Immaterielles Kulturerbe der UNESCO: Fünf neue Einträge für deutsche Traditionen

Seit 2003 würdigt die UNESCO lebendige kulturelle Traditionen, die vom Menschen und seiner Kreativität getragen werden. Nun kommen in Deutschland fünf weitere hinzu – darunter die handwerkliche Apfelweinkultur.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 11. März 2022, 14:03 MEZ
Neueintrag im Register des Immateriellen Kulturerbes: Für seine Apfelweinkultur ist unter anderem auch Frankfurt bekannt.

Neueintrag im Register des Immateriellen Kulturerbes: Für seine Apfelweinkultur ist unter anderem auch Frankfurt bekannt.

Foto von Holger Ullmann / visitfrankfurt

Weinkultur, Kneippen oder Skat spielen – die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland umfasst ein breites Spektrum an gemeinschaftlichen Traditionen. Seit dem 9. März 2022 gibt es fünf Neueinträge bei der UNESCO: die handwerkliche Apfelweinkultur, das Brieftaubenwesen, die Trakehner Pferdezucht und der Willibaldsritt in Jesenwang. Zusätzlich wurde das Pflasterer- und Steinsetzer-Handwerk als Modellprogramm für den Erhalt des Immateriellen Kulturerbes gewürdigt.

Somit erweitert sich die Liste des Immateriellen Kulturerbes in Deutschland auf 131 Einträge lebendiger Traditionen, die laut der UNESCO-Kommission die Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland widerspiegeln. „Deutschland ist geprägt von einer reichen Kulturlandschaft. Ihre Heterogenität zeigt sich im Bundesweiten Verzeichnis, das die unterschiedlichen Facetten kultureller Ausdrucksformen abbildet“, sagt Isabel Pfeiffer-Poensgen, Nordrhein-Westfalens Kulturministerin und Vorsitzende der Kulturministerkonferenz.

Was ist das Immaterielle Kulturerbe?

Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken – zum immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen, die Kreativität ausdrücken und von menschlichem Wissen und Können getragen werden. „Das Immaterielle Kulturerbe vermittelt Kontinuität und Identität, prägt das gesellschaftliche Zusammenleben und leistet einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung“, so die UNESCO.

Beliebt sind Stadttauben bei vielen Menschen nicht. Fütterungsverbote sind dennoch rechtswidrig – laut eines neuen Gutachtens.

Seit 2003 sind der Schutz, die Dokumentation und der Erhalt solcher Traditionen sowie ihre Weiterentwicklung durch das UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes gesichert. Weltweit verzeichnet die UNESCO seither über 580 Einträge auf insgesamt drei Listen – darunter 131 Einträge aus Deutschland.

Die kürzeste Liste ist das UNESCO-Register guter Praxisbeispiele, das Modellprojekte listet, die Immaterielles Kulturerbe fördern und mit innovativen Methoden erhalten. Darunter fällt auch das in diesem Jahr aufgenommene deutsche Pflasterer- und Steinsetzer-Handwerk, welches sich laut UNESCO „kontinuierlich an technische Entwicklungen anpasst und insbesondere den Städtebau in Deutschland prägt.“

Neben dem Eintrag des Modellprojekts gab es vier weitere Neueinträge, die in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurden:

Die handwerkliche Apfelweinkultur

Die Apfelweinkultur in Deutschland ist vor allem in den Bundesländern Hessen, Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz verbreitet. In das Register aufgenommen wurde sie in diesem Jahr, weil die Tradition vor allem von Familien, Vereinen und Keltergemeinschaften getragen wird, die ihr eigenes Obst anbauen und ihr Wissen über Generationen hinweg weitergeben und weitergegeben haben. „Ein wichtiger Teil der handwerklichen Apfelweinkultur ist für viele Menschen das Gemeinschaftserlebnis“, so die UNESCO.

Die UNESCO hebt zusätzlich die durch die Apfelweinkultur entstandenen landschaftsprägende Streuobstwiesen hervor sowie die Fertigkeiten um die Obstbaumpflege und den Beitrag der Verbände und Vereine zum Sortenerhalt.

BELIEBT

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    Trakehner Jahressiegerstute Belle Fleur mit Medaille.

    Die Trakehner Jahressiegerstute aus dem Jahr 2018: Belle Fleur von E.H. Millennium u.d. Belle Rouge v. E.H. Le Rouge. 

    Foto von Stefan Lafrentz / Trakehner Verband

    Die Trakehner Zucht

    Die Trakehner Pferde, benannt nach einem der fünf Hauptgestüte Preußens, sind eine traditionelle Reitpferdeart, die bis heute in allen Reitdisziplinen vertreten ist. Das Trakehner Pferd gilt als besonders sensibel und wird deshalb häufig auch im therapeutischen Reiten und im Para-Reitsport eingesetzt.

    Nach Angaben der UNESCO erhalten die Zuchtvereine die Tradition durch jährliche Veranstaltungen wie Märkte und Turniere und durch Förderprogramme für junge Reitende: „Die niedrigschwellige Teilnahme garantiert einen Zugang verschiedener Bevölkerungsschichten.“ Außerdem bestünde die Züchterschaft hauptsächlich aus privaten Züchterinnen und Züchtern, die keine kommerzielle Zucht betreiben.

    Das Brieftaubenwesen

    Die im 19. Jahrhundert entwickelte Praxis, Tauben als Nachrichtenüberbringer einzusetzen, ist heute hauptsächlich ein Hobby. Dennoch gab es zur Hochzeit des Brieftaubenwesens über 100.000 Brieftaubenzüchter und -züchterinnen. Heute sind es  noch etwa 28.000.

    Die UNESCO hebt im Zusammenhang mit dem Brieftaubenwesen hervor, dass der Verband heutzutage nicht nur veterinärmedizinische Grundlagenforschung betreibt, sondern auch Taubenkliniken fördert. „Bei der Weitergabe von Wissen und Können im Brieftaubenwesen geht es um das Zusammenleben von Mensch und Tier sowie das Wissen um das Verhalten, die Biologie und artgerechte Lebensweisen der Tauben“, heißt es. 

    Der Willibaldsritt in Jesenwang

    Als im Jahr 1712 eine Tierseuche die Jesenwanger Bauern heimsuchte, beteten sie zum heiligen Willibald, die Tiere der Region zu verschonen. Der Sage nach hatten die Bauern damit Erfolg – und die Tradition des jährlichen Ritts durch die Kirche St. Willibald zu Ehren des heiligen Willibalds war geboren.

    Heute nehmen jährlich bis zu 300 Reiterinnen und Reiter mit ihrem Gespann an der Wallfahrt, die um den 7. Juli stattfindet, teil. „Die Organisation des Willibaldritts wird insbesondere von lokal ansässigen Familien geprägt. Diese vermitteln das spezifische Wissen und Können auch an die jüngeren Generationen“, so die UNESCO.

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