Wie wir das Wollhaarmammut wieder zum Leben erwecken

Mittlerweile ist es möglich, DNA zu schreiben – und es gibt Pläne, den bekannten Eiszeit-Pflanzenfresser auf diese Weise zurückzubringen.

Von Simon Worrall
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:39 MEZ

In „Jurassic Park“ haben wir eine Zukunft gesehen, in der es möglich ist, die Dinosaurier wieder zum Leben zu erwecken. Diese Fiktion könnte nun Realität werden, da Genetiker versuchen, das Wollhaarmammut zurückzubringen.

Diese Pflanzenfresser aus der Eiszeit, deren nächste lebende Verwandte Asiatische Elefanten sind, lebten auf mehreren nördlichen Kontinenten und hatten langes, dichtes Fell, das sie vor der extremen Kälte schützte. Die zotteligen Tiere starben vor etwa 4.000 Jahren aus. Die derzeitige Revolution im Feld der Genetik – die den Alterungsprozess bekämpft, Krankheiten ausrottet und es Eltern sogar ermöglicht, „Designerbabys“ zu schaffen – könnte das ändern.

Ben Mezrich ist der Autor des neuen Buches „Woolly: The True Story Of The Quest To Revive One Of History’s Most Iconic Extinct Species“ (dt. etwa Wollig: Die wahre Geschichte der Mission, eine der symbolträchtigsten ausgestorbenen Arten der Geschichte wiederzubeleben). Er führt den Leser vom Labor in die sibirische Steppe, während Wissenschaftler die Möglichkeiten erkunden, das Wollhaarmammut in seiner natürlichen Umgebung wiederzubeleben – und mit ihm womöglich bedrohte Ökosysteme.

National Geographic unterhielt sich per Telefon mit Mezrich, der erklärte, warum manche Leute glauben, dass das Wollhaarmammut beim Kampf gegen den Klimawandel helfen könnte. Außerdem sprach er über die ethischen Bedenken hinter diesen großen Bestrebungen.

Die Vorstellung, ein Wollhaarmammut wiederzubeleben, klingt wie etwas aus einem Roman von Michael Crichton. Passiert das wirklich? Und inwiefern wäre das eine Revolution für die Wissenschaft?

Es fühlt sich wirklich an wie eine Geschichte von Michael Crichton! [Lacht.] Aber es stimmt! Das, was er in „Jurassic Park“ geschrieben hat, ist jetzt wissenschaftlich möglich. Wir haben heutzutage diese genetischen Werkzeuge, im Speziellen CRISPR, das eine Revolution im Bereich der Genmanipulation ist. Es ermöglicht uns, einzelne Gene für spezifische Merkmale in das Genom eines Lebewesens einzusetzen.

Das passiert gerade beim Woolly Mammoth Project. Früher haben wir DNA nur gelesen. Jetzt sind wir an dem Punkt angelangt, an dem wir sie schreiben können. Die Welt, in der wir leben, wird in 30 Jahren ein anderer Ort sein wegen der Dinge, die heute schon in Laboren passieren. Die Menschen reden über diverse Technologien wie das Internet, künstliche Intelligenz oder Robotik. Aber ich glaube, dass alles davon von dem in den Schatten gestellt wird, was gerade im Bereich der Biologie passiert. Sobald man Gene neu gestalten kann, die Bausteine des Lebens bauen kann, lässt sich gar nicht absehen, was man alles machen kann.

Die treibende Kraft hinter den amerikanischen Bestrebungen, ein Wollhaarmammut zu erschaffen, ist ein riesiger, bärtiger Genetiker namens George Church. Zeichnen Sie uns ein Charakterbild und beschreiben Sie uns das Projekt, das er leitet.

Er wirkt definitiv, als sei er einem Hollywood-Film entsprungen. Er ist über zwei Meter groß und hat einen gewaltigen Bart und so einen Glorienschein aus weißem Haar – wie man sich Gott vorstellen würde [lacht]. Er wuchs in den Sümpfen vor Tampa in Florida auf und wurde von seiner alleinerziehenden Mutter großgezogen. Mit zwölf Jahren fing George an zu glauben, er sei aus der Zukunft und würde in der Vergangenheit leben. Sein Job sei es, die Welt zu der Welt zu machen, aus der er gekommen ist.

Er ist wie der Einstein der heutigen Zeit. Er war der jüngste Wissenschaftler beim Human Genome Project, wo er schnellere Wege entwickelte, das menschliche Genom zu sequenzieren und Gene auszulesen.

Der andere Pol seiner Initiative ist die sibirische Steppe. Erzählen Sie uns von dem Vater-Sohn-Gespann Sergei und Nikita Zimov und der Idee hinter dem Pleistozän-Park.

Die große Frage ist: Warum sollte man ein Wollhaarmammut machen? Die Antwort darauf findet sich in Russland. Die sibirischen Steppen sind diese großen Landbereiche mit Permafrostböden [die einen Großteil ihrer Tierpopulationen verloren haben]. Das war nicht immer so. Und das Problem ist, dass die Tundra eine tickende Zeitbombe ist. Im Permafrost ist mehr Kohlenstoff [eingeschlossen], als das dreimalige Abbrennen aller Wälder der Erde produzieren könnte. Und während sich die Welt erwärmt, nähern wir uns immer weiter diesem Punkt an [an dem der Permafrost taut] und die Zeitbombe geht hoch.

Sergei und sein Sohn Nikita haben seit den 80ern dieses Experiment laufen, bei dem sie einen Bereich in der Tundra eingezäunt und Tiere aus dem Pleistozän wieder dort angesiedelt haben. Darunter sind Rentiere, Bisons und Jakutenpferde. Sie haben auch einen russischen Panzer, der ein Mammut ersetzen soll. Sie haben entdeckt, dass man die Temperatur des Permafrosts durch die Wiedereinführung dieser Tiere senken kann. Das liegt daran, dass die großen Pflanzenfresser das Wachstum des Steppengrases fördern, das wiederum ein großes Rückstrahlvermögen hat. Die hellen Gräser reflektieren das Sonnenlicht zurück in die Atmosphäre, wie ein Spiegel. So verringern sie die Wärme, die von der Erde aufgenommen wird, und halten die Temperaturen so niedriger. Dadurch taut weniger Permafrost.

Ich war überrascht davon, dass sich genug Wollmammuts im Permafrost befinden, um den Handel mit Elfenbein zu tragen. Erzählen Sie uns etwas darüber, und über die jakutischen Ureinwohner.

Während der Permafrost langsam taut, kommen überall Wollhaarmammuts zum Vorschein. Deren Stoßzähne sind pro Stück etwa 250.000 Dollar wert. Es gibt also einen großen Handel mit Mammut-Elfenbein, besonders in China. Das ist legal, weil es keine gefährdete Art ist. Es ist eine ausgestorbene Art. Es ist sehr gefährlich, [das Elfenbein] zu sammeln. [Die Jakuten] machen sich mit ihren Booten auf den Weg über das eisige Wasser, um zu den kleinen Inseln zu gelangen, auf denen die Kadaver zahlreich vorkommen. Dort graben sie dann die Stoßzähne aus. Aber sie können ein ganzes Jakutendorf für ein Jahr versorgen, wenn sie einen davon finden.

Geben Sie uns einen kleinen Leitfaden für Laien, welche wissenschaftlichen Herausforderungen bei der Erschaffung eines Wollhaarmammuts gemeistert werden müssen. Und wann ist es denn so weit?

Die Wissenschaft [dahinter] ist richtig cool. Als erstes muss man das Genom eines prähistorischen Mammuts sequenzieren. Aus dem Eis bekommt man gefrorene Kadaver – man nimmt eine Probe und sequenziert das Genom. Sobald man die Sequenz hat, kennt man das Mammutgenom, also sucht man die Merkmale heraus, die ein Mammut zu einem Mammut machen. 99 Prozent ihres Genoms ähneln dem des Asiatischen Elefanten. Churchs Labor glaubt also, dass ein Wollhaarmammut und ein Asiatischer Elefant, die sich paaren, Nachwuchs zeugen könnten. Anders als bei „Jurassic Park“ klont man kein Wollhaarmammut. Das Material in den Kadavern hat sich durch Strahlung und schlechte Bedingungen seit 3.000 bis hin zu 12.000 Jahren zersetzt.

Stattdessen synthetisiert man die Gene, setzt sie einem Embryo eines Asiatischen Elefanten ein, setzt den Embryo wieder einem Asiatischen Elefanten ein und der gebiert dann das Wollhaarmammut. Churchs Labor arbeitet auch an einer synthetischen Gebärmutter. Das Ziel ist es, in zwei oder drei Jahren das erste Mammutbaby zu haben.  

Die Vorstellung, neue Lebensformen in Laboren zusammenzubrauen, mag einigen wie frankensteinsche Wissenschaft oder ein Versuch, Gott zu spielen, erscheinen. Wie sieht es mit den ethischen – und biologischen – Bedenken aus?

Das ist eine großartige Frage. Man muss im großen Stil über diese Dinge nachdenken, bevor man sie schließlich tut, weil die Wissenschaft der Ethik vorauseilen kann. In diesem Fall glaube ich – und ich denke, dass die meisten Naturschützer da zustimmen –, dass das Zurückbringen einer ausgestorbenen Art weniger mit Gott spielen zu tun hat und eher eine Korrektur von etwas ist, das wir verursacht haben. Und Wissenschaftler spielen jeden Tag Gott. Wenn man versucht, Krebs zu heilen oder Malaria auszurotten, trifft man im großen Stil Entscheidungen über das Leben.

Das Beängstigendste daran ist, dass wir keine wirkliche Aufsichtskommission haben. Auf der ganzen Welt machen Labore solche Sachen. Die meisten Wissenschaftler glauben, dass man eine gewisse Aufsicht braucht, ob nun aus der Wissenschaftsgemeinde selbst oder auf Regierungsbasis. Das ist schwierig, weil es viele Länder betrifft.

Es gibt einen Schock am Ende des Buches, als sie schreiben, dass ein koreanisch-russisches Team ein Mammut gefunden hat, das noch Blut in den Adern hat. Stimmt das wirklich? Und inwiefern unterscheidet sich deren Plan von dem der Amerikaner?

Das koreanische Unternehmen Sooam Biotech wurde von einem Wissenschaftler gegründet, der in Ungnade gefallen ist, weil er fälschlicherweise behauptet hatte, menschliche Zellen geklont zu haben. Er hat sich selbst neu erfunden, indem er dieses Unternehmen gegründet hat, das Hunde klont. Er versucht auch, das Wollhaarmammut zurückzubringen. Sein Ziel ist es, Mammutmaterial zu finden, das in so einem guten Zustand ist, dass es sich zum Klonen eignet. Andere Wissenschaftler glauben, dass das nicht möglich ist. Aber angeblich hat ein russisches Team, mit dem das Unternehmen zusammenarbeitet, ein Wollhaarmammut gefunden, das halb im Eis steckte. Es ist wohl schockartig eingefroren und war in so einem guten Zustand, dass es noch flüssiges Blut hatte, als sie es aus dem Eis zogen.

Ob das wahr ist oder nicht, lässt sich schwer herausfinden. Das Material wurde in einem geheimen Raum in einer russischen Universität versteckt. Falls es aber tatsächlich existiert, falls dieses Mammut in so einem guten Zustand ist, dass es noch flüssiges Blut hat, dann könnte man dieses Material vielleicht klonen und daraus ein Mammut machen. George und sein Team glauben nicht, dass das möglich ist.

Aber wer weiß?

Das Interview wurde zugunsten von Länge und Deutlichkeit redigiert.

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