Das Land, das es nicht gibt

Im kaum bekannten Transnistrien ist das Leben eine fortwährende Suche nach Identität. Ein Fotograf hat kürzlich genauer hingesehen.

Von Catherine Zuckerman
bilder von Thomas Vanden Driessche
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:30 MEZ
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2015 feierten die Transnistrier den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs – dort auch als der „große patriotische Krieg“ bekannt – und 25 Jahre Unabhängigkeit von Moldawien.
Foto von Thomas Vanden Driessche, Institute

An der Grenze zwischen Moldawien und der Ukraine liegt ein schmaler Streifen Land namens Transnistrien. Mehr als eine halbe Million Menschen sind dort zu Hause und das Land wird von einer unabhängigen Regierung kontrolliert. Es hat seine eigene Währung, eine Verfassung und ein stehendes Heer. Die Nationalhymne heißt „Wir rühmen Dich, Transnistrien“.

Aber Transnistrien – in Eigenbezeichnung „Pridnestrowien“ – wird von den Vereinten Nationen nicht anerkannt. Mit anderen Worten: Es wird nicht als eine Nation betrachtet.

EIN LAND IN DER SCHWEBE

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Das „Kulturhaus“ ist ein Relikt aus Sowjetzeiten, das in den Dörfern Transnistriens weiterlebt. Dieses hier in Cionurciu wurde in Vorbereitung auf eine Tanzveranstaltung geputzt, die das Ende des Zweiten Weltkriegs feiert.
Foto von Thomas Vanden Driessche, Institute

Offiziell ist es als Transnistrische Moldauische Republik bekannt, technisch gesehen ist es aber Teil von Moldawien. Allerdings, so der Osteuropa-Gelehrte Dennis Deletant, „ist der separatistische Kleinstaat seit dem Moldauischen Bürgerkrieg 1992 faktisch unabhängig“, in dem Moldauer gegen Transnistrier kämpften.

Der Transnistrien-Konflikt wird manchmal auch als „eingefrorener Konflikt“ bezeichnet, weil nie ein formaler Friedensvertrag aufgesetzt wurde, obwohl die Kämpfe in der Region vor 25 Jahren endeten. Heutzutage wird die Grenze Transnistriens von „etwa 1.200 russischen Soldaten einer Friedenstruppe patrouilliert“, erzählt Deletant, „die eine unsichere Waffenruhe durchsetzen.“

Auch wenn seine Einwohner patriotisch sind und sich selbst als „Transnistrier“ bezeichnen, schwören die meisten von ihnen eher Russland als Moldawien die Treue.

BELIEBT

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    Zinaida Borets, 37, ist eine transnistrische Schauspielerin, die mehr als ein Jahrzehnt lang einer Theatertruppe aus Tiraspol angehörte. Jedes Jahr, wenn sich der Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs nähert, führt die Truppe ein Stück auf, das dem Ruhm der sowjetischen Soldaten gewidmet ist.
    Foto von Thomas Vanden Driessche, Institute
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    Andrey Smolenskiy, 30, trainiert jeden Tag in dieser Sporthalle aus der Sowjetzeit in Cionurciu. Wenn er nicht gerade Sport treibt, leitet er eine Reiseagentur.
    Foto von Thomas Vanden Driessche, Institute
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    In Tiraspol machen Militärwachen des Präsidenten (Vadim Krasnoselsky, der letztes Jahr gewählt wurde) am Ende der Feierlichkeiten zum Tag des Sieges eine Pause.
    Foto von Thomas Vanden Driessche, Institute

    Diese nationale Identitätskrise hat den belgischen Fotografen Thomas Vanden Driessche dazu bewogen, nach Transnistrien zu reisen und das Leben dort zu dokumentieren.

    Er begann in der Hauptstadt Tiraspol und verbrachte dann zwei Wochen damit, zusammen mit einem Mittelsmann in der Gegend umherzufahren. Dieser sprach Russisch, was neben Rumänisch und Ukrainisch eine der Hauptsprachen des Gebiets ist.

    Größtenteils hätten sich die Menschen damit wohlgefühlt, dass er Portraitaufnahmen von ihnen machte, erzählt Vanden Driessche. Aber als er mit der Kamera auf den Straßen unterwegs war, fiel ihm etwas an den Reaktionen der Leute auf. Statt entweder übermäßig freundlich oder streitlustig zu sein – die zwei Extreme, auf die er normalerweise trifft –­, begegneten sie Vanden Driessche mit einer ungewohnten Gleichgültigkeit.

    „Das war ziemlich seltsam“, sagt er. „Niemand war glücklich. Aber es war auch niemand sauer.“

    Mehr von Vanden Driessches Arbeit kann man sich auf seiner Website oder Instagram ansehen.

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    Im Theater in Tiraspol führen Schauspieler ein patriotisches Stück auf, das den sowjetischen Soldaten gedenkt, die im Zweiten Weltkrieg gefallen sind.
    Foto von Thomas Vanden Driessche, Institute
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