Weltraum-Entdeckung: Erster Planet in der Whirlpool-Galaxie gefunden?
Eine Unregelmäßigkeit im Leuchten eines Röntgendoppelsterns in der 28 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie lässt Wissenschaftler vermuten, dass hier ein Planet seine Runden drehen könnte.
Die Whirlpool-Galaxy mit dem Röntgendoppelstern M51-ULS-1.
Vor ungefähr 28 Millionen Jahren geriet ein blauer Riesenstern in der weit entfernten Whirlpool-Galaxie in eine äußerst missliche Lage.
Ein extrem gieriger Partner – vermutlich ein schwarzes Loch oder ein sehr dichter Neutronenstern – hatte den damals noch jungen Giganten fest im Griff. Wie ein Vampir saugte er an der äußeren Hülle des Sterns und entriss ihm Stück für Stück seine Materie. Die während dieses Vorgangs emittierten Röntgenstrahlen leuchteten millionenfach heller als unsere Sonne.
Bei der Beobachtung dieses Schauspiels kam es aus Sicht der Erde jedoch zu einer unerwarteten Unterbrechung, als sich plötzlich ein großes Objekt vor die kosmische Lichtquelle schob. Da das Licht eine lange Zeit benötigt, um die weite Entfernung zwischen Whirlpool-Galaxie und Erde zurückzulegen, wurde der Verdunkelungsvorgang erst im Jahr 2012 von Röntgenteleskopen dokumentiert.
Unter der Leitung von Rosanne Di Stefano, Astrophysikerin am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge, hat es sich ein wissenschaftliches Team zum Ziel gemacht, herauszufinden, worum es sich bei dem mysteriösen Objekt vor dem Leuchten handeln könnte. Ergebnis ihrer Forschung ist eine Studie, die im Oktober 2021 in der Zeitschrift Nature Astronomy erschienen ist.
Sie geht davon aus, dass es sich bei dem so grell leuchtenden Röntgendoppelstern M51-ULS-1 in der Whirlpool-Galaxie um das Zentralgestirn eines Planeten handelt, der auf seiner Umlaufbahn das Sternenlicht blockiert. Er sei ungefähr so groß wie der Saturn, hätte zu M51-ULS-1 etwa denselben Abstand wie Uranus zur Sonne – und sei der am weitesten entfernte Planet, der jemals entdeckt wurde.
Sollte die Studie richtig liegen, würde das bedeuten, dass M51-ULS-1 im Zentrum des ersten konkret lokalisierten Sternensystems in einer fremden Galaxie liegt, in dem es „Extroplaneten" gibt.
„Die Tatsache, dass dieser mögliche Kandidat – und ich spreche absichtlich von einem Kandidaten – sich in einer anderen Galaxie befindet, macht mich sprachlos“, sagt Rosanne Di Stefano. „Das ist für mich der aufregendste Aspekt. Es macht mich geradezu demütig.“
Die Astrophysikerin betont den Kandidatenstatus des Planeten, weil ihre Annahme bisher noch nicht bestätigt werden konnte. Eine regelmäßige Wiederholung der beobachteten Verdunkelung wäre ein deutliches Zeichen dafür, dass tatsächlich ein Planet die Lichtquelle umkreist, und würde die Theorie belegen. Allerdings wird vermutet, dass es Jahrzehnte dauert, bis der Planet seine Umlaufbahn abgewandert hat. Bis mehrere Verdunkelungen registriert sind, könnte es also Jahrhunderte dauern.
Galerie: Unsere Galaxis
„Es ist vergleichbar mit dem ersten Wurf beim Baseball. Man hat zwar eine Ahnung, wie das Spiel laufen könnte, aber man ist weit davon entfernt zu wissen, wie es ausgehen wird“, erklärt Chris Burke, Exoplanetenforscher am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, Massachusetts, der an der Studie nicht mitgearbeitet hat.
Trotzdem könnte die Methode, die zu der Entdeckung des Signals geführt hat, der Suche nach Planeten in fernen Galaxien neuen Vorschub leisten. Die Studie besagt, dass Planeten in sehr viel weiter entfernten Galaxien als bisher vermutet existieren könnten. „Das würde den Parameterrahmen, in dem wir uns in Hinblick auf die Erforschung von Planetenformationen bewegen, beträchtlich erweitern“, sagt Chris Burke.
Planeten aufspüren mit dem Gravitationslinseneffekt
Um Planeten in der Milchstraße ausfindig zu machen, beobachten Astronomen die Sterne, die sie umkreisen. In weit entfernten Galaxien ist die Anwendung dieser Methode jedoch nicht unbedingt erfolgversprechend. „Wenn etwas tausendmal weiter weg ist, ist es Millionen Mal schwieriger, Aufnahmen davon zu machen“, erklärt Rosanne Di Stefano. „Das ist das große Problem.“
Auf der Suche nach Planeten in fremden Galaxien haben sich Wissenschaftler deswegen bisher hauptsächlich auf den Gravitationslinseneffekt verlassen. Das Phänomen tritt auf, wenn Licht durch ein Objekt mit großer Masse, zum Beispiel einen Stern, abgelenkt wird. Bewegt sich ein Stern zwischen die Erde und eine entfernt liegende Lichtquelle, erscheint diese aus unserer Sicht aufgrund der Verdrängung durch die Masse des Sterns für eine gewisse Zeit vergrößert. Es entsteht eine Art Lichtblitz, ein sogenanntes Microlensing Event.
Wird der Stern von Planeten umkreist, verändern diese die Form der Gravitationslinse. Es ist als würde man einer Kameralinse einen kleinen Glastropfen hinzufügen: Dieser bewirkt, dass das Bild auf andere Weise verzerrt wird. Während eines Microlensing Events können Astronomen diese zusätzlichen Verzerrungen erkennen und aus ihnen die Existenz von Planeten ableiten, die den Stern umkreisen.
Mithilfe dieser Methode konnten bisher 118 Planeten in der Milchstraße ausgemacht werden, aber auch Planetenkandidaten, die außerhalb unserer Galaxie liegen. Im Jahr 2004 meldeten Forschende ungewöhnliche Mikrolinsensignale in der Andromeda-Galaxie. Eine Folgestudie aus dem Jahr 2009 kam zu dem Schluss, dass der Auslöser dafür ein Planet gewesen ist, der um einen Stern kreiste.
Doch auch diese Methode wird immer ungenauer, je weiter entfernt die beobachteten Sterne und Planeten liegen. Das Signal aus der Andromeda-Galaxie zeigte sich lediglich in einem Pixel eines Teleskopkamerasensors.
Grund genug für Rosanne Di Stefano und ihre Kollegin Nia Imara von der University of California in Santa Cruz, eine neue Herangehensweise für die Planetenjagd außerhalb der Milchstraße zu entwickeln: Sie machten sich auf die Suche nach Röntgendoppelsternen.
Röntgendoppelsterne bestehen aus einem kompakten Stern und einem massereichen Begleitstern, die gemeinsam ein Doppelsystem bilden. Die Materie des Begleitsterns wird durch Gravitation von dem kompakten Objekt – einem Weißen Zwerg, Neuronenstern oder schwarzen Loch – angesaugt. Der Prozess hat ein intensives Leuchten der Röntgenstrahlen zur Folge, die dem System seinen Namen geben.
Sollte ein Planet in so einem chaotischen Umfeld überhaupt existieren können, wäre es möglich, dass er auf der Reise entlang seiner Umlaufbahn die Sichtachse zwischen Erde und Röntgenstrahlenquelle schneidet und sich dadurch zu erkennen gibt.
Welten abseits der Milchstraße
Im Sommer 2018 begannen Rosanne Di Stefano, Nia Imara und ihre Kollegen, die Datenarchive des Chandra-Röntgenteleskops der NASA und des XMM-Newton-Weltraumobservatoriums der ESA nach Schwankungen in den Signalen von Röntgendoppelsternen zu durchforsten. Nach kurzer Zeit stießen sie auf das Kandidaten-Signal von M51-ULS-1.
Da die Helligkeit von Röntgendoppelsternen nicht konstant ist, prüften die Wissenschaftler im nächsten Schritt, ob es außer einem wandernden Planeten noch einen anderen Grund für die Verdunkelung von M51-ULS-1 gegeben haben könnte. Alle alternativen Erklärungen, die sie fanden, konnten jedoch widerlegt werden.
Die Tatsache, dass das Leuchten der Röntgenstrahlen im Jahr 2012 für eine Weile komplett abgeblockt wurde, ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es ein solides, lichtundurchlässiges Objekt war, dass sich vor die Lichtquelle geschoben hat. Somit konnte die Verdunkelung nicht durch eine Staubwolke ausgelöst worden sein, denn diese hätte das Licht nicht vollständig abgeschirmt.
Hätte es sich bei dem Objekt um einen anderen Stern gehandelt, wäre aufgrund des Gravitationslinseneffekts das Licht des Röntgendoppelsterns nicht gedimmt, sondern – im Gegenteil – verstärkt worden.
Auch ein Brauner Zwerg kommt als Erklärung nicht infrage. M51-ULS-1 ist Schätzungen zufolge zu jung, um von einem kosmischen Objekt der nötigen Größe – größer als ein Gasriese, aber kleiner als ein Stern – umkreist zu werden.
Ein Planet, dessen Zentralgestirn M51-ULS-1 ist, hat mit den extrem brutalen Bedingungen eines extrem jungen Systems zu kämpfen. „Für die Entstehung eines Planeten ist dieser Ort wirklich nicht ideal – es ist einfach zu viel los“, erklärt Chris Burke.
Rosanne Di Stefano freut sich darauf, die Ergebnisse anderer Teams zu sehen, die ihre Methode auf weitere Daten von Röntgenteleskopen anwenden. „Das eröffnet völlig neue Chancen“, sagt sie. „Ich hoffe, dass viele diese beim Schopfe packen werden.“
Dieser Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.