Weltraumwale und fliegende Echsen: Die Tiere des Kosmos

Nebel und Galaxien haben mitunter spektakuläre Formen, die den ein oder anderen Betrachter an unsere irdischen Geschöpfe erinnern.

Von Benji Jones
Veröffentlicht am 21. März 2018, 17:56 MEZ
Nebel
Der Adlernebel verdankt seinen Namen einem dunklen Bereich, der mit etwas Fantasie die Form eines fliegenden Adlers erkennen lässt.
Foto von NASA

Wer von den Tieren auf der Erde nicht genug bekommen kann, sollte mal einen Blick in den Himmel werfen. Dort tummeln sich Adler, Elefanten, Wale und viele mehr – sofern man ein entsprechend starkes Teleskop und eine noch stärkere Vorstellungskraft sein eigen nennen kann.

Astronomen benennen Galaxien, Nebel und andere astronomische Phänomene schon seit Langem nach Tieren, denen sie von einem irdischen Blickwinkel aus scheinbar ähneln. Diese Menagerie aus Sternen und Sternstaub enthält Dutzende Exemplare. Allein unter den Nebeln gibt es mindestens 20 Tiere, von Tintenfischen bis zu laufenden Hühnern.

„Diese Objekte beflügeln wirklich die Fantasie der Menschen“, sagt Karen Masters, eine Professorin für Astronomie am Haverford College. „Es liegt in der menschlichen Natur, in unbekannten Dingen etwas Vertrautes zu sehen.“

Und für die frühen Beobachter waren diese Phänomene in der Tat recht fremdartig. Nebel sind kosmische Wolken aus Gas und Staub, die mit dem Tod und der Geburt von Sternen zusammenhängen. Galaxien hingegen sind Sternsysteme aus Millionen oder Milliarden von Sternen, die durch Gravitationskräfte zusammengehalten werden.

Tiernamen wie beispielsweise „die Mäuse“ werden schon seit Jahren – in manchen Fällen gar seit Jahrhunderten – benutzt, um diese Phänomene zu bezeichnen. Allerdings sind es keine offiziellen Namen, sagt Thierry Montmerle, der ehemalige Generalsekretär der Internationalen Astronomischen Union (IAU), welche die Benennung astronomischer Objekte beaufsichtigt.

Diese beiden Spiralgalaxien, die sich gegenseitig auseinanderziehen, werden aufgrund ihrer langen „Schwänze“ auch als „die Mäuse“ bezeichnet.
Foto von NASA

„Die sind sehr informell“, sagt er. „Der Name wird auf vielfachen Wunsch hin angenommen und die IAU ist damit wunschlos glücklich.“

Säugetiere

Säugetiere sind nicht nur auf der Erde beliebt, sondern tummeln sich auch zahlreich am Himmel. Tatsächlich sind mindestens drei Galaxien und sechs Nebel nach warmblütigen Wirbeltieren benannt, darunter der Pferdekopfnebel, der Katzenpfotennebel (NGC 6334) und der Seekuhnebel (W50).

Zwei Galaxien mit Säugetiernamen – die Mäuse und die Tümmlergalaxie (NGC 2936), die Teil des Galaxiepaars Arp 142 ist – haben besonders ungewöhnliche Formen. Sie sind in der Anziehungskraft einer anderen Galaxie gefangen, wodurch eine Art langgezogener Schwanz aus Sternen entsteht.

„Die sehen wie Mäuse aus, weil man diese zwei Haufen hat und beide lange Schwänze haben, die sich hinter ihnen erstrecken“, sagt Masters.

Der Pferdekopfnebel ist Teil einer riesigen Dunkelwolke im Sternbild Orion.
Foto von NASA

Die Walgalaxie (NGC 4631) oder Heringsgalaxie ist eine Spiralgalaxie, deren gebogene Arme in einem zentralen Punkt zusammenlaufen. Von der Erde aus betrachtet sieht man die Galaxie aber nur von der Seite, sodass sie für einige Astronomen wie ein Wal aussieht, der durch das All gleitet.

Reptilien und Amphibien

Genau wie die Mäuse und die Tümmlergalaxie verdankt auch die Kaulquappengalaxie (UGC 10214) ihre Form einem galaktischen Zusammenstoß, der sich vermutlich vor über hundert Millionen Jahren ereignete. Der Schwanz der Kaulquappe ist gewaltige 280 Lichtjahre lang und hat damit ungefähr den dreifachen Durchmesser unserer Milchstraße.

Diese Aufnahme des Hubble-Weltraumteleskops verdeutlich, warum die Kaulquappengalaxie diesen Namen trägt.
Foto von NASA

Genau wie bei ihrem irdischen Namensgeber wird ihr Schwanz aber im Laufe ihrer Entwicklung verschwinden.

„Diese Schwänze sind nicht inaktiv. Sie werden ihre eigene Existenz führen“, sagt Montmerle. „Wahrscheinlich werden sie sich neu arrangieren und kleine Galaxien hervorbringen.“

Und vergessen wir nicht die Reptilien. Im Weltall gibt es nämlich auch fliegende Echsen.

Vögel

Es gibt zwar keine Galaxien, die nach Vögeln benannt sind, aber zahlreiche Nebel.

Der bekannteste von ihnen ist der Adlernebel, der seinen Namen einem dunklen Bereich verdankt, der mit etwas Fantasie die Form eines fliegenden Adlers erkennen lässt.

Seit der Entdeckung des Nebels vor mehr als zwei Jahrhunderten haben Astronomen noch weitere Anzeichen für seinen Platz im Reich der Tiere gefunden: Innerhalb des Adlernebels entstehen vermutlich Protosterne, die Astronomen im Englischen als „evaporating gaseous globules“ oder EGGs bezeichnen – Eier.

Und dann gibt es da natürlich noch den Emissionsnebel IC 2944, der im Englischen auch als Running Chicken Nebula bezeichnet wird. Das „laufende Hühnchen“ erstrahlt etwa 6.500 Lichtjahre von der Erde entfernt in ultraviolettem Rot.

Auch andere Nebel wurden nach Vögeln benannt, beispielsweise der Möwennebel (IC 2177), der Pelikannebel (IC 5070) und der Eulennebel (Messier 97).

Insekten, Spinnen- und Krebstiere

Für alle, die keine Krabbeltiere mögen, wäre ein Spaziergang durch den Kosmos wohl keine Freude: Dort wird gekniffen, gestochen und gebissen. Es gibt Nebel, die nach Taranteln (NGC 2070), roten Spinnen (NGC 6537), Ameisen (Menzel 3), Schmetterlingen (M2-9), Hummern (NGC 6357) und Garnelen (IC 4628) benannt sind. Ein Galaxiepaar (NGC 4038 und NGC 4039) wurde aufgrund seines Erscheinungsbilds sogar nach den Fühlern oder Antennen von Insekten benannt.

Im Hummernebel (unten links) befindet sich der offene Sternhaufen Pismis 24, der besonders helle und blaue Sterne enthält.
Foto von NASA

In der himmlischen Welt der Gliederfüßer ist der Krebsnebel (NGC 1952) vermutlich einer der bekanntesten Vertreter. Er wurde im 18. Jahrhundert von einem britischen Amateurastronomen entdeckt.

Damals gab es noch keine NASA und erst recht kein Hubble-Weltraumteleskop.

Der Krebsnebel ist das Überbleibsel einer Supernova und leuchtete zu jener Zeit so hell, dass er selbst mit einfachen Ferngläsern zu sehen war. Ein Jahrhundert später fertigte ein anderer Astronom, William Parsons, eine Zeichnung des Nebels mit zahlreichen Ranken oder Auswüchsen an, die für ihn wie die Beine eines Krebses aussahen. Heutzutage fände man vermutlich kaum noch einen Astronomen, der dem zustimmen würde.

Dieses Farbkomposit zeigt den Krebsnebel, der frühe Beobachter an ein vielbeiniges Krebstier erinnerte.
Foto von NASA

„Wenn man sich diese Objekte heutzutage per Teleskop ansieht, sehen sie nicht wirklich wie die Dinge aus, nach denen sie benannt wurden“, sagt Ray Villard, der Nachrichtendirektor des Space Telescope Science Institute.

„Der Krebsnebel ist eine Explosion – ich sag dazu ‚überfahrenes Tier‘ –, aber als man ihn zum ersten Mal beobachtet hat, sah er wie ein Krebs aus.“

Fische, Tintenfische und Quallen

Die Tümmler- und die Walgalaxie sollten sich vorsehen, denn im galaktischen Ozean lauern auch Räuber.

Einer davon ist der Hainebel (LDN 1235). Er befindet sich in etwa 650 Lichtjahren Entfernung zur Erde, ist aber vermutlich nicht der bekannteste galaktische Fisch.

Dieser Titel geht wohl an den Stingray- oder Stechrochennebel (Hen 3-1357), der derzeit als jüngster beobachtbarer planetarischer Nebel gilt und erst Ende des letzten Jahrhunderts sichtbar wurde.

Noch vor 25 Jahren waren die Gase, die den sterbenden Stern umgeben, nicht heiß genug, um zu leuchten. Mittlerweile erstrahlt der Nebel in Rot, Grün und Blau.

Auch der Quallennebel (IC 443), der Tintenfischnebel (Ou4) und der Fischkopfnebel (IC 1795) treiben durch die weite kosmische See.

Geschlossenes Ökosystem

Auch heutzutage entdecken Astronomen noch massenhaft Nebel und Galaxien. Villard zufolge ist es aber unwahrscheinlich, dass bald neue Tiere am Himmel auftauchen.

„Die, die groß genug und nah genug sind, um Details erkennen zu lassen, wurden schon entdeckt und haben Spitznamen“, sagt er.

„Alles, was [neu] entdeckt wird, ist so schwach und so weit weg, dass es keinen Namen verdient.“

Sofern wir in unserer Nachbarschaft also nicht doch noch einen Nebel mit Flügeln, Flossen oder Fühlern entdecken, bleiben das wohl die einzigen kosmischen Tiere.

 

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