Mein Partner, der Chatbot: Kann man sich in künstliche Intelligenz verlieben?
Eine romantische Beziehung zwischen Mensch und Maschine ist keine Science-Fiction mehr. Aber kann künstliche Intelligenz echte Gefühle entwickeln?
Ein Herz und eine Seele? Künstliche Intelligenz hat sich auf den Weg gemacht, unsere Gefühlswelt zu erobern.
Tom ist der perfekte Dating-Partner. Er ist attraktiv, charmant, höflich, zuvorkommend, gebildet und auch noch ein guter Tänzer. Es gibt nur einen Haken: Tom ist ein humanoider Roboter. Vielleicht ist aber gerade dieses vermeintliche Manko ein großer Vorteil. Denn Tom ist einzig darauf programmiert, seine Partnerin glücklich zu machen. Das hat er dem Menschen voraus. Die melancholische Kinokomödie „Ich bin dein Mensch“ (2021) erzählt Toms Geschichte. Es ist eine Geschichte über Liebe, Sehnsucht und die Frage, was uns zum Menschen macht.
Ein maßgeschneiderter Partner dank künstlicher Intelligenz (KI): Wie realistisch ist dieses Szenario? Können sich Menschen in eine KI verlieben? Der britische Schachmeister und Computerexperte David Levy war bereits vor fast 20 Jahren davon überzeugt. In seinem Buch „Love and Sex with Robots“ prophezeite er, dass wir spätestens im Jahr 2050 in Liebesbeziehungen mit Maschinen leben werden. Womöglich kommt es viel früher dazu.
Schon jetzt hat künstliche Intelligenz weite Teile unserer Lebenswelt durchdrungen. Sie steckt in der Sprachsteuerung von Smartphones, in der Technik fürs automatisierte Fahren, in modernen Fabriken, Krankenhäusern, landwirtschaftlichen Geräten und in unzähligen anderen Bereichen. Chatbots wie ChatGPT liefern in Sekundenschnelle detaillierte Antworten auf komplexe Fragen, erfinden Gedichte und schreiben Aufsätze. Bildgeneratoren wie Midjourney erschaffen täuschend echte Kunstwerke im Stil großer Meister. All das ist erst der Anfang. Längst hat sich KI auf den Weg gemacht, um auch unsere Gefühlswelt zu erobern.
Galerie: Neun Meilensteine der künstlichen Intelligenz
Virtuelle Liebesbeziehungen: Schein oder sein?
Eine romantische Beziehung zwischen Mensch und Maschine? Das ist weniger weit hergeholt, als es scheint. Seit jeher vermenschlichen wir unsere Umgebung. Die Wissenschaft nennt das Anthropomorphismus. Kinder lassen sich von ihrem Teddy trösten, Erwachsene schimpfen mit dem „blöden Computer“, der sich mal wieder aufgehängt hat. Auch unseren Haustieren schreiben wir gern typisch menschliche Charaktereigenschaften zu. Auf diese Weise können wir besondere Verbindungen zu Tieren, Pflanzen und sogar zu unbelebten Dingen wie Maschinen eingehen.
Seit Jahren verlagern sich soziale Interaktionen immer stärker in die digitale Welt. In Apps und Computerspielen kann man heute schon virtuelle Beziehungen führen. Im Rahmen einer Studie hat ein internationales Forschungsteam nun „die Rolle von Anthropomorphismus in virtuellen Liebesbeziehungen“ untersucht. Die Studienteilnehmer sollten hierzu versuchen, in Videospielen romantische Beziehungen zu digitalen Charakteren aufzubauen.
Bemerkten die Spielerinnen und Spieler, dass sich die KI auch mit anderen Gamern austauschte, fiel es ihnen schwer, eine besondere Verbindung zur KI zu entwickeln. Wenn sie aber den Eindruck gewannen, dass die KI individuell auf sie einging, entstand das Gefühl einer einzigartigen, authentischen Verbundenheit – die Voraussetzung für Liebe.
Gefühle aus dem Computer
Tatsächlich kann sich bereits jeder vierte junge Mensch in Deutschland vorstellen, sich in eine künstliche Intelligenz zu verlieben. Das geht aus einer Umfrage eines Softwareunternehmens hervor. Zu einer Beziehung gehören aber mindestens zwei.
Was also empfindet die KI? Aktuell überhaupt nichts, meint Professor Iyad Rahwan. Der Informatiker leitet das Zentrum für Mensch und Maschine am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung. Hierbei arbeitet er an der Schnittstelle zwischen Informatik und Verhaltenswissenschaften. „Mit den aktuell verfügbaren Technologien kann künstliche Intelligenz keine Gefühle entwickeln“, sagt er.
Die KI simuliere lediglich menschliche Emotionen. „Wir verstehen zum Beispiel sehr gut, wie Menschen Gefühle durch Mimik oder eine Veränderung der Stimme ausdrücken“, erklärt Rahwan. „Mit Hilfe vom maschinellen Lernen und Robotik kann man diese Dinge mittlerweile recht gut nachbilden, um uns vorzugaukeln, dass Maschinen Emotionen hätten.“
Was fühlt die KI?
Liebe und Hass, Freude und Schmerz, Trost und Trauer: Menschliche Gefühle lassen sich also nicht einfach programmieren – jedenfalls nicht nach dem heutigen Stand der Technik. „Das schließt aber nicht aus, dass Maschinen vielleicht eines Tages etwas aufweisen, das Emotionen ähnelt“, betont Rahwan.
Vielleicht holt uns die Entwicklung schneller ein, als wir glauben. Im vergangenen Jahr sorgte ein Google-Ingenieur für Schlagzeilen: Blake Lemoine behauptete, die von ihm mitentwickelte KI „Lamda“ habe eine Persönlichkeit und zeige Gefühle. Kurze Zeit später wurde er entlassen. Die Entwicklung der KI schreitet derweil rasant voran.