Was ist Mondzeit? Warum eine einheitliche Zeitmessung immer relevanter wird

Bisher wurde bei Mondmissionen die koordinierte Weltzeit verwendet. Doch die Uhren ticken auf dem Mond schneller. Um mehrere Raumfahrzeuge zu koordinieren, wird eine einheitliche Zeitmessung unabdingbar.

Von Florian Gahn
Veröffentlicht am 12. Juli 2023, 13:04 MESZ
Der Mond

Eine einheitliche Zeitmessung auf dem Mond wird immer relevanter.

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Mit der steigenden Anzahl von geplanten Mondmissionen und der Möglichkeit permanenter Basen auf dem Mond wird die Frage nach einer einheitlichen Zeitmessung auf dem Mond immer relevanter. Bisher wurde bei Mondmissionen die koordinierte Weltzeit (UTC) verwendet. Diese Zeit wird jedoch nur mit der eigenen Bodenstation und dem eigenen Raumfahrzeug synchronisiert. Wenn mehrere Raumfahrzeuge koordiniert zusammenarbeiten sollen, wird eine streng koordinierte Zeitbestimmung unabdingbar.

Herausforderungen einer Mondzeit

Die unterschiedlichen Gravitationsfelder der Erde und des Mondes führen dazu, dass die Uhren auf beiden Himmelskörpern unterschiedlich schnell ticken. Nach der Relativitätstheorie von Albert Einstein ticken die Uhren auf dem Mond etwas schneller. Weil der Mond ein schwächeres Gravitationsfeld als die Erde hat, schätzt Nasa-Wissenschaftlerin Cheryl Gramling, dass die Zeit dort pro 24 Stunden 56 Mikrosekunden – also 56 Millionstel einer Sekunde – schneller läuft. Dies kann einen großen Unterschied machen, wenn es um die Bestimmung von Positionen und Kommunikation geht.

Möglichkeiten zur Bestimmung der Mondzeit

Die Frage, wie die Zeit auf dem Mond bestimmt werden sollte, ist komplex und es gibt mehrere mögliche Ansätze. Diese drei Optionen ziehen Wissenschaftler zur Bestimmung der Mondzeit in Betracht:

1. Synchronisation mit der koordinierten Weltzeit (UTC): Eine Möglichkeit wäre, die auf dem Mond gemessene Zeit in regelmäßigen Abständen an die koordinierte Weltzeit anzupassen. So würden Erde und Mond synchronisiert werden. Diese Methode hätte den Vorteil, dass sie eine direkte Verbindung zur Zeitmessung auf der Erde beibehält, was die Koordination von Aktivitäten zwischen Erde und Mond erleichtern könnte.

2. Eigenständige Mondzeit: Eine andere Option wäre, eine eigenständige (minimal schnellere) Zeit auf dem Mond weiterlaufen zu lassen und den wachsenden Unterschied zur koordinierten Weltzeit darzustellen. Dies könnte eine genauere Darstellung der tatsächlichen Bedingungen auf dem Mond sein, könnte aber auch zur Verwirrung führen, wenn es darum geht, Aktivitäten zwischen Erde und Mond zu koordinieren.

3. Atomuhren auf dem Mond: Eine dritte Alternative wäre die Installation von Atomuhren auf dem Mond. Diese Uhren könnten entweder mit der UTC synchronisiert werden oder eine völlig unabhängige Mondzeit anzeigen. Die Verwendung von Atomuhren hätte den Vorteil, dass sie extrem präzise sind und die Zeit auf dem Mond unabhängig von der Erde messen könnten. Diese Variante ist wohl mit dem größten Aufwand verbunden, da sie nicht mehr direkt von der Erde aus gesteuert werden kann.

Jede dieser Optionen hat ihre eigenen Vor- und Nachteile und die Wahl der besten Methode wird von vielen Faktoren abhängen, einschließlich der spezifischen Anforderungen zukünftiger Mondmissionen und der technologischen Möglichkeiten zur Zeitmessung in der extremen Umgebung des Mondes.

Für die Kommunikation zwischen Erde und Mond ist ein Satelliten-Netzwerk notwendig.

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Die ersten Schritte zur Mondzeit

Die Frage nach einer einheitlichen Zeitmessung auf dem Mond ist nicht neu, aber sie hat in den vergangenen Jahren an Dringlichkeit gewonnen. Im November 2022 trafen sich Vertreter von Raumfahrtagenturen und Forschungseinrichtungen aus der ganzen Welt im Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) in den Niederlanden. Dort begannen sie, erste Empfehlungen für die Definition der Mondzeit zu formulieren.

Dieses Treffen war ein wichtiger erster Schritt in Richtung einer einheitlichen Mondzeit. Die Experten diskutierten verschiedene Ansätze und begannen, die technischen und wissenschaftlichen Herausforderungen zu identifizieren, die gelöst werden müssen, um eine genaue und zuverlässige Zeitmessung auf dem Mond zu erreichen.

Ein zentrales Thema war die Frage, ob die Mondzeit mit der koordinierten Weltzeit (UTC) synchronisiert wird oder ob eine eigenständige Mondzeit eingeführt werden sollte. Beide Ansätze haben ihre Vor- und Nachteile, und die endgültige Entscheidung wird wahrscheinlich von einer Reihe von Faktoren abhängen, einschließlich der spezifischen Anforderungen zukünftiger Mondmissionen und der technologischen Möglichkeiten zur Zeitmessung auf dem Mond.

Die Synchronisation mit der Weltzeit (UTC) wäre hier die einfachste Variante, eine eigene Mondzeit hingegen die präziseste für kommende Missionen. Hier muss man allerdings achtsam sein, um Verwirrung zu vermeiden, da man permanent mit zwei unterschiedlichen Uhrzeiten konfrontiert wäre.

Das Ziel dieser gemeinsamen Anstrengungen besteht darin, eine kollektive Lösung zu finden, bevor sich einzelne Akteure auf ihre selbst definierten Lösungen festlegen. Dies ist entscheidend, um sicherzustellen, dass alle zukünftigen Mondmissionen auf einer einheitlichen Zeitbasis arbeiten können – was die Koordination von Aktivitäten auf dem Mond und zwischen dem Mond und der Erde erheblich erleichtern würde.

BELIEBT

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    Ein erster Ansatz: Das LunaNet Programm

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    Was ist LunaNet?

    LunaNet ist ein Netzwerk von kooperierenden Netzwerken, das interoperable Kommunikations- und Navigationsservices für Nutzer auf und um den Mond herum bereitstellt. Es basiert auf einem Rahmenwerk von gemeinsam vereinbarten Standards, Protokollen und Schnittstellenanforderungen, die eine Interoperabilität ermöglicht. Dies erlaubt es den Mitgliedern einer Mission, von den Diensten verschiedener kommerzieller und staatlicher Dienstleister zu profitieren.

    LunaNet Services

    Die von LunaNet angebotenen Dienste umfassen Datenübertragung, Positionsbestimmung, Navigation und situativen Informationsaustausch. Diese Dienste sind erweiterbar und können zu Beginn einer neuen Mission mit minimaler Kapazität eingeführt und dann erweitert werden, um neuen Nutzern und Dienstleistern gerecht zu werden.

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