Das Land, das es nicht gibt
Im kaum bekannten Transnistrien ist das Leben eine fortwährende Suche nach Identität. Ein Fotograf hat kürzlich genauer hingesehen.
An der Grenze zwischen Moldawien und der Ukraine liegt ein schmaler Streifen Land namens Transnistrien. Mehr als eine halbe Million Menschen sind dort zu Hause und das Land wird von einer unabhängigen Regierung kontrolliert. Es hat seine eigene Währung, eine Verfassung und ein stehendes Heer. Die Nationalhymne heißt „Wir rühmen Dich, Transnistrien“.
Aber Transnistrien – in Eigenbezeichnung „Pridnestrowien“ – wird von den Vereinten Nationen nicht anerkannt. Mit anderen Worten: Es wird nicht als eine Nation betrachtet.
EIN LAND IN DER SCHWEBE
Offiziell ist es als Transnistrische Moldauische Republik bekannt, technisch gesehen ist es aber Teil von Moldawien. Allerdings, so der Osteuropa-Gelehrte Dennis Deletant, „ist der separatistische Kleinstaat seit dem Moldauischen Bürgerkrieg 1992 faktisch unabhängig“, in dem Moldauer gegen Transnistrier kämpften.
Der Transnistrien-Konflikt wird manchmal auch als „eingefrorener Konflikt“ bezeichnet, weil nie ein formaler Friedensvertrag aufgesetzt wurde, obwohl die Kämpfe in der Region vor 25 Jahren endeten. Heutzutage wird die Grenze Transnistriens von „etwa 1.200 russischen Soldaten einer Friedenstruppe patrouilliert“, erzählt Deletant, „die eine unsichere Waffenruhe durchsetzen.“
Auch wenn seine Einwohner patriotisch sind und sich selbst als „Transnistrier“ bezeichnen, schwören die meisten von ihnen eher Russland als Moldawien die Treue.
Diese nationale Identitätskrise hat den belgischen Fotografen Thomas Vanden Driessche dazu bewogen, nach Transnistrien zu reisen und das Leben dort zu dokumentieren.
Er begann in der Hauptstadt Tiraspol und verbrachte dann zwei Wochen damit, zusammen mit einem Mittelsmann in der Gegend umherzufahren. Dieser sprach Russisch, was neben Rumänisch und Ukrainisch eine der Hauptsprachen des Gebiets ist.
Größtenteils hätten sich die Menschen damit wohlgefühlt, dass er Portraitaufnahmen von ihnen machte, erzählt Vanden Driessche. Aber als er mit der Kamera auf den Straßen unterwegs war, fiel ihm etwas an den Reaktionen der Leute auf. Statt entweder übermäßig freundlich oder streitlustig zu sein – die zwei Extreme, auf die er normalerweise trifft –, begegneten sie Vanden Driessche mit einer ungewohnten Gleichgültigkeit.
„Das war ziemlich seltsam“, sagt er. „Niemand war glücklich. Aber es war auch niemand sauer.“