Rätsel gelöst: Archäologen stoßen auf das Grab eines berühmten Australien-Entdeckers

Die sterblichen Überreste des Seefahrers wurden inmitten von Zigtausend anderen Gräbern gefunden. Die letzten Ruhestätten werden für den Bau der britischen Eisenbahnschnellfahrstrecke HS2 verlegt.

Von Roff Smith
Veröffentlicht am 28. Jan. 2019, 16:35 MEZ
Captain Matthew Flinders leitete die erste Umsegelung Australiens und gab dem Kontinent seinen Namen.
Captain Matthew Flinders leitete die erste Umsegelung Australiens und gab dem Kontinent seinen Namen.
Foto von Universal History Archive, Getty

Archäologen fanden bei ihrer Arbeit in einer Ausgrabungsstätte in der Nähe der Euston Station in London die lange verschollenen sterblichen Überreste von Captain Matthew Flinders. Damit ist das große Rätsel gelöst, wo sich die letzte Ruhestätte des berühmten Australien-Entdeckers befindet.

Flinders war ein britischer Schiffoffizier, der im Jahr 1803 die erste Umsegelung Australiens leitete. Man geht davon aus, dass er dem Kontinent seinen Namen gab. Nach seinem Tod 1814 wurde er auf einem Londoner Friedhof beigesetzt. Der Friedhof verfiel irgendwann und wurde später zum Park St. James Gardens umgestaltet. Die Grabsteine wurden dabei kurzerhand entfernt und die Namen der Grabbesitzer, von denen es hier rund 60.000 gab, gingen verloren und wurden vergessen.

Auf einem Teil des alten Friedhofsgeländes wurde der Bahnhof Euston errichtet. Eine beliebte Legende besagte bald darauf, dass Flinders Grab sich unter Bahnsteig 15 befindet.

Es war reiner Zufall, dass Flinders sterbliche Überreste unter den Tausenden nicht identifizierbarer Gräber gefunden wurde. Sein Sarg war einer der wenigen, auf denen eine Plakette mit dem Namen des darin Liegenden angebracht worden war.
Foto von James O Jenkins, HS2 Ltd

Vielleicht wäre es für immer so geblieben, wäre da nicht das Mammutprojekt der Eisenbahnschnellfahrstrecke HS2 entstanden, die London mit Birmingham verbinden soll. St. James Gardens musste diesem Projekt weichen und die unzähligen Gräber wurden dafür exhumiert, um sie an einen anderen Ort umzubetten.

„Matthew Flinders sterbliche Überreste zu finden und zu identifizieren war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Helen Wass, die leitende Archäologin des HS2-Projekts. „Hier gibt es Zehntausende von Gräbern. Wir hatten keine Ahnung, wo er auf dem alten Friedhof bestattet worden war. Wir hatten enormes Glück.“

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    Archäologen heben die Bleiplakette aus Flinders Grab. Die sterblichen Überreste des Entdeckers werden an einen anderen Ort umgebettet.
    Foto von James O Jenkins, HS2 Ltd

    Ohne Grabsteine oder Gräberplan des Friedhofs konnten die ehemaligen Ruhestätten nur identifiziert werden, wenn auf dem Sarg ein Schild angebracht worden war, das den Verstorbenen benannte. Nur ein kleiner Prozentsatz der bislang ausgegrabenen Särge wiesen diese auf. Außerdem verrotten Plaketten aus Zinn im feuchten Londoner Boden schneller oder sind zumindest nicht mehr gut genug erhalten, um ihre Aufschrift lesen zu können. „Wenn er kein Schild oder eins aus Zinn auf seinem Sarg gehabt hätte, hätten wir ihn ausgegraben und nie erfahren, um wen es sich dabei handelt“, meint Wass.

    Glücklicherweise trug Captain Flinders Sarg eine Plakette aus haltbarem Blei. Ihre Inschrift und die floralen Ornamente sind selbst nach 200 Jahren im Erdboden immer noch gut sichtbar.

    Berühmt und vergessen

    Flinders ist ein wichtiger Name in der Geschichte Australiens. Er selbst hatte nicht das Bedürfnis, Objekte oder Orte nach sich zu benennen, die Nachwelt indes schon und verlieh Städten, Straßen, Nationalparks, Wahlbezirken seinen Namen, darunter auch einer Gebirgskette, einer Insel und schließlich einer Universität. „Meine australischen Kollegen waren geschockt, als sie von unserer Hoffnung erfuhren, das Grab von Matthew Flinders zu finden“, erklärt Wass. „Sie waren eigentlich der Meinung, dass er in Westminster Abbey oder einem ähnlich berühmten Ort bestattet worden ist.“

    Die Entdeckung von Flinders sterblichen Überresten hat das Interesse an dem Mann neu entfacht. Einst wurde er als einer der besten Seefahrer seiner Zeit in einem Atemzug mit Cook und Bligh genannt. Dann geriet er in seinem Heimatland jedoch in Vergessenheit.

    Matthew Flinders wurde im Jahr 1774 als Sohn eines Landarztes in Lincolnshire geboren. Als Junge beflügelten die „Abenteuer des Robinson Crusoe“ seine Fantasie. Mit 15 Jahren trat er auf der Suche nach eigenen großen Abenteuern in die Royal Navy ein – er sollte sie zur Genüge finden. Unter Captain Bligh segelte er nach Tahiti und um die ganze Welt, erforschte die unentdeckten Küsten von Tasmanien und New South Wales in kleinen Booten und kämpfte in den Napoleonischen Kriegen. Er leitete die erste Expedition zur Umsegelung Australiens im Jahr 1803 und auf seinem Rückweg nach England wurde er als Spion von den Franzosen verhaftet. Er verbrachte sechs Jahre in Gefangenschaft auf Mauritius.

    Als er schließlich 1810 nach England zurückkehrte, war seine Gesundheit stark angegriffen. Er schaffte es kaum, sein Magnum Opus, „A Voyage to Terra Australis“, in dem er den Kontinent „Australien“ taufte. Er starb am 19. Juli 1814, einen Tag nach der Veröffentlichung seines Buches.

    „Wäre er im Kampf oder in einem weit entfernten Land gestorben, würde man sich heute wohl besser an Flinders erinnern“, meint James Delgado, ein Meeresarchäologe und Historiker. „Flinders und seine Mitstreiter Cook und Bligh öffneten die Welt, indem sie die Ozeane kartografierten. Sie sind ein Teil des Vermächtnisses der Weltvermesser und Seefahrer, das die Welt, wie sie heute ist, überhaupt erst möglich gemacht hat.“

    Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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