Wie aus Luftverschmutzung Farbe wird

Eine junge Firma nutzt den Ruß aus Auspuffrohren, um Kunstwerke zu schaffen.

Von Christina Nunez
Veröffentlicht am 6. Nov. 2017, 09:51 MEZ
Farbe
Ein indisches Start-Up-Unternehmen fängt schwarze Schmutzpartikel auf, die andernfalls die Luft verschmutzen würden, und macht daraus Farbe.
Foto von Graviky Labs

Anirudh Sharma war auf einer Konferenz in Indien, als er bemerkte, wie sich schwarze Partikel an seinem weißen Hemd sammelten. Die Flecken, die sich dort absetzten, rührten von der Luftverschmutzung her.

Die Nebenprodukte aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe wie Benzin und Kohle verursachen auf der ganzen Welt Gesundheitsprobleme und klimatische Effekte, besonders in den wachsenden Städten Indiens. In jenem Moment vor ein paar Jahren betrachtete Sharma die Schmutzpartikel allerdings als etwas viel Einfacheres: als Farbstoff.

Er kehrte in das MIT Media Lab in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts zurück, wo er an erweiterter Realität forschte. Dort begann er dann an seiner Idee zu arbeiten, Farbe aus der CO2-Verschmutzung zu machen. Er begannt mit Kerzenruß und entwickelte einen Prototyp. Nachdem er seinen Master gemacht hatte, ging er nach Indien zurück und half 2016 bei der Gründung des Kollaborationsprojekts Graviky Labs, um weiter an Air-Ink (Luftfarbe) und anderen Ideen zu arbeiten.

Die ersten Air-Ink-Produkte gingen an die Unterstützer des Kickstarter-Projekts, aber die Farbe wurde auch an Künstler verteilt.
Foto von Graviky Labs

Jedes Mitglied des ursprünglichen Graviky-Teams kam aus Delhi, einem der am stärksten verschmutzten Orte der Welt, sagt der Mitbegründer Nikhil Kaushik.

„Wir verstehen, was es heißt, wenn jemand das Wort Verschmutzung benutzt“, sagt er. „Wir waren nicht unwissend darüber, was Verschmutzung bedeutet und was für Probleme sie verursacht. Das hat uns sehr geholfen.“

Sie entwickelten ein Gerät, das man an einen Auspuff oder einen tragbaren Generator anbringen kann und das den Ruß sammelt, der beim Verbrennen von Dieselkraftstoff entsteht. Indem sie das feine schwarze Puder mit Lösungsmitteln mischten, stellten sie Farbe her, die dann in Flaschen und Stifte gefüllt wurde.

Kaushik sagt, dass das gleich einen doppelten Vorteil bietet: „Wir recyceln dieses Material nicht nur zu Tinte. Wir ersetzen damit auch den Industrieruß, der sonst genutzt wird, um schwarze Farbe herzustellen.“ Hersteller benutzen Industrieruß für gewöhnlich, um Gummi, Tinte, Farben und Durchschreibepapier herzustellen.

Nachdem sie ihr Vorhaben in diesem Jahr auf Kickstarter präsentiert hatten, sammelte das Team 41.000 Dollar – fast das Dreifache des Betrages, um den sie gebeten hatten, damit sie Air-Ink in größeren Mengen herstellen konnten. Durch eine Partnerschaft mit einer Brauerei haben sie bereits damit begonnen, ihre Farbe an Künstler zu verteilen, die damit in London, Singapur und anderen Städten öffentliche Kunstwerke geschaffen haben.

„Am Anfang dachte ich, das sei nur ein weiteres Gimmick“, sagt Kristopher Ho, ein Künstler aus Hongkong, der zu den ersten Testern gehörte. „Aber nachdem ich die Stifte getestet hatte, habe ich festgestellt, dass sie eigentlich ziemlich gut sind.“ Er sagt, dass die Filzstifte dicker als traditionelle Tinte sind, weshalb sie sich perfekt zum Malen eignen.

Das Team von Graviky hat laut Kaushik in den letzten zwölf Monaten etwa 1.000 Liter Farbe produziert. Gravkty schätzt, dass 30 Milliliter Farbe etwa 45 Minuten Auspuffverschmutzung entsprechen. Das Team arbeitet daran, die Kosten für die Produkte zu senken, zu denen auch Farbe für den Siebdruck gehört. Ihre Farbe auch in Druckerpatronen zu bekommen, wäre laut Kaushik der „Heilige Gral“, aber für kleinere Unternehmen sei es schwer, in diesen Markt vorzustoßen.

BELIEBT

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    Der Künstler Kristopher H schuf dieses Kunstwerk mit Air-Ink. Er sagt, dass er zunächst skeptisch war, das Produkt dann aber gut fand.
    Foto von Kristopher H

    Dann ist da noch die Sache mit dem Sammeln des Kohlenstoffs aus den Auspuffrohren. Bisher haben sie nie mehr als etwa 75 Geräte dafür verteilt. Kaushik stellt sich zum Beispiel kleine „Ökosysteme“ für LKW-Fuhrparks vor, bei denen Hunderte von Lieferwagen am selben Ort ihren Kohlenstoff abgeben können. Ein weiteres Konzept sind Tankstellen, bei denen Autofahrer Einzahlungen in eine „Kohlenstoffbank“ machen können.

    Die Bank-Wortwahl ist absichtlich gewählt und weist auf den Wert des Kohlenstoffs hin. „Es ist ein menschliches Konzept, dass es sich dabei um ein Abfallprodukt handelt“, sagt Kaushik. „Wir glauben, dass es in der Natur keinen Abfall gibt. Alles hat einen bestimmten Wert.“

    Das Team von Graviky arbeitet auch an Verschmutzungssensoren, mit denen Menschen die Luftqualität an ihrem Wohnort messen können. Die Mitarbeiter arbeiten im Grunde einfach an Konzepten, die ihnen gefallen. Die Projekte müssen eine soziale Auswirkung haben und kommerziell sinnvoll sein, so Kaushik, aber die Einnahmen sind dabei kein treibender Faktor. Genau wie die Künstler, die sie getroffen haben, lassen auch sie sich an erster Stelle von ihrer Leidenschaft leiten, sagt er.

    „Wenn man etwas macht, das die Leute sinnvoll finden, kommt das Geld schon. Die größte Herausforderung ist: Kann man an einer Idee dranbleiben?“, sagt er. „Das ist wichtiger, als sich um Geld Gedanken zu machen.“

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