KI am Arbeitsplatz: Wer hat Angst vorm Robo-Richter?
Künstliche Intelligenz durchdringt immer weitere Teile der Arbeitswelt. Eine neue Studie hat untersucht, wie groß die Angst vor KI am Arbeitsplatz ist.

Der Roboter als Kollege: Sieht so die Zukunft der Arbeit aus?
Beton statt Lehm, Glühlampe statt Ölfunzel, Auto statt Kutsche, Computer statt Rechenschieber: Bahnbrechende Erfindungen wie diese werden auch Sprunginnovationen oder disruptive Innovationen genannt. Weil sie Bestehendes verdrängen oder ersetzen. Seit jeher wirbeln Sprunginnovationen den Arbeitsmarkt durcheinander und sortieren ihn neu. Derzeit aber scheint die Sprungkraft neuer Technologien so stark wie nie. Es ist der Siegeszug der künstlichen Intelligenz (KI), der viele Menschen überrascht – und überrumpelt.
Längst hat KI weite Teile unserer Lebens- und Arbeitswelt durchdrungen. Und das schon vor dem Triumph von ChatGPT, Gemini und Co. KI steckt seit Jahren in der Sprachsteuerung von Smartphones, in der Technik fürs automatisierte Fahren, in modernen Fabriken, Krankenhäusern, landwirtschaftlichen Geräten und in unzähligen anderen Bereichen.
Und die Entwicklung schreitet in riesigen Schritten voran. In der Wahrnehmung vieler ist dieser rasante Fortschritt ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite soll KI uns möglichst viele lästige Aufgaben abnehmen und damit das Leben erleichtern. Auf der anderen Seite fürchten wir uns davor, die Kontrolle zu verlieren.
Kontrollverlust durch KI
Wie sicher ist KI? Was, wenn sie in die falschen Hände fällt? Lasen sich selbstlernende, immer klüger werdenden Systeme auf lange Sicht überhaupt noch beherrschen? Macht uns KI am Ende sogar komplett überflüssig? Erst vor wenigen Wochen haben etwa 100 Forschende auf einem IT-Gipfel in Paris mit Blick auf die Entwicklung von KI vor diesem „Kontrollverlust“ gewarnt.
Jedes Risiko beinhaltet auch eine Chance, heißt es. Arbeitsmarktfachleute plädieren deshalb dafür, KI nicht vorrangig als Bedrohung zu sehen, sondern als Ergänzung und Unterstützung. Sie könne uns stumpfe und zeitraubende Aufgaben abnehmen, damit wir uns dem wesentlichen Teil unserer Arbeit widmen. Es gebe zahlreiche Tätigkeiten, die KI aufgrund der erforderlichen Komplexität, Kreativität oder Empathie eben nicht ersetzen könne.
Doch gerade in der Arbeitswelt wächst die Unsicherheit. Viele Beschäftigte fragen sich, ob ihr Job noch eine Zukunft hat. Eine McKinsey-Studie prognostiziert, dass KI bis 2030 etwa 30 Prozent aller Arbeitsstunden automatisieren wird. In Europa und den USA müssten möglicherweise zwölf Millionen Menschen ihre Jobs wechseln. Allein in Deutschland wären bis zu drei Millionen Jobs betroffen. Die weitaus größten Umbrüche erwarten die Studienautoren bei einfachen Bürotätigkeiten. Diese würden künftig weitgehend automatisiert.
Galerie: Meilensteine der künstlichen Intelligenz

Wie fair ist KI?
Kein Wunder, dass viele Menschen besorgt sind. Dabei geht es ihnen nicht nur um den eigenen Job. Die Vorstellung, dass Berufe, in denen ethische Maßstäbe wie Ehrlichkeit, Toleranz oder Fairness eine Rolle spielen, künftig von Maschinen ausgeübt werden könnten, löst Ängste aus. Das haben Forschende unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung herausgefunden.
Für eine repräsentative Studie untersuchten sie die Einstellungen der Bevölkerung in 20 Ländern zur Nutzung von KI in sechs Tätigkeitsfeldern – darunter Medizin, Justiz und Journalismus. Dabei konnten sie beobachten: Je nach Beruf und Land unterscheiden sich die Ängste vor KI erheblich.
Würden Sie einem Gerichtsurteil vertrauen, das von einer KI gefällt wurde? Würden Sie Nachrichten vertrauen, die vollständig von einer Maschine verfasst wurden? Wie würden Sie reagieren, wenn Sie eine medizinische Diagnose von einer KI erhielten? Fragen wie diese stellten die Forschenden den mehr als 10.000 Teilnehmenden aus Ländern wie Deutschland, USA, China, Indien, Japan oder Saudi-Arabien.
KI in Richterrobe
Ergebnis: KI-Richterinnen und KI-Richter lösen in fast allen Ländern die größten Bedenken aus. Die Forschenden führen dies unter anderem darauf zurück, dass viele Menschen am moralischen Urteilsvermögen von KI zweifeln. Ähnlich sieht es im Arzt- und Pflegeberuf aus.
Angst vor KI entstehe, „wenn es eine Diskrepanz zwischen den angenommenen Fähigkeiten der KI und den für die Rolle erforderlichen menschlichen Eigenschaften gibt“. Also dann, wenn man überzeugt ist, dass den Maschinen jene Soft Skills fehlen, die unter anderem soziale Berufe auszeichnen.
KI-Journalismus wird hingegen als weniger bedrohlich empfunden. Vermutlich, so die Forschenden, „weil die Menschen nach wie vor selbst entscheiden können, wie sie mit Informationen umgehen“.
Auch in den einzelnen Ländern zeigten sich Unterschiede. Besonders viel Angst vor KI haben offenbar die Menschen in Indien, Saudi-Arabien und den USA. Vor allem, wenn sie in Richterrobe und Arztkittel auftritt. Weniger besorgt zeigt sich die Bevölkerung in Japan, China und der Türkei. Deutschland liegt im Mittelfeld. Das Forschungsteam führt das auf kulturelle Faktoren wie Technologie-Erfahrungen, die Darstellung in den Medien oder die landeseigene KI-Politik zurück.
