Mikronova: Supernova im Miniaturformat erstmals beobachtet

Bei der Analyse von drei Weißen Zwergen stieß ein internationales Team von Astronomen durch Zufall auf eine neue Art der Sternexplosion, die unser bisheriges Verständnis von den Abläufen im Universum infrage stellen könnte.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 22. Apr. 2022, 14:23 MESZ
Universum: Eine große Sternexplosion – die Supernova – auf schwarzem Hintergrund des Alls mit vereinzelten Sternen.

Sternexplosionen wie diese Supernova sind keine Seltenheit im All. Die neu entdeckte Mikronova ist die kürzeste unter ihnen und als einzige lokal begrenzt.

Foto von Pexels / Alex Andrews

Es waren nur ein paar kurze, helle Lichtblitze, die das Team internationaler Wissenschaftler unter der Leitung des Astronomen Simone Scaringi von der Universität Durham in England wahrnahm. Die Forschenden beschäftigten sich eigentlich mit der Analyse dreier Weißer Zwerge, als sie zufällig eine neue Art von Sternexplosion beobachteten. Ihre Entdeckung könnte unser Verständnis von dem, was sich an der Oberfläche von Sternen abspielt, grundlegend verändern.

Mithilfe von Daten des NASA-Teleskops TESS und dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte beobachtete das Forschungsteam den circa 1.630 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg TV Columbae sowie die ihm ähnelnden Sterne El Ursa Majoris und ASASSN-19bh. Dabei stießen sie auf die ungewöhnlich kurzen Lichtblitze dieser neuartigen Sternexplosion – und gaben ihr den Namen Mikronova. Die begleitende Studie wurde jetzt in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.

Explosionen am Ende des Sternenlebens 

Bislang waren Weiße Zwerge – also massereichen, kleine Stern im Endstadium – für zwei Arten von Novae bekannt: die Supernova und die „normale“ Nova. Beide Sternexplosionen mit anschließenden Helligkeitsausbrüchen treten immer auf der gesamten Oberfläche eines Weißen Zwergs auf und lassen ihn über einen Zeitraum von mehreren Tagen oder sogar Wochen hell erstrahlen. 

Die thermonuklearen Explosionen der neu entdeckten Mikronova dauern hingegen nur wenige Stunden und finden lediglich lokal statt. Ein derartiges Phänomen wurde zuvor noch nie beobachtet. „Diese Ereignisse können tatsächlich recht häufig vorkommen, aber weil sie so schnell ablaufen, ist ihre Beobachtung schwierig“, erklärt Scaringi.

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    Was ist eine Mikronova? 

    Eines haben alle Novae gemeinsam: Damit sie entstehen können, muss sich der Weiße Zwerg in einem Doppelsternsystem befinden. Das bedeutet, dass er einen Begleitstern besitzt, von dem er Masse – hauptsächlich in Form von Wasserstoff – absaugen kann. Wenn der Wasserstoff auf die heiße Oberfläche des Weißen Zwergs trifft, werden Kernfusionsprozesse ausgelöst, bei denen die Atome des Wasserstoffs zu Helium verschmelzen. Dies führt wiederum zu einer thermonuklearen Explosion. 

    Während dieses Prozesses verbrennen riesige Mengen Sternenmaterial: Bei einer Mikronova verschwindet beispielsweise eine Masse von 20.000 Billionen Tonnen. Das entspricht in etwa 3,5 Milliarden Mal der Masse der Pyramide von Gizeh. Das lokal eingegrenzte Auftreten der Mikronova kann durch starke Magnetfelder an der Oberfläche einiger Weißer Zwerge erklärt werden: Sie ziehen das Material des Begleitsterns an und sorgen dafür, dass der Weiße Zwerg nur unvollständig an ihren Polen explodiert. 

    „Der Wasserstoff-Brennstoff kann an der Basis der Magnetpole einiger Weißer Zwerge eingeschlossen sein, sodass die Fusion nur an diesen Magnetpolen stattfindet. Dies führt dazu, dass Mikrofusionsbomben gezündet werden, die die Stärke von etwa einem Millionstel einer Nova-Explosion haben“, erklärt Paul Groot, Astrophysiker an der Radboud-Universität in den Niederlanden und einer der Autoren der Studie.

    So erklärt sich, dass bei einer Mikronova nur ein verhältnismäßig kurzes Aufleuchten zu sehen ist. „Während dieser Ausbrüche erhöht sich die optische und die Infrarothelligkeit innerhalb von weniger als einer Stunde um das Dreifache und flaut dann in rund zehn Stunden wieder ab“, heißt es in der Studie. 

    Mikronovae finden wahrscheinlich häufiger statt als bisher vermutet. Ihre umfassende Erforschung wird uns die Sterne in Zukunft wieder ein Stück näher bringen.

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