Unser elektrischer Mond

Die dünne Atmosphäre unseres Trabanten scheint sich besonders im Schutz des Erdmagnetfeldes elektrisch aufzuladen.

Von Robin George Andrews
Veröffentlicht am 19. Sept. 2018, 15:37 MESZ
Auf diesem Bild, das von der ISS aufgenommen wurde, scheint der Vollmond die Erdatmosphäre zu streifen.
Auf diesem Bild, das von der ISS aufgenommen wurde, scheint der Vollmond die Erdatmosphäre zu streifen.
Foto von NASA, International Space Station

Für viele Menschen ist der Mond ein kalter, toter Ort. Eine aktuelle Studie ruft uns jedoch ins Gedächtnis, dass unser blasser Begleiter am Nachthimmel dynamischer ist, als er von Weitem erscheint. Neue Messungen seiner hauchdünnen Atmosphäre untermauern die Vermutung, dass unser Satellit von einer elektrischen Hülle umgeben ist. Diese scheint stärker zu werden, wenn die Erde sie während des Vollmonds vor den Kräften der Sonne schützt. 

Wer nachts den leuchtenden Vollmond betrachtet, sieht den Erdtrabanten vermutlich in seiner elektrisch stärksten Phase. 

Viele Welten mit einer Atmosphäre verfügen über eine äußere Schicht namens Ionosphäre. Jene Atome, die in diese großen Höhen gelangen, treffen dort auf das Vakuum des Weltraums. Dort sind sie den Angriffen der Sonnenstrahlung und der kosmischen Strahlen ausgesetzt, die Elektronen aus den Atomen reißen und eine dünne Schicht aus Plasma erzeugen.  

Trotz seiner extrem geringen Schwerkraft verfügt auch der Mond über eine sehr dünne Atmosphärenschicht, die man als Exosphäre bezeichnet. Sie speist sich aus den winzigen Absonderungen, die durch radioaktiven Verfall entstehen, sowie durch Atome, die durch Mikrometeoriteneinschläge und Sonnenwinde aufgewühlt werden. Auch Mondstaub, der womöglich durch elektrostatische Kräfte über der Oberfläche schwebt, könnte sich auf die Exosphäre auswirken. 

In den Siebzigerjahren kreisten die sowjetischen Raumsonden Luna 19 und 22 um den Mond und streiften dabei kaum merklich eine Schicht geladener Partikel hoch über der stillen Oberfläche. Es schien ganz so, als würde die diffuse Exosphäre des Mondes mit dem Sonnenlicht interagieren und so eine Ionosphäre erzeugen. Sie ist hauchdünn und flüchtig, aber sie ist da.  

„Es gibt eine Menge, das wir nicht über sie wissen. Es ist wohl auch nicht übertrieben zu sagen, dass darum noch eine Kontroverse besteht“, sagt Jasper Halekas. Der Professor für experimentelle Weltraumphysik an der University of Iowa ist der Hauptautor der neuen Studie, die in „Geophysical Research Letters“ erschien. 

Ein Teil des Problems besteht darin, dass die Ionosphäre des Mondes so schwach ist. Daher lässt sie sich inmitten der Plasmaströme von der Sonne und Erde nur schwer nachweisen. Viele ihrer Eigenschaften verbergen sich hinter diesem turbulenten Schleier, weshalb sie nicht unumstritten sind. 

Im Schatten der Erde 

Halekas und sein Team wollten etwas Licht in dieses Dunkel bringen und benutzten dafür zwei Sonden, die sich bereits in Mondnähe aufhielten. Sie gehören zur NASA-Mission ARTEMIS, welche die Interaktionen zwischen Sonne und Mond erforschen soll. 

Die Instrumente an Bord der beiden Sonden sind auch dazu imstande, einen Blick in die dünne Exosphäre des Mondes zu werfen. Um die bestmöglichen Bedingungen zu garantieren, wartete das Team aber auf einen ganz bestimmten Moment: einen Vollmond.

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    Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Erde genau zwischen Mond und Sonne, sodass unser kleiner Satellit sich im schützenden Schatten des Erdmagnetfeldes befindet. Das bedeutet, dass der Mond und seine dünne Ionosphäre von den Sonnenwinden abgeschirmt werden, die konstant ins Weltall strömen. 

    Während dieses kritischen Zeitfensters konnte ARTEMIS die Plasmawellen von der Tagseite des Mondes verfolgen und so ein detaillierteres Bild der Mond-Ionosphäre erstellen. Es war das erste Mal, dass eine derart präzise Technik auf den Mond angewandt wurde. Die Ergebnisse offenbarten, dass die Ionosphäre unseres Trabanten etwa eine Millionen Mal dünner als die der Erde ist. 

    Allerdings hat das Mondplasma in der Vollmondphase eine deutlich höhere Dichte. Das lässt vermuten, dass die Ionosphäre des Mondes im Schutz der Erde prominenter ist.  

    Halekas beschreibt dieses relative Maximum in der Ionosphäre als eine „kleine Quelle von Plasma, das um den Mond herum blubbert und brodelt“. 

    Plasmaverbindungen 

    Das bedeutet auch, dass das Mondplasma das Plasma von der Erde und Sonne messbar beeinträchtigen kann. Daher entstehen wahrnehmbare Veränderungen in den elektrischen Energien und der Elektronenverteilung rund um diese Region. Womöglich gibt es sogar eine auf Plasma basierende Verbindung zwischen Erde und Mond. Bei früheren Studien entdeckte man Hinweise auf die Existenz eines solchen Partikelaustauschs. 

    Bislang gilt eine Plasmaverbindung zwischen Mond und Erde jedoch als höchst spekulativ. Bis uns noch bessere Instrumente zur Verfügung stehen, werden einige Fragen wohl unbeantwortet bleiben. 

    Derzeit lässt sich auch noch nicht sagen, ob der Mond Rückschlüsse auf andere Gesteinskörper im Kosmos zulässt. Die Asteroiden und anderen Mode in unserem Sonnensystem sind meist kleiner als „unser prachtvoller Mond", sagt Sara Russel, eine Professorin für Planetenwissenschaften am Natural History Museum in London. 

    Himmelskörper in größerer Entfernung zur Sonne würden im Vergleich zum Mond auch weniger Sonnenstrahlung ausgesetzt sein, weshalb ihre Exosphären sich nicht so effizient ionisieren würden. Zusammen lassen diese beiden Faktoren darauf schließen, dass potentielle Ionosphären von Gesteinskörpern vermutlich noch schwächer als die unseres Mondes wären. 

    Trotzdem ist Halekas von der seltsamen Mond-Ionosphäre fasziniert, die „ein Grund ist, den Mond nicht als großen, toten und langweiligen Felsen am Himmel zu betrachten“. 

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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