Einzigartiger Kamm aus der Eisenzeit gefunden
Es ist ein wahrer Sensationsfund: Archäologen haben in Cambridgeshire einen 2.000 Jahre alten Kamm aus einem menschlichen Schädelknochen entdeckt. Zum Haarstyling wurde er allerdings nicht verwendet.
An dem etwa 2.000 Jahre alten Kamm sind sogar noch die Zinken zu erkennen.
In prähistorischen Zeiten war der Umgang mit toten Körpern ein anderer als heute. So war es nicht unüblich, menschliche Knochen wiederzuverwerten und daraus beispielsweise Schmuck oder Werkzeuge herzustellen – eine Praxis, die auch in der britischen Eisenzeit von etwa 800 v. Chr. bis ins erste Jahrhundert n. Chr. geläufig war.
Forschende des Museum of London Archaeology (MOLA) sind nun auf ein solches Objekt gestoßen: den Teil eines Kamms, der vor etwa 2.000 Jahren aus einem menschlichen Schädelknochen gefertigt wurde. Er ist einer von bisher nur drei in England entdeckten Artefakten dieser Art – und erlaubt einen seltenen Blick in das Leben der Menschen im eisenzeitlichen England.
Rekonstruktion des vollständigen Kamms. Die Forschenden vermuten, dass das Artefakt oben in der Mitte mit einem kreisrunden Loch versehen war.
Besondere Tradition in der Region
Bereits vor einigen Jahren fand in Cambridgeshire, England, eine groß angelegte Ausgrabungsreihe statt. Bei diesen Rettungsgrabungen in Vorbereitung auf den Bau einer neuen Autobahn wurden etliche Artefakte zutage gefördert. Erst aktuelle Untersuchungen unter der Leitung von Michael Marshall, Archäologe am MOLA, konnten jetzt klären, dass es sich bei einem der Artefakte, die damals freigelegt wurden, um einen Kamm aus Schädelknochen handelt. Aufgrund seines Fundortes nahe dem Ort Bar Hill wurde ihm der Name Bar Hill Comb gegeben.
Marshall erklärt, dass auch die zwei bereits bekannten Kämme aus Schädelknochen aus der Gegend um Cambridge stammen. „Es ist möglich, dass dieser faszinierende Fund eine Tradition aufdeckt, die von eisenzeitlichen Gemeinschaften ausgeübt wurde, die nur auf dem Gebiet von Cambridgeshire lebten“, sagt er. Die Praxis, Kämme aus Schädelknochen herzustellen, könnte also spezifisch für die Region gewesen sein.
Wozu wurde der Knochenkamm genutzt?
Doch warum und zu welchem Zweck wurde der Kamm angefertigt? Die Archäologen des MOLA vermuten, dass er nicht zur Haarpflege benutzt wurde, weil an den Zinken des Kamms keine Gebrauchsspuren zu erkennen sind. Ihnen zufolge könnte es sich bei dem Gegenstand um eine Art Talisman gehandelt haben. „Der Bar Hill Comb könnte für die Mitglieder der örtlichen Gemeinschaft ein sehr symbolträchtiges und mächtiges Objekt gewesen sein”, sagt Marshall. Dafür, dass der Kamm von jemandem um den Hals getragen wurde, spreche auch das Loch, das die Forschenden in der Mitte des vollständigen Kamms vermuten.
Der Schädel, aus dem der Kamm gefertigt wurde, könnte deshalb möglicherweise einst einer einflussreichen Person der Gruppe gehört haben. „Das Ansehen dieser Person könnte durch seine Knochen bewahrt und gewürdigt worden sein“, so Marshall.
Er hofft, dass die insgesamt 280.000 Artefakte, die im Rahmen der Ausgrabungsreihe gefunden wurden, weitere Erkenntnisse über das Leben und die eisenzeitlichen Gesellschaften dieser Region bringen werden. Vielleicht ist unter ihnen ja sogar noch ein weiterer Knochenkamm.