Böse Trolle und Glücksspinnen: Eine Weltreise durch Weihnachtsbräuche

Geschmückte Tannenbäume, Christkind und Nikolaus – in Deutschland gehören sie zur Weihnachtszeit wie Spekulatius und Gänsebraten. Doch wo man hinschaut in der Welt, gibt es andere Traditionen.

Von Simon Ingram
Veröffentlicht am 18. Dez. 2020, 14:02 MEZ
“Parol” heißen diese Laternen, ohne die Weihnachten auf den Philippinen heute undenkbar wäre. Ursprünglich wurden sie ...

“Parol” heißen diese Laternen, ohne die Weihnachten auf den Philippinen heute undenkbar wäre. Ursprünglich wurden sie aus Bambus und Papier gefertigt, heute gibt es zahlreiche Varianten – wie hier in einem Laden in Antipolo City, 18 Kilometer östlich von Manila. Erfunden wurden Parols von spanischen Siedlern im 16. Jahrhundert, sie ketten sich in eine lange Tradition der Laternenherstellung des Inselstaats.

Foto von Danilo Pinzon, Jr, Alamy

Jedes Kind glaubt an den Weihnachtsmann? Wohl kaum, und das hat nicht nur den Grund, dass nicht jedes Kind sich einen Bären aufbinden lassen will: Trotz Globalisierung haben sich die Weihnachtstraditionen in den verschiedenen Ländern der Welt bis heute gut gehalten. So gibt es, was weihnachtliche Bräuche betrifft, starke regionale Unterschiede.

Die einen Symbole wurzeln in religiösen Traditionen rund um das christliche Fest, andere sind relativ neue Erfindungen. Hier kommen nur ein paar der vielen Bräuche rund um den Globus. Frohe Weihnachten!

Der Nisse | Skandinavien

Diese Illustration des norwegischen Künstlers Julius Holck aus dem Jahr 1895 zeigt einen Nisse, der seinen Weihnachtsbrei gegessen hat. Weihnachtliche Dekorationen mit Nissen sind in skandinavischen Haushalten weit verbreitet.

Foto von Julius Holck, National Library Of Norway

Der Nisse, eine winzige, koboldartige Kreatur mit roter Mütze – in Schweden und Finnland auch als Tomte oder Tomtenisse bekannt – ist eine Art weihnachtlicher Hauself oder Geist. In der skandinavischen Mythologie hatte der Nisse magische Kräfte und bewachte ein Haus samt seiner Bewohner vor bösen Geistern und hielt Unglück fern – aber nur, wenn er mit Respekt behandelt wurde.

Damit der Nisse allen im Haus freundlich gesinnt ist, bekommt er an Heiligabend traditionell Geschenke und eine Opfergabe: warmen Brei. Wird dieser vergessen, droht Chaos: ein unzufriedener Nisse, so heißt es, macht Unfug mit Tieren oder Haushaltsgegenstände. Nisse-Puppen sind heute eine weitverbreitete Weihnachtsdekoration – oft werden sie als kräftiger Mann mit Bart, Clogs und roter Zipfelmütze dargestellt.

Parols | Philippinen

BELIEBT

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    Eigentlich stand der Parol einfach für den Weihnachtstern – der Name wurde vom Spanischen „farol” (Laterne) abgeleitet. Über die Jahrhunderte hat er noch eine weitere Symbolik hinzugewonnen: er steht für das Licht, das über die Dunkelheit siegt.

    Foto von Imagegallery2, Alamy

    Auf den Philippinen ist Weihnachten ein im wahrsten Sinne des Wortes strahlendes Fest: Die Weihnachtslaternen, Parol genannt, leuchten im ganzen Land in bunten Farben. Traditionell werden sie aus Bambus und Papier gefertigt, ihre Sternenform symbolisiert den Stern von Bethlehem.

    An Weihnachten sind die Sternen-Laternen auf den Philippinen und in philippinischen Gemeinden auf der ganzen Welt omnipräsent – und ein zentraler Bestandteil von Simbang Gabi, einer neuntägigen Prozession, die in der Mitternachtsmesse am Heiligabend gipfelt. Die Parol ist in Disneys Weihnachtsvideo 2020 zu sehen:

    (Walt Disney ist Mehrheitseigner von National Geographic Partners.)

    13 Weihnachtsmänner | Island

    In Deutschland warten die Kinder auf den Nikolaus, in Island auf die Jólasveinar: 13 Nächte vor Weihnachten stellen sie einen Schuh auf die Fensterbank. Jede Nacht bis Heiligabend wird er gefüllt: Die Kinder, die lieb waren, bekommen Süßigkeiten, die frechen eine Kartoffel.

    Foto von Simon Ingram

    Ein guter Anreiz für Kinder, sich gut zu benehmen, sind in Island die Jólasveinar (auf Deutsch Weihnachtstrolle), schelmische Fantasiekreaturen und vergleichbar mit dem Weihnachtsmann – nur eben in 13-facher Ausführung. Im Dezember sollen sie laut volkstümlicher Überlieferung aus den Bergen in die Städte kommen und dort ihr Unwesen treiben – und auch Geschenke bringen.

    Die 13 Trolle, die der Geschichte nach Brüder sind, haben die unterschiedlichsten Charaktere, sind jedoch meist deutlich furchteinflößender als das Christkind. So knallen sie Türen zu, stehlen Würstchen, rülpsen, brechen in Häuser ein und schauen Mädchen unter die Röcke. In den 13 Tagen vor Weihnachten stellen die isländischen Kinder jede Nacht einen Schuh auf die Fensterbank, der jeweilige Weihnachtstroll füllt ihn – je nach Benehmen am Vortag – mit Süßem oder einer Kartoffel.

    Weihnachtsoblaten | Polen

    Das Essen der Weihnachtsoblate – Oplatek - ist in Polen der traditionelle Start des Abendessens an Heiligabend. Sie wird, ähnlich des christlichen Brotbrechens, zerteilt und mit Danksagungen und guten Wünschen verteilt.

    Foto von Joanna Dorota, Alamy

    Die Weihnachtsoblate oder Oplatek kommt aus der katholischen Kultur Polens. Sie ist ein Gebäck aus ungesäuertem Brot, das das Ende des Advents symbolisieren soll.

    Das Gebäck hat ungefähr die Größe und Form einer Spielkarte, meistens sind Bilder von Maria, Jesus und Engeln darauf geprägt. Gegessen wird die Oplatek traditionell an Heiligabend: jedes Familienmitglied bricht sich vor dem Abendessen ein Stück ab, man wünscht sich Glück und spricht gute Vorsätze aus.

    Stechpalme | Vereintes Königreich, Nordamerika

    Ganz einig ist man sich unter Christen mit der Stechpalme nicht: Für die einen steht sie für Weihnachten, für die anderen für Ostern. Sicher ist: Dank ihrer roten Beeren, die in den dunklen Monaten des Jahres so stark leuchten wie kaum eine andere Pflanze, wurde sie schon vor Jahrhunderten mit Fruchtbarkeit und ewigem Leben assoziiert.

    Foto von Steve Bidmead, Pixabay

    Schon in der keltischen Mythologie trug die Stechpalme eine besondere Rolle: Da die Pflanze das ganze Jahr hinweg grün ist, wurde sie mit ewigem Leben und Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Sie wurde zum Symbol des Winters – als Gegenstück zur Eiche im Sommer. Heute ist die Stechpalme auch im Christentum wichtig. Aber obwohl sie für viele für Weihnachten steht, hat sie in Bezug auf den Glauben eigentlich mehr mit Ostern zu tun: Die spitzen Stacheln der Blätter symbolisieren die Dornenkrone Christi, die roten Beeren sein Blut und Leiden.

    Dass die Stechpalme überhaupt zum weihnachtlichen Symbol wurde, hat wahrscheinlich zwei Gründe: Weil sie das ganze Jahr hindurch Grün ist, sind ihre Zweige der ideale Schmuck für Decken und Türen. Das machte die Pflanze auch bei den alten Römern und Kelten zur beliebten Dekoration an Winterfesten wie Saturnalien. Die Verbindung mit Jesus Christus kommt wohl daher, dass die Feierlichkeiten zu seinen Ehren immer zur gleichen Jahreszeit, also im Winter, abgehalten wurden.

    Weihnachtsstern | Mittel- und Nord-Amerika

    Der Weihnachtsstern ist durch seine rote Färbung eine der meistgekauften Topfpflanzen während der Weihnachtszeit.  Ursprünglich kommt sie aus Mittelamerika, dort wächst sie auch in vielen anderen Farben.  

    Foto von Gerhard G., Pixabay

    Es gibt ein mexikanisches Weihnachtsmärchen, das von einem jungen Mädchen erzählt. Es kann sich keine Blumen leisten und legt so Unkraut als Weihnachtsgabe auf einen Kirchenaltar. Dieses Unkraut blühte in leuchtenden Farben auf, und bei den sogenannten Flores de Noche Buena - Blüten der Heiligen Nacht - handelte es sich wahrscheinlich um Euphorbia pulcherrima, eine in Mexiko und Guatemala beheimatete Pflanze, die mitten im Winter blüht – hier bekannt als Weihnachtsstern.

    Dass der Weihnachtsstern heute nicht nur in Deutschland, sondern auch in den USA und Kanada einer der beliebtesten Weihnachts-Topfpflanzen überhaupt ist, hat er jedoch nicht seinen Blüten, sondern den oft rotgefärbten Hochblättern zu verdanken. In Amerika heißt der Weihnachtsstern übrigens Poinsettia – und ist benannt nach dem Arzt und Diplomaten Joel Poinsett, der erste US-Minister in Mexiko. Als er die auffällige Pflanze bemerkte, schickte er Proben nach Hause – wo diese seinen Namen bekam und bis heute behalten haben.

    Spinnennetze | Ukraine

    Die in der Ukraine Weihnachtsspinnengeschichte besagt, dass eine Spinne einer alten Witwe den Baum verzierte – so sollen künstliche Netze im Christbaum heute Glück bringen.

    Foto von Nic Hamilton Photographic, Alamy

    In Osteuropa – vor allem in der Ukraine – dürfen Spinnennetze am Weihnachtbaum nicht fehlen: Sie sollen Glück bringen.

    Tatsächlich ist die Geschichte der Weihnachtsspinne, die ihr Netz über den Baum einer alten Frau spann, weil diese sich richtigen Schmuck nicht leisten konnte, so etwas wie die Entstehungsgeschichte von Lametta: Am Morgen, so sagt es das Märchen, als das Sonnenlicht auf das Netz fiel, verwandelte es sich in pures Gold.

    Fichte mit Federschmuck: Im New Yorker Rockefeller-Weihnachtsbaum versteckte sich eine Eule

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