Von Steinzeit-Penishüllen und 600-Euro-Kondomen: 5 Fakten über Präservative
Schützen nicht nur vor ungewollten Schwangerschaften, sondern auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten: Kondome.
Es ist das Verhütungsmittel Nummer eins der Deutschen: Seit einigen Jahren befindet sich das Kondom auf seinem Siegeszug durch die Bundesrepublik. Mit einem Pearl Index von 2 bis 12 ist es bei der Empfängnisverhütung zwar nicht ganz so sicher wie die Pille (Pearl Index von 0,1 bis 0,9) oder die Kupferspirale (Pearl Index von 0,3 bis 0,8), kann bei richtiger Anwendung aber vor weit mehr als einer ungewollten Schwangerschaft schützen. Zum Beispiel vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie Chlamydien, Tripper oder HIV.
Zum Welt-Aids-Tag haben wir fünf spannende und überraschende Fakten über das Präservativ gesammelt – von seiner Entstehungsgeschichte bis zur kuriosen Versteigerung des teuersten Kondoms der Welt.
Inhalt
- Das Kondom ist eines der ältesten Verhütungsmittel der Menschheit
- Das Kondom ist das einzige zugelassene nichtinvasive Verhütungsmittel für Männer
- Das Kondom ist das beliebteste Verhütungsmittel der Deutschen
- Jugendliche in Europa nutzen immer seltener Kondome
- Das teuerste Kondom der Welt kostete 600 Euro
Das Kondom ist eines der ältesten Verhütungsmittel der Menschheit
Das Latex-Kondom, wie wir es heute kennen, gibt es erst seit den Dreißigerjahren. Doch auch davor wurden Menschen bereits kreativ – und nutzten diverse Materialien, um Präservative herzustellen. Darunter Leder, Leinen, Tierdärme und Gummi. Das Kondom ist – neben Coitus interruptus sowie Scheidenspülungen und arzneigetränkten Tampons, die Frauen bereits in Urzeiten anwendeten – eines der ältesten Verhütungsmittel der Menschheit.
Seine Geschichte könnte bereits in der Steinzeit begonnen haben: So soll eine prähistorische Felsmalerei aus der Höhle von Les Combarelles in Frankreich von circa 12.000 v. Chr. angeblich einen Mann zeigen, der beim Geschlechtsakt einen Vorläufer des Kondoms trägt. Medizinhistoriker Robert Jütte, Professor für Geschichte und ehemaliger Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung in Stuttgart, sieht in der primitiven Zeichnung einen weiten Interpretationsspielraum. Ob die Höhlenmalerei wirklich ein prähistorisches Kondom zeige, sei umstritten.
„Der erste zuverlässige Beleg für die Verwendung einer wie auch immer gearteten Penishülle zu einem pragmatischen Zweck stammt aus einer Schrift des italienischen Anatomen Gabriele Fallopia, die 1564 gedruckt wurde“, sagt Jütte. Darin sei von einem Präservativ als Präventionsmittel für Geschlechtskrankheiten – nicht aber zur Empfängnisverhütung – die Rede. „Damals war das Kondom nicht mehr als ein mit Arzneien getränktes Leinensäckchen. Ein Jahrhundert später stellte man Präservative aus Schafsdärmen und Fischblasen her“, erklärt der Medizinhistoriker. Zu dieser Zeit, im Barock und Rokoko, lasse sich auch erstmals die Verwendung als Kontrazeptivum belegen.
Ein Kondom aus Tierdarm mit Seidenbändern und lateinischer Gebrauchsanleitung aus dem Jahr 1813.
Eine echte Revolution der Verhütung gab es vor etwa 170 Jahren: 1855 erfand der Engländer Charles Goodyear das Präservativ aus Gummi, nachdem er die dafür benötigte Vulkanisierung von Kautschuk entdeckte. Ab 1870 wurde das wasser-, wärme- und kältefeste Gummikondom mit etwa zwei Millimetern Dicke erstmals serienmäßig produziert. Damit ist es der ‚große Bruder‘ des heute gängigen Latex-Kondoms.
Das Kondom ist das einzige zugelassene nichtinvasive Verhütungsmittel für Männer
Pille, Hormonpflaster, Kupferspirale: Das sind nur einige Beispiele aus einer ganzen Reihe von Verhütungsmitteln für Frauen. Von Verhütungsvielfalt kann bei Männern dagegen nicht die Rede sein: „Die derzeit medizinisch zugelassenen Methoden sind sehr übersichtlich“, sagt Dr. Jann-Frederik Cremers, leitender Oberarzt für Andrologie am Universitätsklinikum Münster und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Andrologie (DGA). Es gebe bislang nur die Vasektomie, bei der während eines medizinischen Eingriffs beide Samenleiter durchtrennt werden, und das Kondom. „Da gibt es definitiv noch Potenzial“, sagt der Androloge.
Die Gründe dafür, warum es derzeit so wenig Auswahl für Männer gibt, sind laut Cremers ein Mangel an Forschungsgeldern und psychische Nebenwirkungen bei hormonellen Verhütungsmitteln. Letztere seien der Grund dafür gewesen, warum die Studie zur sogenannten ‚Pille für den Mann‘ vor rund 10 Jahren abgebrochen wurde. Dabei erinnerten die Nebenwirkungen damals stark an die Begleiterscheinungen, die Frauen seit Jahrzehnten durch die Pille in Kauf nehmen müssen, so Cremers.
“Mittlerweile werden sowohl weibliche als auch männliche Stimmen lauter, die Verhütungsgerechtigkeit fordern.”
„Mittlerweile werden sowohl weibliche als auch männliche Stimmen lauter, die Verhütungsgerechtigkeit fordern“, sagt der Androloge. Die Zeit für neue Verhütungsmethoden für den Mann sei reif – der Weg dahin aber noch ein langer. Für Studien brauche es neben Geldern aus der Wirtschaft auch öffentliche Fördermittel – und das sei eine Frage der Politik. Je nachdem, welche Parteien nach den Neuwahlen das Regierungsprogramm mitbestimmen, wird es Fördergelder für neue Verhütungsmittel geben oder eben nicht. „Und dazu muss man ganz klar sagen: Unter der jahrelangen CDU-Regierung hat es keine gegeben“, sagt Cremers.
Zurzeit ist der vielversprechendste Kandidat für ein neues Verhütungsmittel ein Hormongel, das gerade in den USA erforscht wird. Dieses würde täglich auf die Schultern und Arme des Mannes aufgetragen werden und dafür sorgen, dass die Spermienproduktion heruntergefahren wird. Die klinischen Studien laufen bereits, das Hormongel wird sogar schon an Menschen getestet. Die größten Fragen, die es noch zu klären gilt, sind die nach der Verträglichkeit und nach möglichen Nebenwirkungen. Bis das Hormongel medizinisch zugelassen wird, dürften noch einige Jahre vergehen.
Das Kondom ist das beliebteste Verhütungsmittel der Deutschen
Die Pille ist out, das Kondom liegt im Trend. Das zeigen die Ergebnisse einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Verhütungsverhalten Erwachsener in Deutschland im Jahr 2023. 53 Prozent der Befragten gaben an, dass das Kondom ihr favorisiertes Verhütungsmittel sei. Die Pille nutzten dagegen lediglich 38 Prozent. Damit hat das Präservativ die Pille in der Verhütungsstatistik überholt – zum ersten Mal seit 2007, wo das Nutzungsverhältnis beinahe umgekehrt war.
Die Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, wie sich die Nutzung der verschiedenen Verhütungsmittel zwischen 2007 und 2023 verändert hat.
Der Grund dafür liegt laut der Studie in einer zunehmend ablehnenden Haltung gegenüber hormoneller Verhütung: 61 Prozent der Frauen und Männer stimmten in der Befragung der Aussage zu, dass Verhütung mit Hormonen „negative Auswirkungen auf Körper und Seele“ hat. Besonders junge Menschen sind der hormonellen Verhütung gegenüber immer kritischer eingestellt. Der Studie zufolge ist die Pillennutzung der 18- bis 29-Jährigen innerhalb von zwölf Jahren von 72 auf 46 Prozent gesunken. Das Kondom steht dafür auch bei jungen Menschen in Deutschland an erster Stelle: Laut einer aktuellen Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Verhütungsverhalten Jugendlicher und junger Erwachsener ist das Kondom mit 67 Prozent auch bei ihnen das Verhütungsmittel Nummer eins.
Jugendliche in Europa nutzen immer seltener Kondome
Ein gegenläufiger Trend zeichnet sich ab, wenn man die Kondomnutzung junger Menschen in ganz Europa betrachtet: Laut einer aktuellen Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sank der Anteil der sexuell aktiven Jugendlichen, die angaben, beim letzten Geschlechtsverkehr ein Kondom benutzt zu haben. In der Studie wurden zwischen 2014 und 2022 mehr als 240.000 15-Jährige in 42 Ländern und Regionen zu ihrem Verhütungsverhalten befragt. Das Ergebnis: Bei den Jungen ging die Kondomnutzung im Studienzeitraum von 70 auf 60 Prozent zurück, bei den Mädchen von 63 auf 57 Prozent. Noch erschreckender: Fast ein Drittel (30 Prozent) der Jugendlichen gab an, beim letzten Sex ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben – also weder Kondom noch Pille genutzt zu haben. Damit setzen sich die Teenager einem erhöhten Risiko für sexuell übertragbare Infektionen und ungewollte Schwangerschaften aus.
„Die Ergebnisse des Berichts sind zwar bestürzend, aber nicht überraschend“, sagt Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa. „Eine umfassende altersgerechte Sexualaufklärung wird in vielen Ländern nach wie vor vernachlässigt.“ Dass heute weniger über sexuell übertragbare Krankheiten gesprochen wird, könnte laut Androloge Cremers unter anderem an den verbesserten Behandlungsmethoden von HIV und Co. liegen. „Es gibt jetzt PrEP und Medikamente für HIV-Infizierte, die um Lichtjahre besser sind als noch vor einigen Jahren“, sagt Cremers. „Es gibt sogar mehrere Fälle einer Heilung, in denen das Virus nicht mehr nachweisbar war.“ Heute müssten deutlich weniger Personen an Aids sterben als noch vor wenigen Jahrzehnten.
Trotzdem kann das Kondom vor solchen Erkrankungen schützen. Was es laut dem Bericht der WHO jetzt braucht, ist eine bessere Aufklärung für Jugendliche und „sichere Räume, um über Themen wie Zustimmung, intime Beziehungen, Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung zu diskutieren“, sagt Dr. András Költő von der Universität Galway, der Hauptautor des Berichts.
Das teuerste Kondom der Welt kostete 600 Euro
Das mindestens 200 Jahre alte Kondom erfreute sich großer Beliebtheit in einer niederländischen Auktion. Es ist als das teuerste Kondom der Welt bekannt.
2016 versteigerte das niederländische Online-Auktionshaus Catawiki das bislang teuerste Kondom der Welt. Kostenpunkt: rekordverdächtige 600 Euro. Der glückliche Bieter aus Amsterdam erhielt dafür allerdings nicht irgendein Präservativ. Bei dem guten Stück handelte es sich um ein Original aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, bestehend aus Schafsdärmen. Laut Catawiki eine echte Rarität: Solche Objekte fände man heutzutage fast nur noch in Museen.
Das Kondom, das in Frankreich gefunden wurde, beeindruckte in der Auktion nicht nur durch sein Alter, sondern auch durch seine Länge: stolze 19 Zentimeter. Andere Kondome, die aus dieser Zeit erhalten geblieben sind, seien in der Regel nur 15 Zentimeter lang, erklärte das Auktionshaus in einer Mitteilung. Da die Herstellung solcher Kondome zur damaligen Zeit sehr teuer und zeitaufwändig war, wurden sie meist nur von wohlhabenden Leuten benutzt. Seit dem Aufkommen der preiswerten Gummikondome im 19. Jahrhundert wurden Kondome aus Schafsdärmen beinahe gar nicht mehr verwendet. Dass das versteigerte Präservativ nach all den Jahren noch so gut erhalten gewesen ist, war also ebenfalls erstaunlich.