Erfolgreicher Start der Falcon Heavy ebnet Weg für größere Projekte

Die Rakete von SpaceX wurde gestern zur leistungsstärksten aktiven Rakete der Welt – und Musk hat schon wieder neue, noch größere Pläne für die Zukunft.

Von Michael Greshko
Veröffentlicht am 7. Feb. 2018, 12:45 MEZ

Gestern Abend tanzte ein einzigartiges Ballett über den Himmel Floridas, als um 15:45 Uhr Ortszeit die Rakete Falcon Heavy von SpaceX ins All schoss.

Nach dem erfolgreichen Start ist die Falcon Heavy nun die leistungsstärkste aktive Rakete der Welt und kann mehr als 60.000 Kilogramm an Fracht in den Erdorbit bringen.

„Ich versuche noch, alles zu verarbeiten, was passiert ist. Das wirkt immer noch so unwirklich“, sagte der SpaceX-Gründer Elon Musk am Dienstag bei einer Pressekonferenz nach dem Start. „Ich hatte dieses Bild einer Explosion auf der Startrampe vor Augen, bei der ein Rad über die Straße rollt und das [SpaceX-]Logo irgendwo landet. Aber zum Glück ist das nicht passiert.“

Am Morgen des Starttages war die Anspannung im Kennedy Space Center der NASA fast greifbar. Fünf Stunden vor dem Start stauten sich schon auf über anderthalb Kilometern Autos vor dem Eingang des Besucherzentrums, sodass die Schlange auch an der brandneuen Fabrik des SpaceX-Konkurrenten Blue Origin vorbeiführte.

Um 15:45 Uhr Ortszeit erwachten die 27 Merlin-Raketentriebwerke der Falcon Heavy dann mit einem triumphierenden Getöse zum Leben, das man noch in etlichen Kilometern Entfernung hören konnte. Die Rakete startete von der Startrampe 39A, von der aus auch schon die Spaceshuttle-Flotte und die Apollo-Missionen Richtung Mond aufbrachen. Sie trug einen modifizierten Tesla Roadster ins All, aus dessen Lautsprechern David Bowies „Space Oddity“ dröhnte.

Nach acht Minuten trennten sich die Seitenbooster der Falcon Heavy vom Hauptteil der Rakete ab und kehrten zum Boden zurück.

Die Erststufe der Rakete setzte ihren Aufstieg fort, bis sich die Oberstufe abtrennte und die Erststufe kehrtmachte, um auf dem unbemannten Drohnenschiff Of Course I Still Love You zu landen, das im Atlantik wartete. Direkt nach dem Start war noch unklar, ob die Erststufe ihren Landeplatz getroffen hatte.

Wenig später bestätigte Musk jedoch, dass sie das Drohnenschiff verfehlt hatte. Musk schob das auf den niedrigen Triethylboran-Pegel – ein Treibstoff, der den Raketentriebwerken gewissermaßen als Starterflüssigkeit dient – im Booster der Erststufe. Während des Abstiegs zündeten nicht alle Triebwerke der Erststufe, weshalb sie deutlich schneller zu Boden fiel als geplant.

„Anscheinend schlug sie mit etwa 480 km/h auf dem Wasser auf“, sagte Musk und fügte hinzu, dass der Aufprall auch zwei der Motoren des Drohnenschiffs außer Gefecht gesetzt hatte.

BELIEBT

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    Die verpatzte Landung hatte allerdings keinen Einfluss auf den ansonsten vorbildlichen Start der Rakete. Die Oberstufe der Falcon Heavy trennte sich sauber von der Erststufe ab und trug den Roadster mit seinem Passagier – einem Astronauten-Dummy namens Starman – ins All. Danach verbrachte das Fahrzeug fünf Stunden im Van-Allen-Gürtel, in dem das Magnetfeld der Erde energiereiche geladene Teilchen aus dem Weltraum einfängt.

    Die Strahlung schien die Oberstufe allerdings nicht beschädigt zu haben. Gegen 4:45 Uhr mitteleuropäischer Zeit bestätigte Musk auf Twitter, dass das Triebwerk der Oberstufe gezündet und den Tesla aus dem Gravitationsfeld der Erde herausbewegt hat.

    Getreu den Liedzeilen Bowies fliegt das Auto nun „in a most peculiar way“, also auf höchst eigentümliche Weise: Es bewegt sich in einer elliptischen Umlaufbahn um die Sonne, vom Erdorbit bis zum Asteroidengürtel und wieder zurück.

    SpaceX zufolge könnte der Roadster dort für Millionen von Jahren eine stabile Umlaufbahn halten. Und zumindest für eine Weile konnten wir den Starman auf seiner Reise live begleiten, da am Roadster drei Kameras angebracht wurden.

    „Es ist ein normales Auto im Weltraum – ich mag das Absurde daran“, sagte Musk.

    Wie National Geographic gestern berichtete, wird die Falcon Heavy zu einem mächtigen Symbol für den Vorstoß privater Unternehmen in das Weltall werden. SpaceX hat diesen Sektor bereits mit dem Fokus auf das Konzept die Wiederverwendbarkeit in neue Bahnen gelenkt.

    GROSSE PLÄNE

    Auf gewisse Weise ist die Rakete für den aktuellen Markt aber nicht wirklich ausgelegt. Der ursprüngliche Plan, damit Satelliten ins All zu bringen, wurde von SpaceX selbst quasi unterwandert, indem das Unternehmen seine Falcon-9-Rakete immer weiter verbessert hat.

    Zudem ist es unwahrscheinlich, dass die Falcon Heavy Menschen ins All bringen wird. Musk zufolge wird die Rakete den mühsamen Zertifikationsprozess wohl nicht durchlaufen, der dafür nötig wäre. Stattdessen wird SpaceX direkt mit der Entwicklung der Big Falcon Rocket – oder kurz: BFR – weitermachen, dem gewaltigen Raumschiff mit den 31 Boostern, das Musks Vision von interplanetaren Reisen des Menschen umsetzen soll.

    Die Falcon Heavy von SpaceX im Vergleich mit ein paar anderen Raketen, die erfolgreich Fracht und (in manchen Fällen) menschliche Besatzung ins All trugen. Die linke Achse zeigt die Höhe der Raketen in Metern an, darunter stehen ihr Name, das Herkunftsland bzw. die Organisation und das Datum des ersten Starts.
    Foto von Dan Steinmetz

    Das mag ambitioniert klingen, aber Musk zufolge ist die BFR gar nicht in so weiter Ferne. In der Pressekonferenz nach dem Start der Falcon Heavy schockierte Musk die anwesenden Journalisten mit der Offenbarung, dass er schon nächstes Jahr damit anfangen möchte, die BFR mit kurzen, vertikalen Sprüngen zu testen. Derzeit plant SpaceX, das riesige Raumschiff schon 2022 mit Fracht auf dem Mars landen zu lassen.

    Musk gibt aber selbst zu, dass dieser extrem optimistische Zeitplan „ehrgeizig“ ist. Auch der Start der Falcon Heavy verschob sich durch Überarbeitungen des Designs und andere Verzögerungen um Jahre.

    Bis dahin ist es gut möglich, dass die Falcon Heavy eine größere Rolle bei wissenschaftlichen Missionen spielen und kleinere Instrumente an diverse Orte des Sonnensystems bringen wird. Auch eine Beteiligung an künftigen Mondmissionen, wie die NASA sie plant, ist möglich.

    „Sie kann Dinge direkt zum Pluto und noch weiter schießen. Sie kann Satelliten ins All bringen – sie kann alles“, so Musk.

    „Wenn ich ein Missionsentwickler wäre, wie ich es damals war, und die Falcon Heavy zur Verfügung hätte, würde ich sofort anfangen, Startszenarien zu entwerfen – wie viele Tonnen kann ich in den Mondorbit bringen?“, sagt G. Scott Hubbard. Er ist ein Luftfahrtexperte und der ehemalige Leiter des Ames Research Center der NASA. „Das würde sofort Teil der Planung werden.“

    Aber der zukünftige Weg der Falcon Heavy hält noch einige Hindernisse bereit. Jede Rakete, die bei Missionen von hoher Priorität eingesetzt wird, muss beweisen, dass sie verlässlich ist. Ein einzelner erfolgreicher Start demonstriert zwar, dass es keine groben Designfehler gibt. Aber es sind noch weitere Starts nötig, um eine grundlegende Verlässlichkeit des Raumfahrzeugs zu demonstrieren.

    „Es ist egal, wie viel Geld man spart, wenn man die Nutzlast verliert, weil die Regierung die nicht versichert – das kann sie gar nicht“, sagt Casey Dreier, der Direktor für Raumfahrtpolitik der Planetary Society. „Die Verlässlichkeit wird der Schlüsselfaktor.“

    Noch dazu ist SpaceX alles andere als konkurrenzlos. Wie Loren Gosh von „The Verge“ schon im Mai anmerkte, konkurrieren SpaceX und seine Wettbewerber um die Entwicklung immer leistungsstärkerer Raketen. Einige davon könnten sich in ihren Spezifikationen auch mit dem Space Launch System der NASA überschneiden, der großen Rakete, die derzeit noch entwickelt wird.

    Aber völlig egal, wer am Ende das Rennen um die Herzen oder die Verträge gewinnt: Musk und andere Persönlichkeiten in der Branche sind überzeugt davon, dass diese Fortschritte für große Ideen stehen, die die Geschichte der Menschheit maßgeblich verändern können.

    „Warum wir das machen? Um zwei Dinge zu tun: Damit wir die menschliche Präsenz jenseits der Erde in jeglicher Form vorantreiben können und um Raumfahrzeuge, Teleskope und Menschen auch über den Erdorbit hinaus [ins All] schicken zu können“, sagt Dreier. „Wir bauen ein Potenzial auf, um uns der Herausforderung zu stellen, den Kosmos zu erforschen und zu verstehen. Das ist im Grunde eine wirklich wundervolle Sache, die wir als Art unternehmen.“

    Musk würde noch einen dritten Grund anbringen: „Ich will einen Wettlauf ins All“, sagte er. „Wettläufe sind spannend.“

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    RAUMFAHRT

    SpaceX will im Jahr 2018 ein Raumschiff zum Mars schicken

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