Astronomie: Weiße Zwerge räumen ihre Planetensysteme auf
Schon lange vermuteten Astronomen, dass alte Sterne sich die Objekte in ihrem System einverleiben, bevor sie sterben. Eine neue Studie beschreibt nun ein Verfahren, mit dem der Prozess der Akkretion nachgewiesen werden kann.
Künstlerische Darstellung des Weißen Zwergs G29–38, der Material aus einer protoplanetaren Trümmerscheibe zieht. Das Auftreffen von Fragmenten auf der Oberfläche des Weißen Zwergs verursacht die Bildung von heißem Plasma. Kühlt dieses ab, entsteht nachweisbare Röntgenstrahlung.
Nach dem Picknick im Park, am Ende einer langen Bahnfahrt: Bevor man aufsteht und geht, räumt man hinter sich auf. Vielen Menschen fällt das schwer, doch von Weißen Zwergen – den Senioren unter den Sternen – vermuteten Wissenschaftler schon lange, dass sie die Spuren ihrer Planetensysteme beseitigen. Nicht nach dem Picknick, sondern bevor sie „sterben“.
Bisher gab es jedoch nur indirekte Hinweise auf den stellaren Ordnungssinn. Unter der Leitung von Tim Cunningham, Postdoktorand an der University of Warwick in Coventry, England, ist es Wissenschaftlern nun gelungen, den Vorgang am Beispiel des Weißen Zwergs G29–38 nachzuweisen. Ihre Studie ist in der Zeitschrift Nature erschienen.
Bei Weißen Zwergen – von denen es in unserer Galaxie mehr als 300.000 gibt – handelt es sich um sehr alte Sterne, die etwa in die Größenkategorie unserer Sonne fallen. Sie haben das Endstadium ihrer Entwicklung erreicht, die Kernfusion ist eingestellt, der nukleare Energievorrat fast aufgebraucht. Zwar herrschen auf ihrer Oberfläche noch hohe Temperaturen, doch ihr Leuchten haben sie fast vollständig verloren.
Wie funktioniert Akkretion?
Der letzte Abschnitt im Milliarden Jahre langen Leben eines Sterns kann sich über mehrere tausend Jahre hinziehen. Zeit, in der der Weiße Zwerg sich nach und nach die Trümmer seiner Planeten, deren Monde und Asteroiden einverleibt. „Der Weiße Zwerg befindet sich im Zentrum des Gravitationspotentials“, erklärt Tim Cunningham. „Objekte in der Nähe werden von ihm gravitativ beeinflusst.“ Die Trümmerscheibe, aus der G29-38 sein Material zieht, umkreist ihn Cunningham zufolge etwa in einem Sonnenradius. „Nach und nach fällt Material aus dieser Scheibe aufgrund der Gravitationskraft auf die Oberfläche des Weißen Zwergs.“
Dieser Akkretion genannte Prozess, konnte nur indirekt belegt werden. Bei spektroskopischen Untersuchungen wurden in der Atmosphäre von 25 bis 50 Prozent der erforschten Weißen Zwerge Schwermetalle wie Eisen und Magnesium nachgewiesen, die von einverleibten Trümmerteilen stammen sollten. Ein tatsächlicher Nachweis konnte auf diese Weise jedoch nicht erbracht werden, was das Studienteam dazu brachte, einen neuen Ansatz auszuprobieren.
Röntgenstrahlung liefert entscheidende Hinweise
Treffen Objekte auf der Oberfläche auf, entsteht extrem heißes Plasma, das beim Abkühlen Röntgenstrahlung abgibt. Je höher die Akkretionsrate, je mehr und je häufiger also Fragmente aufgenommen werden, desto mehr Röntgenstrahlung entsteht. Die Rate ist bei Weißen Zwergen vergleichsweise niedrig: Bei Neutronensternen und Schwarzen Löchern, bei denen der Prozess beobachtet werden konnte, liegt sie bis zu eine Milliarde Mal höher. „Die geringen Akkreditierungsraten solcher Systeme führen dazu, dass die emittierten Lichtmengen ebenfalls nur gering sind“, sagt Tim Cunningham. „Das erschwert die Beobachtung.“
Da nur kleine Mengen der Röntgenstrahlen die Erde erreichen, nutzten die Astronomen das Chandra-Röntgenobservatorium. Es wird normalerweise zum Nachweis von Röntgenstrahlen verwendet, die bei Akkreditionsprozessen von Schwarzen Löchern und Neutronensternen entstehen. Seine hohe Winkelauflösung ermöglichte es, die von G29-38 emittierte Strahlung von anderen Quellen zu isolieren und sichtbar zu machen. „So konnten wir erstmals dabei zusehen, wie Material in die Atmosphäre des Sterns eindringt“, sagt Tim Cunningham. „Endlich ist es möglich, Akkretionsraten abzuleiten, ohne sich auf detaillierte Modelle der Atmosphäre eines Weißen Zwergs berufen zu müssen.“
Die Wissenschaftler haben mit ihrer Arbeit nicht nur den ersten direkten Beweis dafür erbracht, dass Weiße Zwerge sich ihre ehemaligen Planetensysteme einverleiben: Sie haben gleichzeitig ein neues Verfahren entwickelt, mit dem nun ähnliche Prozesse in anderen Sternensystemen erforscht werden können.