Die illustrierte Geschichte Hongkongs

Der Sonderstatus der mächtigen Metropole ist das Ergebnis von zwei Jahrhunderten Wachstum, Unruhen und Veränderung.

Von Erin Blakemore, Taryn Salinas
bilder von Illustrationen von Adolfo Arranz, National Geographic
Veröffentlicht am 19. Nov. 2019, 14:59 MEZ
Hongkong befindet sich fest im Griff pro-demokratischer Demonstranten und ihren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Sonderstatus ...
Hongkong befindet sich fest im Griff pro-demokratischer Demonstranten und ihren Auseinandersetzungen mit der Polizei. Der Sonderstatus der Stadt ist das Ergebnis einer ungewöhnlichen politischen Geschichte.
Foto von Illustration von Adolfo Arranz, National Geographic
Hongkong befindet sich im Süden Chinas und besteht aus einer Halbinsel und zahlreichen größeren und kleineren Inseln.
Foto von Landkarte von Soren Walljasper, National Geographic

Mehr als sieben Millionen Menschen leben in der Sonderverwaltungszone Hongkong. Seit Wochen bestimmen Proteste einer pro-demokratischen Bewegung das Leben in der Region. Millionen Menschen gehen auf die Straßen, um für politische Selbstbestimmung und persönliche Autonomie zu kämpfen. Und sie sind nicht die ersten: Die Geschichte Hongkongs ist von rapidem Wachstum, politischen Unruhen und den konstanten Forderungen nach Veränderung geprägt.

Ein kurzer Überblick über die bewegte Geschichte Hongkongs.

VOR 1800: Hongkong ist ein abgelegenes Fischerdorf unter chinesischer Herrschaft. Britische Händler tauschen dort illegal eingeführtes Opium aus Indien gegen chinesische Produkte wie Tee, Seide und Porzellan. Damit bereiten sie die Bühne für einen erbitterten Handelsstreit. Bald wird Opiumsucht zu einem ernsthaften Problem für China. Im Jahr 1839 zählt das Land etwa zehn Millionen Opiumnutzer und bis zu zwei Millionen Abhängige.
Foto von Adolfo Arranz, National Geographic
SEPTEMBER 1839-1842: China versucht, gegen den britischen Opiumschmuggel vorzugehen: Illegal eingeführtes Opium wird vernichtet, Schmuggler werden bestraft. Daraufhin stellt die britische Krone dem Kaiserreich ein Ultimatum. Im Ersten Opiumkrieg, der darauffolgte, sterben 520 Briten und bis zu 20.000 Chinesen. Der Krieg endet mit einer bitteren Niederlage für China.
1. JANUAR 1842: Der Vertrag von Nanjing wird von China und der britischen Krone unterzeichnet: Hongkong wird an die Briten abgetreten. Es ist der erste von drei „Ungleichen Verträgen“, die China mit der britischen Krone schließen wird. Im Laufe der folgenden 56 Jahre wird es die Kontrolle über alle drei Hauptregionen Hongkongs verlieren.
1856-1860: Der Zweite Opiumkrieg zwischen Großbritannien, Frankreich und China tobt. Er wird mit der Pekinger Konvention beendet, in deren Rahmen die Kowloon-Halbinsel und Stonecutters Island an Großbritannien abgetreten werden. Zum Ende des Krieges verwüsten britische und französische Truppen die Sommerpaläste in Peking. Bis zu 30.000 Chinesen werden getötet oder verwundet. Die westlichen Armeen zählen nur 2.900 Tote in ihren Reihen.
1898: Großbritannien pachtet die Neuen Territorien für 99 Jahre. Einwanderer vom Festland strömen in großen Wellen nach Hongkong, wo sich ebenso internationale Handelsinstitute, westliche Schulen, Banken und Geschäfte ansiedeln. Hongkong wird ein regionales Handelszentrum.
1937: Als sich die japanischen Streitkräfte zu Beginn des Zweiten Japanisch-Chinesischen Kriegs Hongkong nähern, fliehen Tausende vom Festland in die Stadt. Das Gebiet bleibt nicht gänzlich von japanischen Bomben verschont, aber dank seines Status als britische Kolonie bleibt ihm der größte Schrecken des Krieges erspart.
1941-1945: Japan marschiert in Hongkong ein und besetzt das Gebiet. Während der Besatzung schrumpft Hongkongs Einwohnerzahl von 1,6 Millionen auf 600.000.
1946: Großbritannien gewinnt die Kontrolle über die Zivilregierung wieder.
1949: Auf dem Festland gewinnen die Kommunisten unter Mao Zedong den Chinesischen Bürgerkrieg. Hunderttausende Chinesen flohen nach Hongkong, wo große provisorische Siedlungen illegaler Einwanderer entstanden. Jeden Monat erreichen bis zu 100.000 Menschen die Insel und bringen eine Vielzahl an Dialekten, Sprachen und Traditionen mit. Hongkongs Bevölkerung steigt sprungartig von 600.000 im Jahr 1945 auf 2,5 Millionen im Jahr 1956 an.
1950ER: Hongkongs Wirtschaft wächst zusammen mit der Lebensqualität und dem Produktionsstandort Hongkong. Durch die ungleiche Einkommensverteilung und die schlechten Arbeitsbedingungen kommt es in der Bevölkerung zu Unruhen.
1960ER: Das Jahrzehnt ist von Aufständen, Unruhen und den Sorgen der Bürger ebenso geprägt wie von Dürren und Taifunen. Die Regierung reagiert und leitet ambitionierte Sozialreformen ein, geht gegen Korruption vor und schafft einen besseren Zugang zur Bildung. Die Unruhen erzeugen aber auch ein Gefühl der Zusammengehörigkeit in einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft.
1970ER: Hongkong wird ein „Asiatischer Tiger“ – ein internationales Finanzzentrum. Mao Zedong wird von dem moderateren Deng Xiaoping abgelöst, der eine Politik der „Öffnung und Reform“ durchsetzt. Großbritannien sieht dem Ende seines 99-jährigen Pachtvertrags für die Neuen Territorien entgegen. Das Königreich verhandelt mit Deng über einen Fortbestand seiner Verwaltung. Deng hält sich die Option offen, gibt aber zu, dass Hongkong einen „Sonderstatus“ hat. Hinter den Kulissen beginnt Großbritannien damit, seinen Rückzug aus der Stadt zu planen.
1984: Die britische Premierministerin Margaret Thatcher und Chinas Premierminister Zhau Ziyang unterzeichnen eine Erklärung über die Zukunft Hongkongs. Ihr zufolge wird China die Kontrolle über Hongkong am 1. Juli 1997 zurückerlangen. China verspricht Hongkong einen „hohen Grad an Autonomie“ und direkte Wahlen ab 2007. Offizielle Vertreter beginnen mit dem Entwurf einer Mini-Konstitution für die Stadt, um Chinas „ein Staat, zwei Systeme“-Politik Rechnung zu tragen. Die Bürger Hongkongs sind von einem wachsenden Gefühl der Unsicherheit geplagt – und fragen sich, warum sie in die Verhandlungen nicht mit einbezogen wurden.
1989: In Hongkong demonstrieren mehr als eine Million Menschen gegen das Tian’anmen-Massaker an der demokratischen Protestbewegung Chinas. Das Massaker schürt antikommunistische Haltungen und die Sorgen der Bevölkerung darüber, wie China in Zukunft Hongkong regieren wird.
1992: Chris Patten, der letzte britische Gouverneur Hongkons, verkündet demokratische Reformen für die Kommunalwahl 1994 und die Parlamentswahl 1995, ohne vorher China zu konsultieren. Die Regierung in Peking ist erbost und die Verhandlungen scheitern. Hongkong führt seine Reformen durch, aber China plant, diese wieder rückgängig zu machen, sobald es die Kontrolle über die Stadt zurückgewinnt.
1. JULI 1997: Hongkong fällt zum ersten Mal seit 150 Jahren wieder offiziell unter chinesische Herrschaft. Ein Geschäftsmann aus Shanghai namens Tung Chee-hwa wird als neuer Chief Executive der Sonderverwaltungszone Hongkong eingesetzt. Er wird für seinen Umgang mit der asiatischen Finanzkrise und seine Hörigkeit gegenüber Peking kritisiert.
MAI 1998: Die ersten Wahlen finden statt. Trotz heftiger Regenfälle bricht die Wahlbeteiligung alle Rekorde. Für die demokratischen Kandidaten ist der Wahlausgang ein großer Erfolg – sie erhalten mehr als 65 Prozent der Stimmen. Aufgrund der neuen Wahlstruktur in Hongkong, die China eingeführt hat, erhalten die pro-demokratischen Kandidaten im Parlament aber keine Mehrheit.
FRÜHLING 2003: Eine tödliche SARS-Epidemie rollt durch China und Hongkong. Die Atemwegserkrankung infiziert 8.096 Menschen und tötet 774. Die verängstigten Bürger Hongkongs meiden öffentliche Plätze. Die Regierung wird wegen ihrer schleppenden Reaktion auf die Krise kritisiert.
JULI 2003: Etwa eine halbe Million Menschen gehen auf die Straße, um gegen Artikel 23 zu demonstrieren. Kritiker des nationalen Sicherheitsgesetzes gegen „Subversion“ befürchten, dass es die freie Meinungsäußerung beschneiden könnte. Der Gesetzesentwurf wird zurückgezogen, wird aber dennoch international kritisiert und gilt als Beleg für Chinas Bestreben, die Bürgerrechte in Hongkong zu beschneiden.
APRIL 2004: China legt fest, dass Änderungen an den Wahlgesetzen Hongkongs nur mit Chinas Zustimmung durchgeführt werden dürfen. Damit hat das Festland im Grunde ein Vetorecht gegen jeglichen Vorstoß in Richtung demokratischer Wahlen. Das Vertrauen in Pekings Absichten, die Demokratie in Hongkong zu wahren, schwindet. Etwa eine halbe Million Menschen beteiligen sich an pro-demokratischen Demonstrationen im Juli.
JULI 2006: Zehntausende Menschen beteiligen sich an pro-demokratischen Protestmärschen, die fortan jeden Juli erneut stattfinden. Sie dienen als jährliche Erinnerung an die Forderungen der Bürger nach einem allgemeinen Wahlrecht, freier Meinungsäußerung und demokratischer Herrschaft.
AUGUST 2014: Das chinesische Parlament schließt freie Wahlen in Hongkong aus und verkündet, dass sich nur von Peking genehmigte Kandidaten auf die höchsten politischen Ämter bewerben dürfen. Proteste und ziviler Ungehorsam folgen. Studenten streiken, Bürger nehmen an pro-demokratischen Protestmärschen teil und Demonstranten besetzen wochenlang das Stadtzentrum. Die Protestbewegung scheitert und viele der größtenteils studentischen Anführer werden festgenommen und eingesperrt. Das befeuert weitere pro-demokratische Unterstützung innerhalb der Stadtbevölkerung, und zur nächsten Wahl treten noch mehr demokratische Kandidaten an.
FEBRUAR - MÄRZ 2019: Hongkongs Regierung verkündet Pläne für ein neues Gesetz, das erstmals die Auslieferung von Hongkonger Bürgern ans chinesische Festland ermöglichen würde. Kritiker behaupten, das Gesetz würde Hongkongs Unabhängigkeit bedrohen und die Auslieferungen könnten dazu dienen, Kritiker Chinas zum Schweigen zu bringen. Millionen Menschen beteiligen sich daraufhin an friedlichen Protestmärschen.
12. JUNI 2019: Eine geplante zweite Lesung des Auslieferungsgesetzes wird vertagt, als gewaltsame Proteste ausbrechen und Demonstranten Straßen blockieren und das Parlament stürmen. Polizisten schlagen mit Tränengas, Pfefferspray und Gummigeschossen zurück. 80 Menschen werden verletzt. Regierungsvertreter in China und Hongkong bezeichnen die Auseinandersetzungen als „Krawalle“ (engl. „riots“) – die Demonstranten verlangen, dass diese Behauptungen zurückgenommen werden. Sie ändern ihre Taktik und veranstalten spontane Demonstrationen vor Regierungsgebäuden und in den äußeren Bereichen der Neuen Territorien.
AUGUST 2019: In ganz Hongkong kommt es zu Demonstrationen und Kämpfen zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Protestierenden besetzen den Flughafen und stoßen vor Regierungsgebäuden und in Geschäftsbezirken mit der Polizei zusammen. Hunderte Menschen werden festgenommen und China droht damit, hart durchzugreifen. Die Demonstranten verkünden ihre Forderungen: Der Entwurf für das Auslieferungsgesetz soll zurückgezogen werden; es soll eine unabhängige Untersuchungskommission geben, die prüft, ob die Hongkonger Polizei rechtmäßig vorgegangen ist; die Charakterisierung der Proteste als „Krawalle“ soll zurückgenommen werden; die festgenommenen Demonstranten sollen freigelassen werden; es soll ein allgemeines Wahlrecht für alle politischen Ämter gelten.

Der Artikel wurde ursprünglich in englischer Sprache auf NationalGeographic.com veröffentlicht.

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