Könige, Beamte und heilige Tiere: Die Mumien der ägyptischen Totenstadt Sakkara
Neben den Pyramiden von Gizeh und dem Tal der Könige ist Sakkara eine der wichtigsten Ausgrabungsstätten Ägyptens. Warum die Totenstadt für das Alte Ägypten so bedeutend war, erklärt Ägyptologe Dr. Stefan Baumann.
Sakkara ist eine Nekropolregion aus dem Alten Ägypten, die in ihrem Umfang einzigartig ist.
Etwa 20 Kilometer südlich von Kairo und 15 Kilometer von den Pyramiden von Gizeh entfernt liegt Sakkara – eine der wichtigsten Nekropolen des Alten Ägyptens. Vermutlich wurde sie nach dem Totengott Sakor benannt. Sakkara ist eine der bedeutsamsten Ausgrabungsstätten Ägyptens – und das nicht nur aus heutiger, wissenschaftlicher Sicht: Auch zur damaligen Zeit war die Totenstadt bereits ein ganz besonderer Ort.
„Sakkara ist quasi ein riesiges Friedhofs-Areal“, erklärt Dr. Stefan Baumann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ägyptologie der Universität Trier. Konkret handelt sich bei Sakkara um den Friedhof der Stadt Memphis, frühere Hauptstadt Ägyptens und späteres militärisches Zentrum des Landes. Auf rund sieben Quadratkilometern erstreckt sich die Nekropolregion, die in ihrem Umfang einzigartig ist. Doch Sakkara beherbergt noch viele weitere Besonderheiten.
Djoser Pyramide: Die erste Pyramide Ägyptens
Etwa im Jahr 2650 vor Christus, also vor mehr als 4600 Jahren, wurde in Sakkara die erste Pyramide Ägyptens gebaut: Die Stufenpyramide von König Djoser (3. Dynastie), die heute als ältester monumentaler Steinbau Ägyptens gilt. „Das war für die Ägypter damals schon etwas Besonderes. Deshalb ist Sakkara ein ganz wichtiger Ort“, erklärt Stefan Baumann. Sakkara sei so nach und nach zu einem Zentrum, fast schon einem heiligen Ort geworden. Auch weitere Könige und Pharaonen, zum Beispiel die Pharaonen Unas und Teti, ließen hier kleinere Pyramidenanlagen bauen. „Und unter anderem ist dort auch die Pyramide, in der zum ersten Mal hieroglyphischer Text in einer Pyramide geschrieben wurde“, so Baumann.
Vielfältige Gräber in Sakkara über 3000 Jahre hinweg
Aus heutiger Sicht macht der unglaubliche Umfang und die Vielfalt von Sakkaras Gräbern die Region einzigartig. „Ungefähr 3000 Jahre lang war dieser Ort so bedeutend und hat seine Anziehungskraft nicht verloren, dass sich dort immer wieder die Elite hat bestatten lassen“, sagt der Ägyptologe. Die Geschichte Sakkaras beginnt im Alten Reich, in der Phase zwischen 2700 und 2200 vor Christus. Zu dieser Zeit wurden die großen Monumente – also die Stufenpyramide und die kleineren Königspyramiden – gebaut, die den Ort berühmt machten.
Im Neuen Reich – der Epoche von Tutenchamun, Ramses II und Co. – gab es eine weitere Phase, in der Sakkara eine wichtige Rolle spielte: Während der 18. und 19. Dynastie, vor allem in der Zeit zwischen 1500 und 1200 vor Christus, war Ägypten eine starke Imperialmacht und das Militär hatte eine große Bedeutung für das Reich. Da in Memphis die zentrale Verwaltung des Militärs lag, ließen sich hohe Militärbeamte in Sakkara bestatten. Für sie wurden große Tempelgräber errichtet, wie Baumann erklärt: „Die Gräber sehen Die Gräber sehen von der oberirdischen Struktur aus wie Tempel. Aber dann geht ein Schacht tief hinunter in die Erde und dort wurde dann der Leichnam bestattet.“
In der Spätzeit des Alten Ägyptens, in etwa zwischen 600 und 300 vor Christus, gab es eine weitere Phase, in der Sakkara besonders wichtig war: Nun ließen sich reiche Menschen in Schachtgräbern bestatten, wie Baumann erklärt: „Das sind senkrecht in den Fels geschlagene Schächte von teilweise 30 Metern Tiefe. Und da unten zweigen dann sehr fein ausgestattete Gräber ab. Das ist auch etwas relativ Besonderes für Ägypten, denn die hat man sonst nicht in dieser Qualität.“
Insgesamt gab es also drei Phasen, in denen die Totenstadt besonders bedeutsam für das Alte Ägypten war. Es könnte allerdings sein, dass noch weitere Phasen hinzukommen, wie Baumann erklärt: Da noch nicht alle Areale der Nekropole erschlossen wurden, könnten bei Grabungen in neuen Arealen weitere Epochen abgedeckt werden.
Ein Tierfriedhof der besonderen Art
Neben menschlichen Grabstätten gibt es in Sakkara auch einen richtigen Tierfriedhof: „Millionen von zum Beispiel Ibissen, Katzen oder Hunden wurden in unterirdischen Katakomben bestattet“, sagt Baumann. Besonders wichtig waren die heiligen Apis-Stiere: Stiere mit bestimmten Merkmalen, dazu zählte zum Beispiel schwarzes Fell mit bestimmten Flecken, galten als Inkarnation des Gottes Apis und wurden daher verehrt. Nach ihrem Tod wurden sie mumifiziert und in riesigen Sarkophagen aus Stein in unterirdischen Katakomben bestattet. „Das ist gigantisch“, sagt Stefan Baumann. Das Serapeum – so wird die Begräbnisstätte der Stiere bezeichnet – sei auch für Touristen einen Besuch wert, erzählt der Ägyptologe: „Es ist schon beeindruckend zu sehen, mit welcher Präzision diese Steinbrocken bearbeitet und in die Katakomben hinein bugsiert wurden“.
Der Eingang ins Serapeum.
Ein Friedhof der Elite?
Zunächst waren es Könige, dann die Militärelite und andere reiche Personen der Oberschicht: Von Anfang an wurden in Sakkara hoch angesehene Personen bestattet, sodass man die Nekropole auch als Elite-Friedhof bezeichnen könnte. „Fast überall wo man gräbt, findet man außergewöhnliche Dinge, weil eben die absolute Oberschicht sich dort hat bestatten lassen“, so der Ägyptologe.
Es gab allerdings auch immer wieder Phasen, in denen auch Personen mit einem relativ niedrigen sozialen Status „es geschafft haben, sich dort bestatten zu lassen“, sagt Baumann. Zu erkennen sei der soziale Status einer Mumie anhand der Größe des Grabes, der Qualität der Mumifizierung und die Menge und Art der Grabbeigaben. Erst Anfang des Jahres wurde zum Beispiel eine mit Blattgold verzierte Mumie in Sakkara gefunden: Sie ist 4300 Jahre alt und wurde in einem Sarkophag aus Kalkstein in 15 Meter Tiefe entdeckt. Die Mumie gehört zu den besterhaltenen Mumien außerhalb des Königsgeschlechts. Der mumifizierte Mann hieß Hekaschepes.
Die Größe des Grabes sagt ebenfalls viel über die darin bestattete Person aus. Sakkara hat diesbezüglich viele Gesichter: Einige Areale seien sehr weitläufig gewesen, erklärt Baumann. Dazu gehörten vor allem die Bereiche des Königsgeschlechts. Andere Areale waren hingegen sehr verschachtelt. Man habe „jeden Quadratmeter irgendwie versucht auszunutzen“, sagt er. Er besucht Sakkara in Zusammenarbeit mit der Universität Kairo selbst regelmäßig. Zuletzt war er im Areal der ehemaligen Militärelite tätig, im Tempelgrab eines Mannes namens Paser, der vor rund 3200 bis 3300 Jahren lebte. Anhand der Inschriften lassen sich viele Details seines Lebens rekonstruieren, erzählt Baumann: „Er war ein sehr hoher Militärbeamter, der in Memphis stationiert war und in seinem Verlauf so etwas Ähnliches wurde wie ein Außenminister, also Botschafter für alle fremden Länder unter Ramses II.“ Aufgrund der nicht-ägyptischen Namen leiteten die Archäologen ab, dass seine Frau aus der Levante stammte und Paser sie möglicherweise bei seiner Arbeit, also auf einer seiner Reisen, kennengelernt hat. „So setzt man einzelne Puzzleteile zusammen und versucht weitere Details zu entschlüsseln, indem man zum Beispiel noch weitere Monumente findet, die vielleicht von dieser Familie stammen“, so Baumann. Stück für Stück können die Wissenschaftler so Ägyptens Geschichte auf die Spur kommen. Auch in Zukunft wird Sakkara dafür ein wichtiger Ort bleiben.
Grab des Paser in Sakkara mit weiteren Gräbern der Militärelite und der Stufenpyramide von Djoser im Hintergrund.