Seltsamer Besuch aus fernem Sonnensystem
Das Objekt namens ‘Oumuamua ist vermutlich ein Asteroid, der zehnmal so lang wie breit ist.
Letzten Monat flog etwas Seltsames an der Erde vorbei. Dank ein paar schneller Analysen konnten Astronomen den ersten guten Blick auf den Besucher aus den Tiefen des interstellaren Raums werfen.
Das Objekt, das den Namen ‘Oumuamua erhalten hat – Hawaiianisch für „ein Bote aus der Ferne, der als Erster ankommt“ –, ist der erste bekannte Klumpen aus Eis und Gestein von einem anderen Sonnensystem. Dank ihm erhielten Astronomen eine Möglichkeit, einen Blick auf ein Bruchstück von der Formation eines fremden Planeten zu erhaschen.
„Das ist einfach irre cool. Für die Asteroiden-Community ist das genau so groß wie die Entdeckung der Gravitationswellen“, sagte der NASA-Astronom Joseph Masiero, als das Objekt entdeckt wurde, und bezog sich auf die kürzlich entdeckten Wellen in der Raumzeit, die Astrophysiker in Staunen versetzt haben.
Wie Forscher gestern in „Nature“ berichteten, macht der Besucher seiner exotischen Herkunft zudem alle Ehre: Das Objekt ist mindestens zehnmal so lang wie breit und ähnelt damit einem kosmischen Stift, der durch das All wirbelt.
„Es ist außergewöhnlich länglich, was extrem ungewöhnlich ist – so etwas gibt es in unserem Sonnensystem nicht“, sagt die Studienleiterin Karen Meech vom Institut für Astronomie der Universität von Hawaii.
NACHSCHUB ERWARTET
Rob Weryk, ein Forscher an der Universität von Hawaii, entdeckte den interstellaren Eindringling erstmals am 19. Oktober auf einem Bild, welches das Pan-STARRS-1-Teleskop der Uni gemacht hatte.
Als er den Astronomen Marco Micheli von der ESA kontaktierte, begriffen die beiden, dass das Objekt mit der provisorischen Bezeichnung A/2017U1 sich schneller bewegte, als die Anziehungskraft der Sonne es erwarten ließ. Als die Astronomen die ballistische Flugbahn des Objekts schließlich bestätigt hatten, verließ es das Sonnensystem bereits mit fast 160.000 km/h.
Nachdem sie ihn bei seiner Reise in die Ferne beobachtet hatten, vermerkten die Wissenschaftler, dass ‘Oumuamua keinen Schweif aus Gas oder Staub hinter sich herzog, als er die Sonne passierte. Das bedeutet, dass das interstellare Objekt wahrscheinlich kein Komet ist, sondern vermutlich ein Asteroid, der sich im inneren Bereich eines fremden Sonnensystems gebildet hat.
Sie bemerkten auch, dass seine Oberfläche mehr rötliches Licht reflektierte, als es bei Kometen und einigen Asteroiden in unserem Sonnensystem der Fall ist. Der Grund dafür könnte Meech zufolge eine Schicht aus organischem Material, metallischem Eisen oder Mineralien namens Pyroxenen sein, mit der ‘Oumuamua überzogen ist. Für das menschliche Auge wirkt die Schicht ihr zufolge vermutlich dunkelbraun.
Das Objekt scheint zudem alle paar Stunden um den Faktor zehn abzudunkeln oder aufzuhellen. Dieser Zyklus deutet darauf hin, dass der Asteroid lang und dünn ist und sich alle 7,34 Stunden einmal um sich selbst dreht. Wenn ‘Oumuamua heller ist, ist uns seine lange Seite zugewandt, die das Sonnenlicht effektiver reflektiert. Wenn er dunkler wirkt, blicken wir auf eines seiner beiden Enden.
Der Zyklus des Asteroiden weist außerdem darauf hin, dass er ungefähr 180 bis 400 Meter lang, aber nur bis zu 40 Meter breit ist. Ein schmales Objekt von so einer Große wurde bisher noch nie gesichtet.
Das Objekt ist bereits außer Sichtweite der Erdteleskope, aber Astronomen folgen ihm noch mit Hilfe von Instrumenten im Weltraum.
Während dieser interstellare Bote unser Sonnensystem verlässt, werden andere ihm unvermeidlich folgen. Laut Meech befindet sich zu jeder Zeit mindestens ein weiteres Objekt von der Größe ‘Oumuamuas im Umkreis von 150 Millionen Kilometern um die Sonne. Der Vorteil ist, dass wir nun besser wissen, nach was wir Ausschau halten müssen, um Objekte von einer möglicherweise ungewöhnlichen Herkunft zu entdecken.
„Ich denke, das verheißt Gutes für die Zukunft“, sagt sie, „weil es mehr von denen geben wird, und wir werden bereit sein.“
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