Homöopathie: Wundermittel oder Betrug an der Wissenschaft?
Ist Homöopathie eine sanfte Alternative oder ein teurer Placebo-Effekt? Während die einen auf Globuli schwören, warnen andere vor wirkungslosen Zuckerpillen. Doch was sagt die Wissenschaft dazu?

Zuckerkügelchen mit großer Wirkung - was ist wirklich dran an Homöopathie?
Homöopathie zählt zu den bekanntesten komplementärmedizinischen Behandlungsmethoden und basiert auf dem Prinzip der „Ähnlichkeit“: Sie verwendet stark verdünnte Substanzen, die in verschiedenen Darreichungsformen wie Tropfen, Globuli (Zuckerkügelchen) oder Cremes verabreicht werden. Ziel dieser Therapie ist es, die Selbstheilungskräfte des Körpers anzuregen, indem dem Patienten ein Mittel verabreicht wird, das ähnliche Symptome hervorrufen würde wie die zu behandelnde Krankheit.
Der Begriff „Homöopathie“ leitet sich dabei aus den griechischen Wörtern „homois“ (ähnlich) und „pathos“ (Leiden) ab. Das zugrunde liegende Konzept des sogenannten „Ähnlichkeitsprinzips“ besagt, dass "eine Substanz, die beim Gesunden bestimmte Symptome hervorruft, ähnliche Symptome beim Kranken zu heilen vermag". Diese Methode stützt sich auf die Vorstellung, dass der Körper durch eine gezielte Stimulation in der Lage ist, eine Heilreaktion auszulösen.
Wenig bis kein Wirkstoff in homöopathischen Mitteln?
Die auslösenden Mittel werden in der Homöopathie durch „Potenzieren“ stark verdünnt, da einige Stoffe in höherer Konzentration giftig für den menschlichen Körper sein können. Oft ist der Wirkstoff so dünn, dass er molekular nicht mehr nachgewiesen werden kann. Das nimmt die Homöopathie nicht als Problem, denn es gilt: je geringer der Wirkstoff, umso besser die Wirkung. In manchen Präparaten ist sogar überhaupt kein Wirkstoff mehr enthalten, lediglich eine „Information des Wirkstoffs“ soll über das „Gedächtnis des Wassers“ übertragen werden. Dadurch soll beispielsweise das Immunsystem angekurbelt werden – wissenschaftlich ist dieses Verfahren umstritten.
Laut Homöopathie werden durch das „Reiz- und Regulationsprinzip“ im Körper die Selbstheilungskräfte aktiviert. Beschwerden werden vom Körper selbst gelindert , das homöopathische Mittel fungiert nur als Anstoß, eine Heilung aus eigener Kraft möglich zu machen.
Die Studienlage zu Homöopathie ist dünn und wenig aussagekräftig. Es gebe einige Studien, die im Nachgang nicht veröffentlicht wurden, schreibt das Deutsche Ärzteblatt. Ein Studienteam der Danube University Krems fand heraus, dass sogar eine Publikationsverzerrung wahrscheinlich sei, also ein Unterschied zwischen veröffentlichten Studien und den eigentlichen Ergebnissen. Es gebe keine hinreichenden Hinweise darauf, dass Homöopathie bei irgendeinem körperlichen Beschwerdebild wirksam sei.
Trotzdem werden die Mittel von Ärzt*innen und Heilpraktiker*innen als Therapie verschrieben, sind in Apotheken frei verkäuflich und werden von einigen Krankenkassen bezuschusst oder ganz übernommen.
Homöopathie kommt aus Deutschland
Vor allem in Deutschland und dem deutschsprachigen Raum ist die Homöopathie weit verbreitet. Eine Studie aus dem Jahr 2023 zeigt, dass 60 Prozent der Gesamtbevölkerung Berührungspunkte mit Globuli und Co. hatten.

Manche Mittel wären in höherer Dosierung giftig oder sogar tödlich für den Menschen - das ist für die Homöopathie jedoch kein Widerspruch in der Wirksamkeit
Die weite Verbreitung liegt womöglich daran, dass die Homöopathie im 18. Jahrhundert in Deutschland begründet wurde. Der deutsche Arzt Samuel Hahnemann startete um 1790 einen Selbstversuch mit Chinarinde, die gegen Malaria helfen sollte. Er selbst war ein gesunder Mann und nahm den Wirkstoff über mehrere Tage ein. Symptome wie Schüttelfrost, Herzrasen und Angstzustände tauchten auf – alles Symptome, die ebenfalls bei Malaria auftreten können. Daraus schlussfolgerte er: Ähnliches kann ähnliches heilen.
Nach dem Simile-Prinzip stellte Hahnemann die gesamte Lehre der Homöopathie auf. Sein Leben lang suchte er nach verwendbaren Stoffen. Heute geht man davon aus, dass die damaligen Symptome auf die Einnahme von Chinarinde eine allergische Reaktion gewesen sein könnte.
Geschichte der Homöopathie in Deutschland
Vor dem Aufkommen der Homöopathie wurden viele Krankheiten oft mit giftigen Substanzen wie Arsen behandelt. Die geringen Potenzen in homöopathischen Präparaten sorgten womöglich deshalb damals für das große Interesse an der Homöopathie.
Aufschwung brachte Hahnemanns Methode auch der Ausbruch der Cholera: Nachdem sich die schwere bakterielle Infektionskrankheit von Indien aus 1831 nach Deutschland ausgebreitet hatte, wurden die Patient*innen von der Schulmedizin mit Aderlass und großen Mengen Quecksilber oder Opium behandelt und man verbot ihnen das Trinken. Hahnemanns Theorie stand im starken Kontrast zur damaligen Schulmedizin, denn er empfahl eine sanfte Behandlung, die als weniger schädlich und weniger invasiv galt. Er unterstützte „sofort nach Ausbruch der Cholera die Behandlung mit Kampfer und lehnte Aderlass und Trinkverbot ab. Mit dieser Therapie überlebten weit mehr Patienten als bei der konventionellen Methode“, heißt es in einer Broschüre zur Ausstellung des Instituts für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung.
Auch wenn der Einsatz von Kampfer als homöopathisches Mittel nach heutiger wissenschaftlicher Erkenntnis nicht wirksam ist, ist es dennoch wahr, dass die damaligen Behandlungsmethoden der Schulmedizin wie Aderlass und die Gabe von Quecksilber und Opium häufig mehr Schaden als Nutzen brachten. Diese Methoden führten nicht nur zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Patienten, sondern trugen auch zur hohen Sterblichkeitsrate bei.
Die moderne Schulmedizin hat diese Ansätze längst durch evidenzbasierte, wirksamere Behandlungen ersetzt. Die Bedeutung von Flüssigkeitsersatz und die Vermeidung von schädlichen, toxischen Substanzen sind heute grundlegende Bestandteile der Behandlung von Krankheiten wie der Cholera. Die tatsächliche Wirksamkeit der Hahnemannschen Behandlung könnte eher auf den geringeren Schaden durch die Vermeidung schädlicher Praktiken zurückzuführen sein.
Nach den positiven Entwicklungen im Umgang mit der Cholera breitete sich die Homöopathie als Heilungschance weiter aus. In Deutschland gab es zwischen 1870 und 1933 hunderte homöopathische Laienvereine, in einigen Universitäten wurde die Methode gelehrt und fand viele bekannte Unterstützer*innen.
Während des Nationalsozialismus gründete Reichsärzteführer Dr. Gerhard Wagner 1935 die Reichsarbeitsgemeinschaft für eine „Neue Deutsche Heilkunde“. Vielen Anhänger*innen der Homöopathie wird deshalb bis heute ein Sympathisieren mit dem Nazi-Regime unterstellt. Die „schwarzen Legenden“ halten sich hartnäckig, weil führende Vertreter des nationalsozialistischen Regimes die Homöopathie förderten und insinuiert wird, dass es auch ideologische Gemeinsamkeiten gegeben haben muss.
Seither und insbesondere seit den 1980er Jahren nahm das Interesse an homöopathischer Arznei weiter zu.
„Wirkung von Homöopathika beruht auf Placebo-Effekt.“
Doch wieso scheint Homöopathie trotz nicht erbrachter Wirksamkeit bei den vielen Anhänger*innen zu funktionieren? Der einfache Glaube daran sei die plausibelste Antwort. Prof. Dr. med. Stefan Endres aus der Abteilung für Klinische Pharmakologie des LMU Klinikums erklärt: „Falls Wirkungen nach Einnahme von Homöopathika beobachtet werden, beruhten sie am wahrscheinlichsten auf einem Placebo-Effekt, also auf dem subjektiven Erleben der Einnahme und Erwarten einer Wirkung – und nicht auf dem Wirkstoff selbst“. Daneben dürfe auch der natürliche Genesungsprozess nicht unterschätzt werden. Ob eine Krankheit oder ein Symptom, wie die Grippe oder einfache Kopfschmerzen, mit Globuli schneller vorbeigehen als ohne, konnte niemals wissenschaftlich nachgewiesen werden.
Die Zeit und damit der natürliche Verlauf einer Krankheit spielt somit auch eine Rolle, die nicht unterschätzt werden darf. Manchmal würden sich Patient*innen in einer homöopathischen Behandlung besser aufgehoben fühlen als in der Schulmedizin, da man ihnen oftmals mehr Zeit schenkt. Eine 2024 veröffentlichte wissenschaftliche Arbeit beschäftigte sich mit dem Thema, was die Schulmedizin von der Homöopathie lernen könnte. Der Psychotherapeut Dr. Marcel Wilhelm, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität Marburg fasste zusammen: „Was in der Homöopathie besonders gut gemacht wird, ist Behandlungserwartungen zu optimieren, unter anderem durch eine empathische Kommunikation, deutlich mehr Zeit im Gespräch als bei konventionellen medizinischen Behandlungen, bestimmte Regeln für die Einnahme von Globuli und vieles mehr“. Dieses Gefühl von Verständnis könne ebenso eine positive Wirksamkeit auf die Genesung haben. Der Wirkstoff alleine führe keine Linderung herbei.

Der Wirkstoff ist meist molekular nicht mehr nachzuweisen. Trotzdem sollen Globuli noch eine Information davon enthalten.
Sollte Homöopathie verboten werden?
Doch wohin führt die Faktenlage? Sollte Homöopathie verboten werden? „Bei homöopathischen Präparaten werden vom Wirkstoff selbst keine Gefahren ausgehen. Risiken bestehen vielmehr, wenn ein homöopathisches Präparat beim Vorliegen einer schweren Erkrankung eingesetzt und dabei der Einsatz von Wirkstoffen mit nachgewiesener Wirksamkeit versäumt wird“, erklärt Dr. Endres. Menschen, die an die Wirkung der Homöopathie glauben, und damit auch schwere Krankheiten behandeln, müssten davor geschützt werden. Auch die Deutsche Homöopathie-Union (DHU) schreibt auf ihrer Website, dass in solchen Fällen Globuli und andere Wirkstoffe nur „in einer unterstützenden Form“ zur Schulmedizin eingenommen werden sollten.
Daneben findet Dr. Stefan Endres, dass keine Aussagen über die Wirksamkeit von Homöopathika erlaubt sein sollten, wenn sie nicht klar wissenschaftlich belegt seien. Der Experte bewertet auch die Kostenerstattung der Krankenkassen kritisch. Eingestellt müsse der Verkauf aus seiner Sicht jedoch nicht werden. Er würde Patient*innen in manchen Fällen aber eher pflanzliche Präparate – die nicht mit Homöopathika verwechselt werden dürften – empfehlen, die im Gegensatz zu Homöopathie eine wissenschaftlich erwiesene Wirksamkeit hätten.
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