der nach dem speerschwingenden Titanen benannt wurde, ist nur halb so groß wie der Mond der Erde. Dafür hält er zahlreiche Mysterien bereit: Er ist an den Polen eingedrückt und daher eher walnussförmig als rund. Seine eine Seite ist dunkel, die andere erstrahlt in hellem Weiß und eine Bergkette zieht sich wie ein Gürtel an seinem Äquator entlang.

Selbst seine Umlaufbahn ist seltsam: Iapetus befindet sich in etwa dreimal so großer Entfernung zum Saturn wie sein nächster Nachbar, Titan. Noch dazu ist seine Umlaufbahn geneigt – er bewegt sich auf seinem Orbit also auf und ab, anstatt wie die „normalen“ Satelliten auf der Ebene der Ringe des Saturn zu bleiben.

Die erwähnte Bergkette gehört aber zu den wohl merkwürdigsten ungeklärten Mysterien von Iapetus. Sie verläuft pfeilgerade auf der Länge von etwa drei Vierteln des Äquators und ist gewaltig: etwa 20 Kilometer hoch und 200 Kilometer breit. (Zum Vergleich: Der Gipfel des Mount Everest befindet sich nur 8,85 Kilometer über dem Meeresspiegel.)

Das ist einzigartig im gesamten Sonnensystem.

Eine Nahaufnahme des zerklüfteten Gebirgszugs auf dem Iapetus.
Foto von NASA, JPL, Ssi

Wissenschaftler entdeckten die Bergkette erstmals 2004. Seitdem versuchen sie herauszufinden, wie sich eine solche Formation gebildet hat. Die ersten Theorien mutmaßten, dass ihre Ursache in geologischen Prozessen im Inneren des Mondes zu suchen sei. Vielleicht hatte etwas Ähnliches wie die Plattentektonik der Erde oder vulkanische Aktivität die Bergkette über dem Äquator entstehen lassen. Leider war das keine sehr sinnvolle Erklärung. Die Kruste des Mondes war zu dem Zeitpunkt, als die Bergkette sich bildete, nicht formbar genug, und es gibt keine handfesten Beweise für geologische Aktivität.

Dann vermuteten Wissenschaftler, dass sich der Bergkamm vielleicht gebildet hatte, als sich die Rotationsdauer des Mondes abrupt verlangsamte. Einige Simulationen ließen darauf schließen, dass ein Tag auf dem Mond früher nur 16 Stunden gedauert hat. Mittlerweile dauert er 79 Erdentage – dieselbe Zeitspanne, die Iapetus benötigt, um einmal komplett den Saturn zu umrunden. Er ist rotiert gebunden, was bedeutet, dass er immer mit derselben Seite voran durch den Weltraum fliegt.

Vielleicht, so sagen die Wissenschaftsteams, hat ein gigantischer Aufprall Iapetus in seinen aktuellen Rotationszustand versetzt. Die daraus resultierende Bremsreaktion sorgte dann dafür, dass seine Kruste sich verbogen hat.

Die meisten dieser Theorien sagten aber auch andere merkwürdige geologische Merkmale vorher (die man nicht entdecken konnte) oder basieren darauf, dass die Kruste eine bestimmte Dicke hat (was nicht der Fall sein könnte).

2010 kam dann eine neue Theorie auf. Womöglich ist die Bergkette der Überrest eines ehemaligen Mondes – ein Mond-Mond, wie Andrew Dombard von der Universität von Illinois auf einem Treffen der American Geophysical Union vorschlug. Zu irgendeinem Zeitpunkt während der Evolution des Saturnsystems, so sagte er, hätte Iapetus einen kleinen Freund mit einem Durchmesser von etwa 100 Kilometern haben können. Ob der Mond den Minimond eingefangen hat oder ob dieser sich aus den Trümmern eines gigantischen Einschlags formte (wie es auch der Erdmond tat), weiß man nicht.

BELIEBT

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    Die Überreste eines Minimondes?
    Foto von NASA, Esa, Ssi

    Aber schließlich geriet der Minimond zu nah an Iapetus heran und wurde von dessen Schwerkraft zerrissen.

    Als der Minimond zerbrach, erklärt Dombard, bildeten seine Stücke einen kurzlebigen Ring um den Äquator von Iapetus. Der Ring regnete schließlich auf den Satelliten herab und formte den enormen Gebirgszug.

    2011 hatte ein anderes Team eine ähnliche Theorie. Laut dieser waren ein Ring und ein Minimond das Resultat eines großen Einschlags. Der Ring bildete später die Bergkette, während der Mond auf Iapetus aufschlug und eines der großen Einschlagbecken auf seiner Oberfläche erzeugte.

    Neueste Hinweise ergaben sich aus einem genaueren Blick auf die Form die Bergkette: Sie ist steil und spitz nach oben zulaufend, weshalb herabfallende Gesteinsteile als Erklärung definitiv Sinn machen würden. Es ist etwa dieselbe Form, die man erhält, wenn man eine Handvoll Sand langsam auf einen Haufen rieseln lässt.

    Warum die Bergkette aber nur über drei Viertel des Äquators verlauft, kann das Szenario nicht erklären.

    Zusammengefasst wissen wir also noch immer nicht, wie die gigantischen Berge von Iapetus entstanden sind. Aber die Vorstellung eines Mondes mit einem eigenen Mond oder Ring ist auf gewisse Weise fesselnd.

    Da ist es zu schade, dass Iapetus seine kleinen Freunde in Stücke reißen musste.

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