Faszinierende Fotostrecke: Die Erdgeschichte in spektakulären Bildern

Über dreißig Jahre lang haben ein Fotograf und eine Autorin an dieser Strecke gearbeitet. Ihre Mission: Orte zu dokumentieren, die Einblicke in die Entstehungsgeschichte der Erde geben.

Von Eva van den Berg
Veröffentlicht am 8. Juni 2022, 12:04 MESZ
Lava strömt während des Ausbruchs im Jahr 2010 aus dem isländischen Vulkans Eyjafjallajökull und ergießt sich ...

Es wirkt wie eine Szene aus der Vergangenheit der Erde: Lava strömt während des Ausbruchs im Jahr 2010 aus dem isländischen Vulkans Eyjafjallajökull und ergießt sich in eine Schlucht, die im Laufe der Jahrhunderte durch die Verschiebung der tektonischen Platten entstanden und von Gletscherwasser ausgehöhlt worden ist.

Foto von Olivier Grunewald

Es sind Momentaufnahmen geologischer Prozesse, aus denen vor Urzeiten das Leben entsprang. „Bilder, die uns mitnehmen auf eine Reise durch Zeit und Raum. Die Vielfalt, die sie zeigen, soll die Verbindung des Menschen zur Natur und den respektvollen Umgang mit der Erde stärken“, sagt der französische Fotograf Olivier Grunewald. Dreißig Jahre lang haben er und seine Partnerin, die Autorin und Naturschützerin Bernadette Gilbertas, im Rahmen des Origins-Projekt die Welt bereist und die Orte dokumentiert, an denen die Kräfte, die unseren einzigartigen Planeten geformt haben, noch heute zu erkennen sind.

Vor über 3,5 Milliarden Jahren entstanden in vulkanisch aktiver, wässriger Umgebung – vielleicht ähnlich der hier zu sehenden Danakil-Senke in Äthiopien – die ersten irdischen Lebensformen. In den blauen und grünen Becken, gelben Schwefelterrassen, Geysiren, salzigen Quellen und Salzkristallen des Dallol-Hydrothermalfeld zeigt sich die ganze Farbpracht der mineralreichen Ablagerungen.

Foto von Olivier Grunewald

Wassertropfen sammeln sich auf Blättern des Kleinohrigen Schwimmfarns (Salvinia auriculata) im brasilianischen Pantanal-Feuchtgebiet. Die große Vielfalt der modernen Pflanzenwelt hat ihren Ursprung in urzeitlichen Mikroalgen namens Cyanobakterien.

Foto von Olivier Grunewald

Grunewalds und Gilbertas größte Motivation zu dem Projekt war die Sorge, die Klimawandel und andere Umweltprobleme in ihnen ausgelöst haben. „Es hat 4,5 Milliarden Jahre gedauert, bis dieser reiche, üppige, lebensfreundliche Planet erschaffen war“, sagt Grunewald. „Jetzt ist die Frage, was wir damit machen werden. Heizen wir die ökologische Krise weiter an oder werden wir uns endlich dazu entschließen, etwas zu unternehmen, damit das Schlimmste verhindert werden kann?“

Das Origins-Projekt zeigt die ganze Schönheit und Bandbreite der ungezähmten Natur: Vulkane, aus denen glühende Lavaströme brechen. Nordlichter, die wie Geister am eisigen Nachthimmel tanzen. Erosionen, die Bergen ihre Form geben. „Die Natur ist eine unerschöpfliche Inspirationsquelle“, sagt Gilbertas. „Sie ist mal wild und mal still, aber immer in Bewegung und sie hat immer etwas mitzuteilen.“

Die im Rahmen des Projekts entstandenen Aufnahmen haben Grunewald und Gilbertas in vier Kategorien unterteilt. Die erste heißt „Chaos“ und beinhaltet Fotografien, in denen die turbulenten Ursprünge unseres Planeten zu erkennen sind. „Erde“ – die zweite Kategorie – konzentriert sich auf Landschaften, die durch die Kraft der Erosion geformt wurden. In der Kategorie „Oase“ werden die Ausbreitung der Pflanzen und ihre hartnäckigen Versuche dokumentiert, sich in den unwirtlichsten Umgebungen durchzusetzen. Die vierte und letzte Kategorie „Tiere“ feiert die Artenvielfalt des Tierreichs in all ihrer Pracht.

Sonnenaufgang über dem Toroweap Point im Herzen des Grand Canyon-Nationalparks in Arizona. In der Schlucht, die der Colorado River durch den Canyon gegraben hat, ist ein Querschnitt durch zwei Milliarden Jahre geologischer Geschichte sichtbar.

Foto von Olivier Grunewald

Eis treibt auf dem isländischen Gletschersee Jökulsárlón, während Polarlichter den Nachthimmel zum Leuchten bringen. Sie entstehen, wenn der Sonnenwind auf die Magnetosphäre der Erde trifft und daran entlangwandert.

Foto von Olivier Grunewald

Auf der Urerde bildete vulkanisches Gestein Flöße aus Erdkruste, wie diese Flecken in einer Caldera im Nyiragongo-Vulkan in den Virunga-Bergen in der Demokratischen Republik Kongo.

Foto von Olivier Grunewald

Chaos – Der Anfang der Erde

Nach vorherrschender wissenschaftlicher Meinung begann die Geschichte der Erde vor etwa 4,5 Milliarden Jahren mit einer Supernova, die zum Kollaps des Sonnennebels – einer sich drehende Molekülwolke aus Gas und Staub – und dadurch zur Entstehung unseres Sonnensystems führte.

Neben vielen anderen Himmelskörpern wurden in diesem Prozess acht Planeten geboren, die begannen, um ein riesiges Zentralgestirn zu kreisen: die Sonne. Nur drei dieser acht Planeten – nämlich Venus, Mars und die Erde – befinden sich in der habitablen Zone, in der die Voraussetzungen für flüssiges Wasser auf der Oberfläche gegeben sind. Doch soweit wir heute wissen, gelang es dem Leben nur auf der Erde, sich durchzusetzen.

Zu Beginn war unser Planet nichts als glühende Masse, dem Ziehen und Zerren der Gravitationskraft hilflos ausgeliefert. Schwere Elemente sanken zum Mittelpunkt der Erde und bildeten dort ihren metallenen Kern. Während einer langen Periode der Abkühlung entstanden zwei Dinge, die für das spätere Leben auf dem jungen Planeten Schlüsselrollen spielen würden: Die Erdkruste und Wasserdampf, der zum Himmel aufstieg und in Form von Wassertropfen – dem ersten Regen – wieder auf die Erde zurückfiel. Währenddessen stand die Erde regelmäßig unter Beschuss durch Meteoriten und Asteroiden, ständige Erdbeben erschütterten sie, aus Vulkanen entwichen riesige Gasmengen und Magma.

Irgendwann entstanden tektonische Platten, die sich bewegten und aneinander rieben und so teilweise Gestein in das Erdinnere drückten. Vulkane waren hauptsächlich an den Rändern dieser tektonischen Platten zu finden, wo sie Ventile bildeten, über die die innere Hitze des Planeten entweichen konnte. Auch heute noch erzeugt der radioaktive Zerfall von Uran und anderen Elementen im Erdkern diese Hitze – zum Glück. Denn neben der Sonne ist dieser Prozess dafür verantwortlich, dass auf der Erde lebensfreundliche Temperaturen herrschen.

Eine dünne Wolke liegt in der Morgendämmerung über dem Uluru, einem Sandsteinfelsen im Herzen Australiens, der vor über 500 Millionen Jahren entstanden ist. Der 863 Meter hohe Felsen ist den Aborigines heilig und ragt aus der Weite des Northern Territory heraus.

Foto von Olivier Grunewald

Dieser Sandsteinhang mit dem treffenden Namen Horseshoe Bend in der Nähe der Stadt Page im US-Bundesstaat Arizona wurde vor etwa fünf Millionen Jahren durch den Colorado River aus dem Felsen gehöhlt.

Foto von Olivier Grunewald

Erde – Ursprung und Ende von allem

„Der Erdboden ist das, was alles Leben auf dem Planeten miteinander verbindet – Ursprung und Ende von allem“, schrieb einst der amerikanische Philosoph und Landwirt Wendell Betty.

Der Boden, von dem er spricht, unterlag von Anfang an dem Einfluss der Naturgewalten: Die aus Elementen wie Sauerstoff, Silizium, Aluminium, Eisen, Kalzium, Natrium, Kalium und Magnesium bestehende Erdkruste wurde von Meteoriten, Vulkanen und Erdbeben, durch Wasser, Wind und Schwerkraft ständig bearbeitet und verändert.

Eine scheinbar endlose Reihe atemberaubender Phänomene sind das Ergebnis dieser Einflüsse: Bergspitzen, grenzenlose Hochebenen, Senken, tiefe Schluchten, Fjorde, Ozeangräben, Dünen, Klippen. Gestein und Mineralien der frühen Entstehungsgeschichte wurden im Laufe von Milliarden Jahren abgetragen. Irgendwann reicherten sich diese Ur-Sedimente mit organischen Molekülen an – der Beginn der Entstehung von Leben.

Die Geologie liest die Vergangenheit der Erde aus ihrer Struktur und Zusammensetzung. Einige besondere Gesteinsformationen erzählen teilweise die Geschichte ganzer Zeitalter, darunter der Grand Canyon in Arizona, Mount Uluru in Australien und die Tsingy in Madagaskar.

Diese Äste der Köcherbäume in Namibia werden von Mitgliedern des San-Volks zur Herstellung von Pfeilhüllen genutzt. Die breiten Baumkronen eignen sich ideal als gemeinschaftlicher Nistplatz für Webervögel.

Foto von Olivier Grunewald

Oase – Sauerstoff zum Atmen

Die ersten Lebensformen der Erde betraten vor etwa 3,5 Milliarden Jahren die Bühne – also um die hundert Millionen Jahre nachdem der Planet geboren wurde. Wie genau sie sich entwickelte, ist bis heute nicht bekannt. Doch kaum waren sie da, verbreiteten sich die urzeitlichen Organismen rasant und mit aller Macht über die Erdoberfläche.

Cyanobakterien spielten dabei eine Schlüsselrolle. Sie waren die ersten Mikroorganismen, die die Fähigkeit der Fotosynthese entwickelten und so Sonnenenergie aufnehmen und Sauerstoff als Abfallprodukt herstellen konnten.

Dank der Cyanobakterien verwandelte sich die Ur-Atmosphäre, die zuvor hauptsächlich auch Wasserstoff, Stickstoff und Kohlendioxid bestanden hatte, in ein sauerstoffreiches Umfeld. Der Sauerstoff reagierte mit dem Sonnenlicht und die Ozonschicht entstand, die die Erdoberfläche vor ultravioletter Strahlung schützt. Aerobe Mikroorganismen, die Sauerstoff zum Leben brauchen, wurden immer zahlreicher, dafür nahm die Zahl der anaeroben Organismen ab.  

Der Hoh-Regenwald auf der Olympic Peninsula im US-Bundesstaat Washington ist einer der letzten verbliebenen gemäßigten Regenwälder Nordamerikas. Nadelbäume, Moose und Farne bieten hier vielen verschiedenen Arten einen Lebensraum.

Foto von Olivier Grunewald

Jedes Jahr im Oktober brechen Singschwäne (Cygnus cygnus) in Sibirien zu einer 3.800 Kilometer langen, 18-stündigen Nonstop-Wanderung auf die japanische Insel Hokkaido auf, um den extremen Temperaturen von bis zu minus 50 Grad Celsius zu entkommen.

Foto von Olivier Grunewald

Das Hardy Reef ist Teil des australischen Great Barrier Reefs, der größten von lebenden Organismen errichteten Struktur der Erde. Es ist reich an Schwämmen, die erstmals vor etwa 600 Millionen Jahren in den Ozeanen auftauchten. Heute ist das empfindliche Ökosystem stark durch menschliche Einflüsse bedroht.

Foto von Olivier Grunewald

Manche Mikroorganismen gingen miteinander Symbiosen ein. Damit begann der Aufstieg der Eukaryoten – komplexe Zellen mit Zellwänden und Zellkern. Sie sind die Bausteine, aus denen alle Tiere und Pflanzen gemacht sind.

Über eine Dauer von mehr als einer Milliarde Jahre waren einzellige Organismen die einzige Lebensform auf der Erde. Erst die kambrische Artenexplosion vor rund 540 Millionen Jahren brachte komplexe mehrzellige Organismen hervor, die aus verschiedenen Zelltypen bestehen, die verschiedene Funktionen erfüllen.

Neue Spezies entwickelten sich in ihren Ökosystemen an Land und im Wasser. Dabei entstand ein eng verwobenes Netz des Lebens, dass alles miteinander verband und über Jahrtausende bestand – doch heute läuft das sensible Konstrukt Gefahr, durch den menschlichen Einfluss immer stärker aus dem Gleichgewicht zu geraten.

Tiere – üppiger Artenreichtum

Nach und nach entstanden immer komplexere Lebensformen – insbesondere nachdem eukaryotische Organismen damit begonnen hatten, sich sexuell fortzupflanzen und dabei ihr Genmaterial zu mischen. Vor rund 500 Millionen Jahren eroberten erste Pflanzen und Pilze, vom Wasser aus das Land. Das Erscheinen der ersten Gliederfüßer – die Vorläufer der modernen Insekten, Spinnen- und Krebstiere – war der Startschuss für die Entstehung unzähliger unterschiedlicher Lebensformen, die physikalisch, chemisch und biologisch miteinander verbunden waren und interagierten.

Einst lebten auf dem heutigen Gebiet der Vereinigten Staaten schätzungsweise 50 Millionen Bisons. Nach einer Massenschlachtung – einem Versuch, die amerikanischen Ureinwohner auszuhungern – waren im Jahr 1875 nur noch 600 Tiere übrig. Heute existiert im Yellowstone-Nationalpark in Wyoming eine Population, die 5.000 dieser Bisons umfasst.

Foto von Olivier Grunewald

Die beginnende Evolution der Wirbeltiere im Zuge der kambrischen Explosion zog eine weitere mächtige Welle der Artenvielfalt nach sich, die schließlich vor etwa sechs Millionen Jahren zu der Entstehung der ersten Hominini führte. Homo sapiens – unsere eigene Spezies – erschien vor über 230.000 Jahren auf der Bildfläche. Inzwischen sind wir die mächtigste Erosionskraft, die auf die Erde einwirkt – die Masse der Dinge, die wir produziert haben, übersteigt die der kompletten Biomasse des Planeten.

Obwohl Menschen klug genug zu sein scheinen, die bemerkenswerte Geschichte des Lebens auf der Erde wertzuschätzen, scheint uns noch immer nicht bewusst zu sein, welche Verantwortung dieses Bewusstsein mit sich bringt. Es bleibt zu hoffen, dass wir bald einen Weg finden werden, die Biosphäre der Erde vor unseren großen Ambitionen zu beschützen – denn einen zweiten Planeten wie diesen haben wir bisher nicht gefunden.

Dieser Artikel wurde ursprünglich in spanischer Sprache auf NationalGeographic.com.es und in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.


 
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