Frage nach „Alien-Megastruktur“ im Sternorbit geklärt

Funkel, funkel, kleiner Stern: Dunkel, hell und furchtbar fern. Haben wir E.T. gefunden? Nein, nur Staub zieht seine Runden.

Von Nadia Drake
Veröffentlicht am 4. Jan. 2018, 15:49 MEZ
Laut Wissenschaftlern gehen die Helligkeitsschwankungen des Sterns KIC 8462852 (auch als Tabbys Stern bekannt) nicht auf ...
Laut Wissenschaftlern gehen die Helligkeitsschwankungen des Sterns KIC 8462852 (auch als Tabbys Stern bekannt) nicht auf ein riesiges Bauwerk von Außerirdischen zurück, welches alle Wellenlängen des Lichts gleichermaßen blockieren würde.
Foto von NASA, JPL Cal-tech

Es ist wohl eine enttäuschende Nachricht für all jene, die auf Anzeichen außerirdischen Lebens hoffen: Wissenschaftler kamen zu dem Schluss, dass das unberechenbare Funkeln von einem der verwirrendsten Sterne am Himmel nicht auf Aliens zurückgeht, sondern auf Staub.

Jahrelang verblüffte der geheimnisvolle Stern im Sternbild Schwan die Astronomen mit seinen scheinbar zufälligen Veränderungen in seiner Helligkeit. Der Stern mit dem Spitznamen Tabbys Stern ist größer und heller als die Sonne und fand sich im Rampenlicht wieder, als Wissenschaftler spekulierten, dass eine von Aliens gebaute Megastruktur für die sporadische Abdunkelung verantwortlich sein könnte.

Neue Beobachtungen lassen aber darauf schließen, dass der Übeltäter Staub ist – vielleicht die Überreste eines Planeten oder Mondes, der vom Stern zerstört wurde. Auch wenn schnöder Staub eine deutlich weniger aufregende Erklärung ist als Alien-Architekten, gibt es noch ein paar kosmische Rätsel zu lösen.

„Ich liebe ein gutes Rätsel, und ganz besonders liebe ich es, wenn unsere besten Ideen einfach den Bach runtergehen. Das bedeutet, dass wir mehr Spaß haben können“, sagt Jason Wright von der Pennsylvania State Universität. „Dass es nun auf schnöden alten Staub hinausläuft, wie manche es vielleicht ausdrücken würden, ist genau das, was alle erwartet haben. Aber ich bin dankbar, dass wir uns trotzdem noch an einem schönen Rätsel die Zähne ausbeißen können.“

MYSTERIÖSES PHÄNOMEN

Das Mysterium begann 2011, als Amateurwissenschaftler vom Projekt Planet Hunters Daten vom NASA-Weltraumobservatorium Kepler auswerteten. Dieses hatte in seinen vier Jahren die Signaturen von mehr als 2.300 Planeten entdeckt. Wenn die Planeten zwischen ihrer Sonne und der Erde vorbeiziehen, verursachen sie kurze und vorhersagbare Schwankungen in der Helligkeit ihrer Sonne.

Aber die Schwankungen von Tabbys Stern, die Kepler aufzeichnete, stimmten nicht im Entferntesten mit dem schattigen Fingerabdruck eines Planeten überein. Sie schienen deutlich intensiver zu sein und fast völlig zufällig aufzutreten. Als Astronomen auf den Stern aufmerksam gemacht wurden, dessen formale Bezeichnung KIC 8462852 lautet, hatten sie keine sinnvolle Erklärung für ihre Beobachtungen.

Er verhielt sich einfach nicht wie andere Sterne am Himmel, und die seltsamen Abdunkelungen waren nur ein Teil des Rätsels.

Die Hypothesen reichten von einem Kometenschwarm, der den Stern umkreist, über einen Ring aus Staub und Trümmern, der ein Schwarzes Loch zwischen dem Stern und der Erde umgibt, bis zu Trümmermaterial in unserem eigenen Sonnensystem, Fluktuationen in Tabbys Stern selbst und schließlich: riesigen außerirdischen Bauwerken.

Die Idee, die 2015 von Wright veröffentlicht wurde, katapultierte den Stern in das Bewusstsein der Öffentlichkeit. Ein Nachrichtenartikel nach dem anderen griff die Idee auf, und jeder neue Hinweis sorgte für weitere Berichte.

„Ich glaube, dass diese Verbindung zu SETI der ganze Grund für das große Interesse der Öffentlichkeit an Tabbys Stern ist“, sagt Andrew Siemion, der Direktor des SETI-Forschungszentrums in Berkeley. „Wir fragen uns alle das Gleiche, wenn wir in den Nachthimmel blicken: Ist da draußen irgendjemand?“ (Lesenswert: Seltsamer Besuch aus fernem Sonnensystem)

DETEKTIVARBEIT IN DEN STERNEN

Motiviert von diesem wachsenden Mysterium durchkämmte ein Team von Wissenschaftlern Daten aus mehr als 100 Jahren auf der Suche nach Mustern, welche die Quelle der geheimnisvollen Abdunkelung des Sterns aufdecken könnten. Zuerst schien es so, als würden die Schwankungen ungefähr alle 800 und 1.500 Tage auftreten, was auf Trümmer im Orbit hinweisen könnte (mittlerweile sind sich die Wissenschaftler da nicht mehr so sicher). Andere Daten ließen vermuten, dass der Stern unabhängig von den Schwankungen konstant dunkler wird (auch darüber sind sich die Wissenschaftler jetzt nicht mehr so sicher).

Astronomen richteten sogar eines der empfindlichsten Radioteleskope unseres Planeten auf den Stern und hofften, dass sie das Flüstern einer Zivilisation hören würden, die intelligent genug war, um derart große Strukturen zu bauen, die gelegentlich das Licht des Sterns blockierten. Sie hörten gar nichts.

BELIEBT

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    Eine Illustration zeigt Kometen, die vor Tabbys Stern vorbeiziehen – eine weitere Theorie dazu, was die Schwankungen in der Helligkeit verursachen könnte.
    Foto von Illustration courtesy NASA

    Kurz gesagt: Keine der Erklärungen passte zu den Beobachtungen.

    Also startete die Astronomin Tabetha Boyajian, nach der der Stern benannt wurde, eine Kickstarter-Kampagne. Sie sammelte mehr als 100.000 Dollar, um einige Bodeninstrumente zu benutzen. Ihr Ziel? Sie wollte den Stern beobachten, während er dunkler wurde, um einen besseren Blick auf das zu werfen, was sein Licht schwächte – in Echtzeit.

    Die Beobachtungen begannen im März 2016 und liefen bis Dezember 2017. Und im Mai 2017 hatte Boyajian Glück: Der Stern begann sich zu verdunkeln. Fast sofort richteten sich fast ein Dutzend Teleskope auf der Erde auf ihn. Wissenschaftler sammelten wie verrückt Daten von fast allen Wellenlängen des Lichts. Nach vielen Monaten und vier deutlichen Schwankungen (mit den Bezeichnungen Elsie, Celeste, Scara Brae und Angkor) war der Stern für Teleskope in der nördlichen Hemisphäre nicht länger sichtbar.

    „Es war irgendwie surreal, das in Echtzeit zu beobachten und das tun zu können, von dem wir schon seit Jahren gesagt haben, dass wir es tun wollen: ihn bei einer Schwankung zu beobachten“, sagt sie.

    Nun haben Boyajian und über 200 Mitarbeiter die Daten der letzten 22 Monate ausgewertet und berichten in „The Astrophysical Journal Letters“, dass Staub für die Schwankungen verantwortlich ist – und definitiv keine Megabauwerke von Aliens.

    Das Team weiß das, weil die Ursache für die Schwankungen kein Festkörper ist. „Wenn ein festes, undurchsichtiges Objekt wie ein Megabauwerk vor dem Stern vorbeiziehen würde, würde es alle Farben des Lichts gleichmäßig blockieren“, sagte Boyajian an der Louisiana State Universität. „Das widerspricht unseren Beobachtungen.“

    Stattdessen filtert der Staub unterschiedliche Farben des Lichts in unterschiedlichem Maße. Einfach ausgedrückt ist es eher so, als würde man durch hauchdünnen Stoff blicken und nicht durch ein festes Gebilde aus Quadaniumstahl.

    „Megabauwerke waren schon immer eine weit hergeholte Vermutung. Aber die Geschichte dazu, wie das überhaupt ins Bild kam, macht schon Sinn. Es musste da draußen umherschweben“, sagt Steinn Sigurdsson von der Pennsylvania State Universität. Er war es, der die Idee des Schwarzen Lochs vorbrachte, das von Trümmern umgeben war.

    TODESSTERN?

    Der Ursprung des Staubs, welcher Tabbys Stern verdunkelt, ist noch immer ein Mysterium. Sein Verhalten – die Schwankungen in der Helligkeit, die in Intensität und Zeitraum variieren – ist nicht das, was Wissenschaftler von Materialklumpen erwarten würden, die den Stern regelmäßig umkreisen. In diesem Fall sollte er in vorhersagbaren Intervallen abgedunkelt werden. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass der Staub warm ist. Das bedeutet, er muss weiter vom Stern entfernt sein. Zudem sind die Staubkörnchen unglaublich klein – viel kleiner als jene in Zigarettenrauch. Sie sind so fein, dass sie vom Licht der Sonne ins All geblasen werden sollten.

    Diese letzte Beobachtung bedeutet, dass es irgendein Reservoir geben muss, aus dem konstant neuer Staub entweicht. Das könnte ein Hinweis auf ein katastrophales Ereignis sein, das sich im Umkreis von Tabbys Stern ereignet hat oder sich noch immer ereignet. Allerdings nur, falls der Staub den Stern umgibt.

    „Falls er den Stern umgibt, müssen wir verstehen, warum ein langweiliger Stern der Klasse F so was macht und wie häufig das vorkommt“, sagt Sigurdsson. „Das könnte auf mehr als zehn Prozent der Sterne zutreffen, wenn man einberechnet, dass wir einen auf frischer Tat ertappt haben, was auch recht merkwürdig ist.“

    2016 stellte Brian Metzger von der Columbia Universität die Theorie auf, dass Tabbys Stern vor Kurzem womöglich einen Gesteinsplaneten oder einen unglückseligen Mond pulverisiert hat, der ihm zu nah gekommen ist. In seinem Orbit könnten sich also noch dessen Überreste befinden. Oder vielleicht zerstörte er auch einen Schwarm eisiger Objekte wie jenen hinter unserem Neptun, die von dem benachbarten Stern – einem Roten Zwerg – systemeinwärts gedrückt wurden.

    Die Wahrheit ist, dass die Wissenschaftler nun zwar wissen, dass das mysteriöse Verhalten von Tabbys Stern nicht das Werk von Außerirdischen ist – aber sie sind der Lösung des interstellaren Rätsels nur unwesentlich nähergekommen.

    „Viele dieser Dinge sind verlockende Hinweise, und wir sind uns nicht sicher, ob es falsche Spuren sind oder der Schlüssel zur Lösung“, sagt Wright. „Es ist ein bisschen wie ein Sherlock-Holmes-Rätsel. Man ist nicht sicher, welche Hinweise am Ende eine Rolle spielen und welche nur eine große Zeitverschwendung sind.“

     

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