Geheime Briefe von Maria Stuart entschlüsselt
Bevor sie hingerichtet wurde, schrieb die schottische Königin Maria I. in Gefangenschaft zahlreiche geheime Briefe. Ein Forschungsteam hat nun 57 bislang unbekannte Botschaften der Monarchin entdeckt – und ihren Inhalt entschlüsselt.
1568 wurde Maria Stuart wegen Hochverrats von ihrer Cousine Königin Elisabeth I. gefangen genommen. Hingerichtet wurde sie am 8. Februar 1587 im Alter von 44 Jahren.
Ein internationales Forschungsteam hat 57 bislang unbekannte Briefe der schottischen Königin Maria I. entdeckt und entschlüsselt. Die Briefe sind in Geheimschrift geschrieben und tauchten in der Bibliothèque nationale de France in Paris auf. Sie enthalten Informationen zu den Haftbedingungen, denen Maria I. in den Jahren zwischen 1578 und 1584 ausgesetzt war, sowie ihre Korrespondenzen mit Verbündeten.
Entschlüsselt wurden die Botschaften unter der Leitung von George Lasry, einem israelischen Computerexperten und Kryptografen. Laut ihm sind die Briefe hauptsächlich an den französischen Diplomat Michel de Castelnau gerichtet, mit dem Maria I. einen regen Austausch pflegte. Vor allem der Umfang der Briefe sei aber eine Sensation. „Zusammen bilden die Briefe eine ausführliche Sammlung neuen Primärmaterials über Maria Stuart – insgesamt etwa 50.000 Wörter, die ein neues Licht auf einige ihrer Jahre der Gefangenschaft in England werfen“, sagt er. Die Analyse der Briefe veröffentlichten er und seine Kollegen im Fachmagazin Cryptologia.
“Diese Entdeckung ist eine literarische und historische Sensation. Es ist der wichtigste neue Fund über Mary, Queen of Scots, seit 100 Jahren. ”
Mary Stuart: 19 Jahre in Gefangenschaft
Vor ihrer Enthauptung im Jahr 1587, veranlasst durch Elisabeth I., befand sich Maria I, auch als Mary, Queen of Scots oder Maria Stuart bekannt, 19 Jahre lang in Gefangenschaft. Dass sie zu dieser Zeit einen regen Austausch mit einigen engen Verbündeten pflegte, ist bereits durch unzählige archivierte Briefe bekannt. „Es gab jedoch schon früher Hinweise darauf, dass Briefe von Maria Stuart in diesen Sammlungen fehlten“, sagt Lasry.
Die nun entdeckten Schriftstücke offenbaren die Gedanken der Königin gegen Ende ihrer Gefangenschaft – drei Jahre nach dem letzten der nun aufgetauchten Briefe wurde Maria I. hingerichtet. Ganze 54 der 57 Briefe richteten sich an Michel de Castelnau, der sich zu jener Zeit als französischer Botschafter in London aufhielt und einer ihrer engsten Vertrauten war. Durch ihn konnte die Monarchin ihr Netzwerk von Partnern und Verbündeten, vor allem in Frankreich, aufrechterhalten.
Inhaltlich geht es in den Briefen einerseits um die schwierigen Haftbedingungen, denen Maria Stuart ausgesetzt war, andererseits beinhalten sie aber auch ihre Meinungen zu verschiedenen politischen Figuren wie dem Earl of Leicester, einem Verbündeten von Elisabeth I., von dem sie nur wenig hielt. Auch ihre Reaktion auf die Entführung ihres Sohnes James ist in den Briefen festgehalten. „ Maria ist verzweifelt [...] und äußert ihr Gefühl, dass sie und ihr Sohn von Frankreich im Stich gelassen wurden“, heißt es in der Studie.
Ein Jahrhundertealter Chiffrierschlüssel
Bei der Auflistung der einzelnen Symbole aus dem Briefen kamen 219 verschiedene grafische Symboltypen zusammen.
Um die Briefe zu entschlüsseln, listeten die Forscher zunächst die einzelnen Symbole aus den Briefen auf. Auf Grundlage dieser Daten nutzten sie dann „computergestützte Codebreaking-Techniken sowie manuelle Text- und Kontextanalysen“, um zunächst einzelne Worte und Satzteile der Briefe zu entschlüsseln. „Schließlich gelang es uns, den Chiffrierschlüssel zu finden und alle Briefe zu entziffern“, schreibt das Team.
John Guy, Historiker und Tudor-Experte, nennt den Fund eine literarische und historische Sensation. „Es ist der wichtigste neue Fund über Mary, Queen of Scots, seit 100 Jahren“, sagt er. Lasry und seine Kollegen hoffen nun darauf, dass weitere Analysen der Briefe mehr über die Gefangenschaft der bekannten Monarchin preisgeben: „Wir hoffen, dass Historiker, die über das entsprechende Fachwissen verfügen, nun einen Anreiz haben, den Inhalt der Briefe eingehend zu analysieren.“