Erste menschliche Embryos in den USA „editiert“

Eine Mutation, die mit einer Herzkrankheit in Zusammenhang steht, wurde entfernt. Das heizt nun die Debatte über die kontroverse CRISPR-Methode an.

Von Erin Blakemore
Veröffentlicht am 30. Okt. 2017, 15:07 MEZ
Embryos
Zwei Tage nach der Injektion eines Enzyms, das Gene editiert, wiesen diese menschlichen Embryos die anvisierte Mutation nicht mehr auf, die eine Krankheit verursacht.
Foto von OHSU

Was, wenn ihr eine potenziell tödliche Genmutation aus der DNA eures Kindes entfernen lassen könntet, bevor es geboren wird? Wissenschaftler haben nun einen großen Schritt in eine Richtung getan, die ein solches Vorgehen möglich machen würde.

Zum ersten Mal haben Forscher in den USA eine Genom-Editierung an menschlichen Embryos durchgeführt. Wie sie gestern in der Fachzeitschrift „Nature“ beschrieben, nutzten sie die CRISPR/Cas-Methode, um bei 42 Embryos eine Mutation zu entfernen, die mit hypertropher Kardiomyopathie in Zusammenhang steht – einer verbreiteten und erblichen Herzkrankheit.

Seit ihrer Einführung steht die Methode im Zentrum einer hitzigen Debatte um die Ethik der Genom-Editierung.

Wissenschaftler, die diese Technik genauer erforschen wollen, feiern sie als einen biomedizinischen Fortschritt, der eines Tages dafür sorgen könnte, dass keine Krankheiten mehr vererbt werden. Sie könnte außerdem die Zahl der Embryos reduzieren, die während Fruchtbarkeitsbehandlungen aussortiert werden, weil sie besorgniserregende genetische Mutationen aufweisen.

Kritiker von CRISPR entgegnen, dass mehr Sicherheit und Wirksamkeit gegeben sein muss, um die Prozedur ethisch zu gestalten.

„Die Wissenschaftler sind außer Kontrolle“, sagt George Annas, der Direktor des Zentrums für Gesundheitsrechts, Ethik & Menschenrechte an der Boston University School of Public Health. Er findet, dass Wissenschaftler unter keinen Umständen das Genom menschlicher Embryos verändern sollten. „Sie wollen die Natur beherrschen, haben aber keine Selbstbeherrschung.“

HEILENDE HERZEN

Laut den Zentren für Krankheitskontrolle und Prävention in den USA tritt hypertrophe Kardiomyopathie bei einem von 500 Menschen auf. Die Krankheit sorgt dafür, dass sich der Herzmuskel verdickt, und kann zu plötzlichem Herzstillstand führen.

Eine einzige Genmutation genügt, um das Leiden zu verursachen, und man kann selbst dann davon betroffen sein, wenn nur ein Elternteil diese Mutation hat. Ist man selbst betroffen, hat man eine 50-Prozent-Chance, die Krankheit an seine Kinder weiterzugeben.

Für ihre Arbeit konzentrierten sich Shoukhrat Mitalipov vom Zentrum für embryonale Zell- und Gentherapie der Oregon Health and Science University (OHSU) und seine Kollegen auf die genetische Mutation, die hypertrophe Kardiomyopathie auslöst.

Zuerst erzeugten sie 58 menschliche Embryos aus dem Sperma eines männlichen Spenders mit der Mutation und den Eiern einer Frau ohne die Mutation. Dann benutzten sie die CRISPR-Methode, um die Mutation aus dem Gen herauszuschneiden. DNA-Abschnitte namens CRISPR leiten ein Enzym namens Cas-9 an den anvisierten Punkt der DNA und zerschneiden das Molekül dann genau an der richtigen Stelle. Wenn alles gut läuft, repariert sich die DNA von selbst und die Mutation verschwindet.

Die Technik ist allerdings nicht immer erfolgreich. In vorangegangenen Studien entwickelten sich einige Embryos, die mit CRISPR editiert wurden, zu Mosaiken. Das bedeutet, dass einige ihrer Zellen die ungewollte Mutation noch aufwiesen, andere aber nicht mehr.

Also entwickelte das Team eine neue Methode: Sie injizierten das Sperma und die CRISPR zeitgleich in das Ei, anstatt mit der Editierung bis nach der Befruchtung zu warten. Und tatsächlich traten keinerlei Mosaike auf.

Insgesamt konnte das Team die Mutation bei 70 Prozent der Embryos entfernen. Laut der Studie zeigten sich keine sonstigen ungewollten Veränderungen in der editierten DNA.

Das Team gestattete den befruchteten Eiern, sich zu Blastocysten weiterzuentwickeln – also dem Stadium, in dem die Embryos den Müttern während einer Fruchtbarkeitsbehandlung für gewöhnlich eingesetzt werden. Laut dem Bericht des Teams entwickelten sie sich völlig normal. Danach wurden die Embryos zerstört.

Die editierten Embryos durften sich zu Blastocysten entwickeln, die hier abgebildet sind.
Foto von OHSU

WISSENSCHAFT IN BEWEGUNG

„Natürlich sind weitere Forschungen und ethische Debatten notwendig, bevor man zu klinischen Studien übergeht“, sagte die Co-Autorin der Studie Paula Amato während einer Pressekonferenz am 1. August. Sie ist eine außerordentliche Professorin für Geburtskunde und Gynäkologie an der OHSU.

Anfang des Jahres baten die National Academy of Sciences und die National Academy of Medicine ein internationales Komitee aus Wissenschaftlern und Ethikern, sich an der Diskussion um die Vorteile und Risiken der Genom-Editierung beim Menschen zu beteiligen.

Das Gremium empfahl, dass man im Falle der menschlichen Keimbahn – die Zellabfolge, die von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird – davon absehen sollte, Gene zu anderen Zwecken als zur Behandlung oder Vermeidung von Krankheiten oder Behinderungen zu editieren. Der Bericht bestand auch auf eine stärkere öffentliche Diskussion über das Thema, bevor mit derlei Experimenten angefangen wird.

In den USA dürfen aktuell keine Steuergelder für Forschungen verwendet werden, bei denen menschliche Embryos vernichtet werden.

Im aktuellen Fall verwendeten die Forscher institutionelle und private Gelder. Sofern sie ihre Forschungen in den USA nicht so schnell wie gewünscht fortsetzen können, werden sie darüber nachdenken, sie in andere Länder zu verlegen.

Auch wenn das Herauseditieren von Erbkrankheiten noch in weiter Ferne zu liegen scheint, sollte man diese Art der Forschung genau im Auge behalten, sagt Sakthivel Sadayappan. Er ist der Direktor der Herzabteilung im Heart, Lung and Vascular Institute der Universität von Cincinnati.

„Das ist sehr spannend“, sagt Sadayappan, der an der Studie nicht beteiligt war. „Das ist die Zukunft.“

Die kleine Stichprobengröße der Studie lässt seiner Meinung nach definitiv zu wünschen übrig. Aber er findet auch, dass die Durchführung und Unterstützung dieser Forschung lohnenswert ist. „Natürlich gibt es bei Machbarkeitsstudien auch Probleme“, sagt er. „Aber das ist der einzige Weg, auf dem sich die Wissenschaft weiterentwickeln kann.“

Laut Sadayappan, der hypertrophe Kardiomyopathie erforscht, steht dabei viel auf dem Spiel. Patienten, die diese Krankheit von beiden Eltern vererbt bekommen haben, „haben keine andere Möglichkeit als diese Technologie, wenn sie Nachwuchs haben wollen.“

DEBATTEN UM DIE ZUKUNFT

Es ist bereits möglich, Embryos während der In-Vitro-Fertilisation per Präimplantationsdiagnostik auf Gendefekte zu testen. Das Team glaubt, dass seine CRISPR-Methode letztendlich auch bei Genmutationen angewandt werden könnte, die mit anderen Krankheit wie Mukoviszidose in Zusammenhang stehen.

In ihrer Abhandlung schreiben sie, dass ihre Methode eines Tages „mutierte Embryos retten, die Zahl der für die Implantation verfügbaren Embryos erhöhen und schließlich die Schwangerschaftsraten verbessern“ könnte.

„Das ist einfach absurd“, sagt Annas. „Sie geben geradeheraus zu, dass man einfach die betroffenen Embryos nicht implantieren kann, wenn man kein Baby [mit dieser Mutation] haben möchte.“

Mialipov widerspricht: „Es ist moralisch falsch, die Hälfte der Embryos wegzuwerfen“, erzählt er National Geographic. „Wir müssen die Initiative ergreifen.“

In jedem Fall, so findet Annas, sei es Zeit, die Diskussion über die Regulation von CRISPR in den USA wieder aufzugreifen. „Ich vermute, dass die Regulierungsbehörden entsetzt sein werden.“

Für Mitalipov ist eine solche Debatte aber eine Möglichkeit, die Welt über das Potenzial der Methode zu informieren. Und als Wissenschaftler, der Embryonen von Affen und sogar von Menschen geklont hat, um Stammzellen zu erhalten, weiß er eine Menge darüber, wie man öffentliche Diskussionen befeuert.

„Wir werden diese Grenzen überschreiten“, sagt er.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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