Glücklichmacher: 7 Gründe, diesen Sommer Eiscreme zu genießen

Eis wird seinem schlechten Ruf nur bedingt gerecht: Immerhin macht es glücklich, erinnert an die schönsten Momente der Kindheit – und ist gar nicht so ungesund, wie man denken mag. 7 wissenschaftliche Erkenntnisse, die Eiscreme feiern

Von Barbara Buenaventura
Veröffentlicht am 2. Juli 2021, 09:39 MESZ
Glücklichmacher Eiscreme: Jeder Deutsche verspeist 114 Kugeln Eis pro Jahr.

Jeder Deutsche verspeist 114 Kugeln Eis pro Jahr - hoffentlich voller Genuss und mit allen Sinnen.

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Für viele Menschen ist Eiscreme mit schönen Erinnerungen, aber auch jeder Menge schlechtem Gewissen verbunden: Zu viel Zucker, zu viel Fett, zu viele Zusatzstoffe. Sicherlich: Den Preis für besonders viele Vitamine und hochwertige Nährstoffe gewinnt Eiscreme, die zu den beliebtesten Süßspeisen der Deutschen gehört, sicher nicht. Und doch verspeisten letztere einer Erhebung von Statista zufolge im Jahr 2020 immerhin 8 Liter Speiseeis pro Kopf. Damit ging der Eiskonsum im Corona-Jahr im Vergleich zu 2019 und 2018 zwar um 0,3 bzw. 0,7 Liter zurück, pendelt sich jedoch auf einem hohen Level um die 8 Liter ein: Bei einem Durchschnittsgewicht von 70 Gramm pro Kugel verspeist jeder Deutsche damit stolze 114 Eiskugeln pro Jahr.

Ob Waffeleis aus Eisdiele, Eis am Stiel aus dem Supermarkt oder Softeis – im allgemeinen Verständnis ist Eis als „ungesund“ oder gar „verboten“ abgespeichert. Zu Recht? „Grundsätzlich ist natürlich gesunde Ernährung wichtig. Allerdings ist es auch nicht sinnvoll, sich ein Lebensmittel zu verbieten“, sagt Silvia Schmidt, ernährungspsychologische Beraterin und Präsidentin der Ernährungs-Psychologischen Beratung Schweiz (epb). „Verbietet man sich ein Lebensmittel, wächst der Wunsch, dieses Produkt zu konsumieren. Durch Verzicht entsteht irgendwann psychische Frustration. Maßvoller Umgang mit Süßigkeiten ist sinnvoller.“ Wie gut, dass es durchaus wissenschaftlich belegte Argumente dafür gibt, sich diesen Sommer zumindest gelegentlich ein Eis zu gönnen:

1. Eis macht glücklich

Die Erkenntnis ist nicht neu: Schon 2005 fanden Neurowissenschaftler des Institute of Psychiatry in London in einer von Unilever in Auftrag gegebenen Studie heraus, dass schon ein einziger Löffel Eiscreme eine unmittelbare Wirkung aufs Gehirn hat. Demnach werden beim Eisessen (in der Studie: Vanille) die Lustzentren im Gehirn aktiviert, unter anderem die orbitofrontale Hirnrinde, die für die Selbstregulation zuständig ist. Auch aus der evolutionsbiologischen Perspektive macht die Theorie von Eis als „Glücksbringer“ Sinn: Für unsere Vorfahren, die sich energiereich ernähren mussten, galt süßer Geschmack als Orientierungshilfe für ungefährliche, nährstoffreiche Lebensmittel. „Das Hirn will evolutionsbedingt süße Lebensmittel. Wenn wir ihm die geben, belohnt es uns mit guten Gefühlen“, sagt Silvia Schmidt. Bei kohlehydratreicher Nahrung wird Serotonin, auch als Glückshormon bekannt, ausgeschüttet, beim Konsum süßer Nahrungsmittel wird Insulin produziert, das ebenfalls die Ausschüttung von Serotonin fördert. Die Ausrichtung des Körpers auf süßen Geschmack ist übrigens schon bei Neugeborenen ausgeprägt: Die Süße in der Muttermilch signalisiert, dass es sich hierbei um ein nährstoffreiches und bekömmliches Nahrungsmittel handelt. Die positive Wirkung von Süßem ist demnach schon seit frühester Kindheit verankert.

2. Eis aktiviert das Gehirn

Zucker ist Treibstoff fürs Gehirn – so viel ist bekannt. Sicherlich wird kein Ernährungswissenschaftler empfehlen, sich bei mangelnder Konzentration ein Eis zu genehmigen. Ein Psychiater offenbar schon: Yoshihiko Koga von der Tokioter Kyorin-Universität untersuchte, inwiefern der morgendliche Genuss von Eiscreme die geistige Leistungsfähigkeit erhöht. Bei dem Versuch wurde die Gehirnaktivität der Teilnehmer gemessen, die frühmorgens eine Reihe Tests am Computer durchführen mussten. Eine Gruppe hatte direkt nach dem Aufwachen Eiscreme gegessen, die Kontrollgruppe nicht. Das Ergebnis: Bei den Teilnehmern, die kurz zuvor Eis gegessen hatten, wurde eine bessere Gehirnleistung und die Zunahme hochfrequenter Alphawellen verzeichnet. Diese Wellen werden mit einer erhöhten Wachheit und Kreativität verbunden. Ihre starke Aktivierung lässt sich Koga zufolge mit der Kombination von Zucker und Kälte erklären. Die spezifische geistige Aufgewecktheit könnte Silvia Schmidt zufolge jedoch auch mit der Ausnahmesituation zu tun haben, Eis zum Frühstück genießen zu können: „Eis aktiviert gleich mehrere Sinne, die wir mit positivem Genuss verbinden und uns so zusätzlich in eine gute Stimmung versetzen."

Unser Gehirn will evolutionsbedingt süße Lebensmittel. Wenn wir ihm die geben, belohnt es uns mit guten Gefühlen. 

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3. Brain Freeze schützt vor Unterkühlung

Jeder kennt den stechenden Kopfschmerz, der unter anderem der hastige Genuss von kalten Getränken oder Eis mit sich bringen kann: Der auch „Brain Freeze“ genannte „Gehirnfrost“ ist auf den schnellen Temperaturwechsel am Gaumen zurückzuführen. Trifft der kalte Reiz im Mund auf die empfindlichen Nerven am Gaumen, kühlen die Blutgefäße in den Nasennebenhöhlen ab und verengen sich. Wärmt sich der Gaumen wieder auf, weil der Mund beispielsweise geöffnet wird, weiten sich die Gefäße wieder, der „Krampf“ lässt nach. In einer amerikanisch-irischen Untersuchung wurde zudem nachgewiesen, dass beim Brain Freeze der Blutfluss in der vorderen Hirnarterie sowie der Blutdruck stark ansteigen. Die Studie, die 2012 im The FASEB Journal veröffentlicht wurde, führt eine interessante Erklärung an: Demnach könnte der Kopfschmerz als Schutzmechanismus eine Unterkühlung des Gehirns verhindern. Das zusätzliche Blut wärmt, gleichzeitig entsteht ein erhöhter Druck in den feinen Blutgefäßen im Kopf. Gefährlich ist der „Gehirnfrost“ nicht: Um den Krampf zu lösen, reicht es, den Gaumen wieder zu erwärmen – durch warmes Wasser oder bloßes Atmen. Oder das Eis einfach in aller Ruhe und nicht zu hektisch zu genießen, dann entsteht erst gar kein Brain Freeze.

4. Gegen Eis-Heißhunger lässt sich etwas tun

Viele Menschen kennen das Phänomen des Heißhungers – bei den einen setzt er auf Salzig-Kohlehydratreiches ein, bei den anderen auf Süßes, von Schokolade bis Eis. Das ist zunächst nichts Unnatürliches. Silvia Schmidt erklärt den biologischen Prozess: „Unser Körper – vor allem das Gehirn – braucht für seine Energieversorgung Glukose. Ist im Körper zu wenig Glukose vorhanden, meldet sich das Gehirn mit Hungergefühlen. Werden diese Hungergefühle lange ignoriert, wachsen sie zu Heißhunger an.“ Natürlich kann Heißhunger, zum Beispiel auf Eiscreme, auch psychologische Ursachen haben: „Viele Menschen versuchen, sich bei ihren Essgewohnheiten stark einzuschränken. Sie üben eine kognitive Kontrolle und Übersteuerung physiologischer Hunger- und psychologischer Appetitsignale aus. Das heißt: Sie hören nicht mehr auf ihren Körper, ob sie Hunger haben oder satt sind, sondern essen das, was sie sich erlauben.“ Die Folge: Verbotene Lebensmittel werden attraktiv. "Die ‚Gier‘ nach diesen Lebensmitteln steigt stark an, der dauernde Verzicht wirkt irgendwann ermüdend und frustrierend. Das Verlangen nach dem Verbotenen steigert sich immer mehr und der Anreiz zu essen wird immer größer.“ Der Rat der ernährungspsychologischen Beraterin: sich kein Lebensmittel komplett verbieten und Eis lieber gelegentlich und ganz bewusst genießen. „Auch Süßigkeiten in Maßen können ihren Platz in der Ernährung haben.“

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    5. Eiscreme ist eine Zeitkapsel

    Eiscreme steht für Sommer, Sonne, Ferien und ist wie kein anderes Lebensmittel mit positiven Erlebnissen, zumeist aus der Kindheit, konnotiert. Wie schafft das eine simple Süßspeise? Um das Phänomen der Geschmackserinnerung zu verstehen, müssen wir uns den Funktionen im Körper nähern: Denn obwohl unsere Geschmacksrezeptoren gerade mal fünf Grundrichtungen kennen, unser Geschmackssinn außerordentlich komplex. Die englischen Begriffe für Geschmack machen diese Komplexität deutlicher: Während „taste“ die fünf Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter und umami abbildet, fließen in „flavour“ auch Informationen des Geruchssinns ein, auch Temperatur und Konsistenz spielen hier eine Rolle. Der Geschmackssinn ist zudem stark mit den Regionen im Gehirn verbunden, die für Emotionen zuständig sind; Gerüche gelangen ungefiltert ins limbische System: Die Riechzellen sind mit dem Hippocampus verbunden, der Erlebnisse verarbeitet und an Gedächtnisprozessen beteiligt ist. Die Amygdala unterstützt dabei, ein Ereignis emotional zu bewerten. Eine Geruchs- oder auch Geschmackserinnerung entsteht, die auf ewig erhalten bleiben kann. Eiscreme in seinen unzähligen Variationen und Geschmacksrichtungen kann dabei wie ein Album unserer Kindheitserinnerungen wirken. Umprogrammieren lässt sich so eine Geschmackserinnerung übrigens nicht – „aber die Präferenzen können sich verändern. Und dann ‚verschwimmen‘ Erinnerungen, die ja subjektiv und stark emotional verbunden sind. Je älter man wird, desto wichtiger sind rationale Einstellungen“, sagt Silvia Schmidt. Im Fall von Eiscreme, das wir wie kein anderes Lebensmittel mit Sommer, Sonne und schönen Kindertagen konnotieren, könnte es sich lohnen, die Geschmackserinnerungen regelmäßig aufzufrischen – denn süßer kann eine Kindheitserinnerung ja eigentlich gar nicht sein.

    6. Eis ist ein sinnliches Erlebnis

    Es ist nicht nur der Geschmack, der Eis zu etwas Besonderem macht, sondern das Gesamtpaket: „Eis ist etwas Besonderes, weil wir es als Kind schon immer nur zu bestimmten Zeiten wie im Sommer oder den Ferien essen durften“, sagt Schmidt. Es gewinnt dadurch eine bestimmte Exklusivität, die mit allen Sinnen genossen werden kann: „Man sieht den kunstvoll dekorierten Eisbecher, riecht die Erdbeersauce, die über dem Eis verläuft, und hört das Knacken des Schoko-Überzugs.“ Zwei weitere Faktoren tragen nicht nur zu den Sinnesfreuden, sondern auch zur Bildung der Geschmackserinnerung bei – Temperatur und Konsistenz der Eiscreme: „Wir schmecken das kühlende, fluffige Eis, das so schön im Mund zerläuft und genau das Aroma hat, das wir uns ausgesucht haben. Ein Eis kann so schon von Kindesbeinen an all unsere Sinne ansprechen.“ Die Wahrnehmung des Essens über verschiedene Kanäle hat übrigens mehr als nur appetitfördernde Wirkungen: Sie löst Prozesse im Körper aus, die für die Verstoffwechselung der Nährstoffe notwendig sind, unter anderem die verstärkte Bildung von Speichel oder Magensäure. Übrigens: Aromen werden einer niederländischen Studie zufolge weniger wahrgenommen, wenn wir abgelenkt sind. Wer sich voll und ganz auf sein Eis konzentriert, hat also noch mehr vom Eisgenuss.

    Die Expertin: Als ernährungspsychologische Beraterin arbeitet Silvia Schmidt auf Basis schulmedizinischer Grundlagen mit Ergänzungen aus der Psychologie. Ihr Ziel: eine ganzheitliche Sicht und bedürfnisorientierte Hilfestellung, die auf die aktuelle Lebenssituation ihrer Klienten abgestimmt sind. Weitere Infos: www.eb-schmidt.ch

    Foto von Privat

    7. Eis ist nicht gleich Eis

    Um zur Eingangsthese zurückzukehren: Zu den gesündesten Lebensmitteln gehört Eiscreme nicht. Und doch kann, wenn nicht ganz auf den Genuss verzichtet werden will, zu Varianten gegriffen werden, die die jeweiligen Gesundheitsbedürfnisse stützen. Wassereis und Sorbets enthalten zwar Zucker, aber einen weniger hohen Fettanteil als Milch- oder Cremeeis. Selbsthergestelltes Eis aus der Eisdiele des Vertrauens ist Haushaltspackungen aus dem Supermarkt vorzuziehen. Der Statista-Erhebung zufolge hat die Anzahl der gemeldeten Eissalons in Deutschland im Corona-Jahr zwar abgenommen, während der Absatz von Supermarkt-Eis in Form von Haushalts- oder Multipackungen stieg. Doch auch hier gibt es Hebel, das ersehnte Sommer-Eis bewusster zu genießen: Der Erhebung zufolge gewinnt Fairtrade-Eiscreme in Deutschland an Bedeutung: Rund 11,4 Millionen Liter Eis aus entsprechend kontrollierter Herstellung wurden der Umfrage zufolge im Jahr 2020 verkauft. In Sachen Eiscreme ist am Ende weniger manchmal mehr, findet Silvia Schmidt: „Schlussendlich kommt es auch immer auf die Menge an. Isst man nur ein Eis oder ein bis zwei Kugeln, ist das natürlich besser als ein ganzer Eisbecher mit Schlagsahne und Deko oben drauf.“

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