Opiumkrieg im 19. Jahrhundert: Als die Briten mit einer Droge China zerstörten

1842 zwang Großbritannien China, seine Häfen für den Opiumhandel zu öffnen – und nahm Hongkong in Besitz. Der Krieg, der dem vorausging, war der Auftakt einer langen und schmerzhaften Niederwerfung des Reichs der Mitte.

Von José Antonio Cantón Álvarez
Veröffentlicht am 13. März 2023, 10:49 MEZ
Angriff der HMS Nemesis

Die HMS Nemesis, die erste eiserne Raddampferfregatte der Geschichte (rechts), schießt auf chinesische Dschunken bei Hongkong, 1841.

Foto von E. Duncan

Am 1. Oktober 1949 rief Mao Zedong auf dem Platz des Himmlischen Friedens die Volksrepublik China aus und beendete damit das, was chinesische Intellektuelle das „Jahrhundert der Demütigung“ nannten. Chinas Innen- und Außenpolitik war den Interessen des westlichen und ausländischen Interventionismus unterworfen gewesen, bis der Erste Opiumkrieg (1839–1842) seinen Eintritt in die moderne Welt erzwang und das Ende der kaiserlichen Ära einläutete. Dieser Krieg wurde zum eklatantesten Beispiel für die Stagnation eines asiatischen Staates, der, obwohl reich und mächtig, einer westlichen Macht nicht standhalten konnte. Der Krieg entlarvte China als zahnlosen Drachen, der dem technologischen Fortschritt des Westens wenig entgegenzusetzen hatte, wovon andere europäische Länder und sogar Japan profitieren würden. Die billige Mischung mit Tabak Opium kam erstmals im 15. Jahrhundert, während der Ming-Dynastie, aus Indien und Südostasien nach China. Das Medikament war zu einem festen Bestandteil der traditionellen chinesischen Medizin geworden. Doch da es sich um eine sehr exotische und teure Substanz handelte, wurde es nur sehr selten verwendet. 

Der Freizeitkonsum von Opium wurde in Teilen Südchinas erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts populär, zur gleichen Zeit, als der Tabak ins Land kam. Die Praxis des kombinierten Rauchens beider Substanzen verbreitete sich von Java aus, wo Opium zu einer als Madak bekannten Substanz verflüssigt wurde. In bestimmten Regionen Chinas wie etwa auf der Insel Taiwan und in den Küstenprovinzen Fujian und Guangdong, die beide der Insel Taiwan vorgelagert sind, nahm der Konsum dermaßen zu, dass die örtlichen Gouverneure 1729 ein Edikt veröffentlichten, mit dem Kaiser Yongzheng den Opiumkonsum im gesamten Reich verbot. Dies verhinderte jedoch nicht den Schmuggel von Opium aus Übersee; tatsächlich nahm er während des gesamten 18. Jahrhunderts weiter zu, wenn auch in geringem Umfang. Der Schmuggel schuf einen Kreislauf, an dem Händler aus allen europäischen Ländern beteiligt waren: Von Bengalen aus gelangte das Opium über die portugiesische Enklave Macao nach China und erreichte so Kanton, den größten Handelshafen und für den Westen das wichtigste Tor zum Reich der Mitte. Jahrzehntelang wurde das Opium mit Duldung der dortigen korrupten Gouverneure angelandet, die die europäischen Schiffe an ihren Küsten selten kontrollierten. 

Opiumhandel: Gesteuert durch die East India Company

Diese Situation änderte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts dramatisch, als der Opiumhandel mit China zu einer der wichtigsten Handelsprioritäten des britischen Empire und insbesondere seiner größten Handelsorganisation in Asien, der East India Company, geworden war. Nach der Eroberung Bengalens und den Kriegen gegen das französische Kaiserreich um die Kontrolle des indischen Subkontinents waren die Finanzen der Company schwer angeschlagen, und 1793 traf der britische Kolonialbeamte Lord George Macartney in Peking ein, um mit dem Qianlong-Kaiser über die Öffnung des Handels in China zu reden. Bei sich hatte er technische Erfindungen wie Uhren, Fernrohre und Waffen, die er dem Kaiser als mögliche Handelswaren präsentierte und die dieser als „nutzlosen Schnickschnack“ abtat. Im Lauf der Jahrzehnte erkannten die Vertreter der Company in Bengalen, dass ihr Opiummonopol durch den zunehmenden Schmuggel nach China in Gefahr geriet. Immer mehr europäische Händler versuchten, die britischen Kontrollen in Bengalen zu umgehen, um die Droge billiger einzukaufen und dann mit höherem Gewinn in China wieder abzustoßen. Die Company lenkte ein und liberalisierte das System, was tatsächlich zu besseren Verkaufsergebnissen führte – allerdings auch zu einem exponentiellen Anstieg des Opiumkonsums in China. 

Innerhalb weniger Jahre gelang es der Gesellschaft, das Ungleichgewicht im Handel mit dem Qing-Reich auszugleichen. Die riesigen Reserven an Silber, das China für seine Exportwaren angehäuft hatte, begannen zu schrumpfen. Zusammen mit anderen Problemen, etwa der zunehmenden Korruption des politischen Systems, führte dies zu einem schmerzhaften Abschwung der chinesischen Wirtschaft, der die kaiserlichen Behörden dazu zwang, das Opiumproblem direkter anzugehen. 1838 beauftragte Kaiser Daoguang den damaligen Gouverneur der Provinzen Hunan und Hubei, Lin Zexu, einen der eifrigsten Befürworter eines Verbots des Opiumkonsums in China, mit der Untersuchung der Situation in Kanton. 

Die Konsum von Opium hatte noch Mitte des 20. Jahrhunderts massive Auswirkungen auf die Bevölkerung Chinas. 1945 gab es dort circa 40 Millionen Opiumsüchtige. Im Bild: eine Opiumhöhle in der China Town des indischen Kolkata 1945.

Foto von Clyde Waddell

England wollte keinen Frieden 

Das Bild, das Lin im Hafen von Kanton vorfand, war alarmierend: Das gesamte offizielle Zollsystem war in den Opiumschmuggel verwickelt. Die Handelsvertreter des Vereinigten Königreichs weigerten sich, ihre Opiumlieferungen zu übergeben. Lin schickte sogar einen Brief an die junge Königin Victoria, in dem er sie darum ersuchte, den Opiumhandel mit China zu verbieten, aber seine Bitte wurde ignoriert. Schließlich musste er zu drastischen Mitteln greifen. Er veranlasste eine Säuberung des Zollwesens, ließ das Viertel, in dem sich die Delegationen der westlichen Handelsgesellschaften befanden, belagern und beschlagnahmte 20300 mit Opium beladene Kisten, die er am Strand von Humen verbrennen ließ. Obwohl dies als Ursache des Konflikts dargestellt wurde, waren die Briten in Wahrheit nie zu einer diplomatischen Lösung bereit. 

Das wiederum führte zu mehreren Vorfällen, die die Situation weiter verschärften. Als beispielsweise britische Kaufleute einen einheimischen Bauern töteten, weigerten sich die britischen Behörden in Kanton, die Schuldigen an ihre chinesischen Kollegen auszuliefern, damit sie nach lokalem Recht verurteilt werden konnten. Dies verärgerte Lin so sehr, dass er den Verkauf von Versorgungsgütern an britische Schiffe im Perlflussdelta, in dem sich Kanton befindet, verbot. Die Briten unter der Führung des Navy-Offiziers Charles Elliot versuchten daraufhin, Häfen wie Kowloon, das heute zu Hongkong gehört, zu zwingen, Nachschub an britische Schiffe zu liefern. Nachdem dies nicht gelang, ordnete Elliot an, alle britischen Handelsschiffe im Hafen von Kanton zu blockieren – was wiederum der Entscheidung der Qing-Behörden zuwiderlief, alle britischen Schiffe, die kein Opium transportierten, aufzunehmen. Lin Zexu ließ die Opiumhändler aus Kanton vertreiben und deren Vorräte zerstören. Dieser Streit führte am 4. September zur Schlacht von Kowloon, der ersten Schlacht des Opiumkriegs, die mehr oder weniger unentschieden endete.

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    Foto von National Geographic

    Die nächsten drei Jahre würde der Opiumkrieg circa 20.000 Todesopfer fordern. In Folge des Krieges würde China ein Jahrhundert lang zum Spielball ausländischer Mächte werden. Lesen Sie in National Geographic History Nr. 8 mehr über den Krieg und die katastrophalen Auswirkungen des Drogenhandels. Verpassen Sie keine Ausgabe mehr: Sichern Sie sich jetzt das Jahresabo!

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