Schicksale des Mittelalters: Was Knochen über unsere Geschichte verraten

Ein Projekt der Cambridge University hat die Skelette mittelalterlicher Menschen untersucht und von ihnen sogenannte Osteobiografien erstellt: Lebensgeschichten, die sich nach Jahrhunderten noch am Skelett ablesen lassen.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 7. Dez. 2023, 09:30 MEZ
Ein Mann liegt in einem Bett, Menschen stehen um das Bett herum von Menschen.

„Dickon“ – einer der Menschen, deren Biografie die Forschenden rekonstruiert haben – hatte bereits ein hohes Alter erreicht, als er im Jahr 1349 höchstwahrscheinlich am sogenannten Schwarzen Tod starb. Der Ausbruch der Beulenpest im Jahr 1348/49 war das wohl bedeutendste gesundheitliche Ereignis im mittelalterlichen England.

Foto von Mark Gridley

Pest, Lepra und Infektionen – dass die Menschen im Mittelalter mit einer Vielzahl von Krankheiten zu kämpfen hatten, die in Europa heute weitestgehend ausgelöscht sind oder geheilt werden können, ist bekannt. Die individuellen Schicksale unserer Vorfahren sind dagegen wenig greifbar – vor allem, weil meist nur die Biografien berühmter Künstler*innen und Herrscher*innen überliefert sind.

Laut einem Team der Cambridge University in England sind die Biografien der einfachen Menschen jener Zeit jedoch nicht minder relevant. Aus diesem Grund hat es das Projekt After The Plague gestartet, das die Krankengeschichten längst verstorbener Menschen rekonstruiert – und nebenbei einiges über ihre Leben erzählt.

Osteobiografie: Lebenslauf in Zähnen und Knochen

Im Fokus des Projekts standen ehemalige Bewohner*innen der Stadt Cambridge, die zwischen dem 11. und dem 15. Jahrhundert gestorben sind. Um einen Einblick in das mittelalterliche Leben zu bekommen, analysierte das Team mehr als 500 Skelette, die auf verschiedenen Friedhöfen der Stadt gefunden wurden. „Wenn wir alle Daten einer Person zusammenführen und in einem chronologischen Rahmen bewerten, können wir uns ein Bild von ihrem Leben machen“, heißt es in einer Mitteilung des Teams. Das Ergebnis ist eine sogenannte Osteobiografie, also eine Biografie, die anhand von Knochen erstellt wurde.

„Wat“ ist einer der ältesten Menschen, deren Biografie das Forschungsteam anhand seines Skeletts rekonstruieren konnte. Er überlebte höchstwahrscheinlich den Ausbruch der Beulenpest und starb mehrere Jahrzehnte später im Alter von mindestens 60 Jahren – vermutlich in Armut.

Foto von Mark Gidley

Dabei gibt beispielsweise die Zahn- und Knochengesundheit Hinweise auf die Ernährungsgewohnheiten und Krankheiten eines Menschen. Aus diesen Erkenntnissen lässt sich wiederum der gesellschaftliche Stand einer Person ableiten, wo sie wohnte und wie hart sie zu Lebzeiten gearbeitet hat. Teilweise wurden die Ergebnisse der Osteobiografie im Rahmen des Projekts durch historische Aufzeichnungen ergänzt. 

Bei den Namen, unter denen die Forschenden die Menschen vorstellen, deren Schicksale sie rekonstruiert haben, handelt es sich um Pseudonyme. So soll die wahre Identität der Personen aus dem mittelalterlichen Cambridge geschützt werden, in deren Leben die folgende Galerie einen Einblick gibt.

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