Historischer Fund: Älteste befestigte Siedlung der Welt entdeckt

In Sibirien hat ein internationales Forschungsteam eine etwa 8.000 Jahre alte Festungsanlage entdeckt, die einst Jäger und Sammler errichteten. Der Fund könnte unser Verständnis davon verändern, wie sich erste komplexe Gesellschaften gebildet haben.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 13. Dez. 2023, 10:02 MEZ
Luftaufnahme einer Landschaft mit Wald und Freifläche.

Die befestigte Anlage befindet sich ganz nah an dem fischreichen Fluss Amnya.

Foto von Nikita Golovanov

Komplexe Gesellschaften mit befestigten Siedlungen sind für uns heute ganz normal. Doch nicht immer lebte der Mensch so. Erst vor etwa 12.000 Jahren begannen die Menschen mit der Etablierung des Ackerbaus langsam sesshaft zu werden, einige tausend Jahre später bauten sie Siedlungen und Städte auf und lebten in komplexen und größeren Gruppen zusammen. So die bisherige Theorie.

Eine neue Studie, die unter der Leitung eines Forschungsteams der Freien Universität (FU) Berlin durchgeführt wurde, zeigt nun jedoch: Nicht zwingend ging dem Aufbau fester Siedlungen die Landwirtschaft voran. Das machen die Forschenden am Fund eines 8.000 Jahre alten Befestigungswalls in Sibirien fest. Dieser wurde einst von Jägern und Sammlern errichtet – Hinweise auf Ackerbau und Viehzucht gibt es dort allerdings nicht.

Amnya: Eine der ältesten Siedlungen der Welt

Im Mittelpunkt der Forschungen steht die Ausgrabungsstätte Amnya I in der sibirischen Taiga. Dort wurde die Befestigungsanlage bereits bei vorangegangenen Ausgrabungen in den 1980er- und 1990er-Jahren ausgemacht. Das konkrete Alter der Konstruktion konnte aber erst jetzt im Rahmen der aktuellen Studie ausgemacht werden. Der Befestigungswall ist mit 8.000 Jahren der bislang älteste der Welt – ebenso die Siedlung, die die Jäger und Sammler damals aufbauten. 

Errichtet wurde sie wohl aufgrund des reichen Fischvorkommens, das der nahegelegene Fluss Amnya versprach. Außerdem ließen sich in der Region laut den Forschenden besonders gut Elche und Rentiere jagen. „Unsere neuen paläobotanischen und stratigraphischen Untersuchungen zeigen, dass die Bewohner Westsibiriens einen hoch entwickelten Lebensstil führten, der auf den reichhaltigen Ressourcen der Taiga basierte“, sagt Tanja Schreiber, Mitautorin der Studie und Archäologin am Institut für Prähistorische Archäologie der FU Berlin. Ackerbau und Viehzucht wurden hingegen nicht betrieben. Vielmehr legten sich die Menschen Vorräte in Form von Fischöl und Fleisch an, die in Tonkrügen aufbewahrt wurden.

Siedlungsbau ohne Landwirtschaft?

Die Ergebnisse der Untersuchungen zeigen deutlich, dass komplexe Siedlungen mit Verteidigungsanlagen nicht mit der Entstehung bäuerlicher Gesellschaften verbunden waren. Architektonische und defensive Fähigkeiten entwickelten die Taiga-Gesellschaften schon früh und fernab von landwirtschaftlichen Bemühungen. „Diese Erkenntnis verändert unser Verständnis der frühen menschlichen Gesellschaften“, sagt Henny Piezonka, Mitautorin der Studie und Professorin am Institut für Prähistorische Archäologie der FU Berlin.

Das bedeute auch einen Bruch mit der Annahme, dass es in Jäger-und Sammlergesellschaften außerhalb von Ackerbau und Viehzucht keine Auseinandersetzungen gab. Es gab offenbar „einen Wettbewerbscharakter, der sich aus der Lagerung von Ressourcen und der Zunahme der Bevölkerung ergab“, so Piezonka. Zusätzlich zeige die Studie, wie wichtig lokale Umweltbedingungen und Nahrungsvorkommen für die Entwicklung großer Gesellschaften waren.

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