Lieblingsdüfte der Welt: Welche Rolle spielt unsere Herkunft bei der Geruchswahrnehmung?

Werden Gerüche von allen Menschen auf der Welt gleich wahrgenommen oder gibt es Unterschiede zwischen den Kulturen? Um das herauszufinden, wurden im Rahmen einer neuen Studie Großstädter und indigene Völker befragt.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 13. Apr. 2022, 09:22 MESZ
Eine Frau hinter einer Reihe von Räucherstäbchen.

Der Duft von Räucherstäbchen weht durch einen Tempel in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam. Eine neue Studie hat nun untersucht, ob die Art, wie Menschen Gerüche wahrnehmen, durch ihre kulturelle Herkunft beeinflusst wird.

Foto von Guille Álvarez / Unsplash

Schönheitsideale weichen sowohl historisch als auch kulturell extrem voneinander ab – je nach Region und Epoche gelten verschiedene äußerliche Merkmale und Eigenschaften als begehrenswert. Bisher bestand die Annahme, dass dies auch in Bezug auf Geruchswahrnehmung und Geruchsvorlieben der Fall ist. Eine neue Studie von Wissenschaftlern des Instituts für Klinische Neurowissenschaften des Karolinska Instituts in Schweden unter der Leitung des Neurowissenschaftlers Artin Ashamian zeigt nun: Wie angenehm Gerüche von Menschen empfunden werden, beruht hauptsächlich auf der physikalisch-chemischen Zusammensetzung der Geruchsmoleküle – und auf individuellen, nicht kulturell geprägten Präferenzen.

 Für die Studie, die in der Fachzeitschrift Current Biology erschienen ist, wurde untersucht, ob und inwiefern Geruchswahrnehmung von kulturellen Faktoren wie Essgewohnheiten, Wohnort oder Tier- und Pflanzenwelt der Umgebung beeinflusst werden. Das Ergebnis ist überraschend. „Traditionell wurden Geruchsvorlieben als kulturell bedingt angesehen. Aber wir konnten zeigen, dass die Kultur nur sehr wenig damit zu tun hat,“ so Ashamian. Vielmehr läge der Wahrnehmung verschiedener Düfte sogar eine universell nachvollziehbare Struktur zugrunde.

Übersicht über die neun kulturell und geografisch unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen, die die Geruchsproben bewerteten.


 

Foto von Artin Arshamian et al.

Diverse Testgruppen

Die Forschenden ließen ausgewählte Geruchsproben von 235 Probandinnen und Probanden auf der ganzen Welt bewerten, die auf stiftähnlichen Geruchsspendern aufgebracht waren, und baten die Teilnehmenden, die verschiedenen Gerüche auf einer Skala zu bewerten. „Die Stifte wurden nach dem Zufallsprinzip geordnet und in einer Reihe vor dem Probanden aufgestellt. Die Versuchsperson roch zunächst an allen Gerüchen und ordnete dann die Stifte vom angenehmsten zum unangenehmsten Geruch“, heißt es in der Studie.

Bei der Auswahl der Testpersonen  achteten die Forschenden darauf, dass diese in möglichst unterschiedlichen Umgebungen – Berge, Regenwald, Küste oder Großstadt – lebten und aufgewachsen waren. Dabei arbeitete das Team auch mit neun indigenen Völkern zusammen, die im Gegensatz zu den Teilnehmenden aus den Großstädten nur selten mit westlichen Lebens- und Haushaltsmitteln in Kontakt kommen. Zu diesen Gruppen gehörten zum Beispiel die Seri aus Sonora, Mexiko, die traditionell als Jäger und Sammler leben, und die Chachi, die kleine Dörfer im Regenwald Ecuadors bewohnen. Andere Probanden kamen aus Großstädten wie New York oder Ubon Ratchathani in Thailand. „Da diese Gruppen in so unterschiedlichen Geruchsumgebungen leben, haben sie auch verschiedene Geruchserfahrungen“, so Arshamian. So habe man sichergestellt, dass die alltäglichen, bekannten Gerüche innerhalb der Gruppen stark variieren.

Es zeigte sich: Unabhängig von dem kulturellen Hintergrund der Probanden, war die Wahrnehmung von Gerüchen als angenehm oder unangenehm relativ stabil. „Kulturen auf der ganzen Welt bewerten verschiedene Gerüche auf ähnliche Weise, egal woher sie kommen“, so Arshamian.

BELIEBT

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    Klarer Favorit: Vanille

    Die Wahl des unbeliebtesten Geruchs gewann deutlich die Isovaleriansäure, die in Lebensmitteln wie Käse, Sojamilch und Apfelsaft vorkommt – und in Fußschweiß. Weniger Einigkeit herrschte bei den als eher angenehm eingestuften Gerüchen. Die ersten Plätzen belegten beispielsweise Vanille und Ethylbutyrat, das auch Fruchtester genannt wird und nach Pfirsich oder Ananas riecht. Generell zeigten sich hier bei den Präferenzen unter den Probanden aber erhebliche Unterschiede, die sich nicht deutlich einzelnen Bevölkerungsgruppen zuordnen ließen. Vielmehr schienen die Vorlieben individueller Natur zu sein. 

    Die Geruchsprobe von Eugenol beispielsweise – dem Hauptbestandteil des ätherischen Öls von Gewürznelken – wurde innerhalb einzelner Gruppen ganz unterschiedlich bewertet – von sehr angenehm bis relativ unangenehm. Der Studie zufolge decken sich diese Ergebnisse mit Untersuchungen der Beurteilung der Attraktivität von Gesichtern: Hier können etwa 40 Prozent der Varianz auf individuelle Vorlieben zurückgeführt werden.

    Trotzdem sei über alle Versuchsgruppen hinweg eine klares Ranking in der Beliebtheit bestimmter Gerüche deutlich geworden. „Wir wissen nun, dass es eine universelle Geruchswahrnehmung gibt, die durch die Molekularstruktur gesteuert wird und die erklärt, warum wir einen bestimmten Geruch mögen oder nicht mögen", sagt Arshamian. Und vor allem wisse man: Der kulturelle Hintergrund spielt bei der Bewertung von Gerüchen keine Rolle. 

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