Der Schwarze Tod: Der Ursprung der Pestwelle im 14. Jahrhundert
Im 14. Jahrhundert versetzte eine zuvor unbekannte Krankheit Europa in Angst und Schrecken: Die Pest. Lange Zeit blieb die Frage, woher der Schwarze Tod kam, unbeantwortet – bis ein Forschungsteam endlich seinen Ursprung verorten konnte.
Die Pest in Florenz im Jahr 1348, wie sie in Boccaccios Dekameron – einer Novellensammlung – beschrieben wird. Radierung von Luigi Sabatelli.
Im Oktober 1347 brachten Handelsschiffe aus dem Reich der Mongolen eine verhängnisvolle Krankheit nach Europa, die in den kommenden fünf Jahren schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung des europäischen Kontinents, des Nahen Ostens und Nordafrikas dahin raffte: Der Schwarze Tod. Dieser erste Ausbruch weitete sich bald aus – zu der bislang größten Pandemie der Menschheitsgeschichte, die noch weitere 500 Jahre andauern sollte. Bis sie schließlich besiegt wurde.
Ausgelöst wird die Pest durch das Bakterium Yersinia pestis. Unklar war allerdings lange, wo die durch den Erreger ausgelöste Pestwelle im 14. Jahrhundert ihren Ursprung hatte. Ein internationales Forschungsteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, der Universität Tübingen und der University of Stirling in Großbritannien konnte diesen identifizieren. Die Spur führt in die heutige UNESCO Welterbestätte des Tian-Shan-Gebirges in Kirgistan.
Das Tian Shan-Gebirge in Zentralasien. Durch die Analyse alter Pest-Genome konnten Forschende nun den Ursprung des Schwarzen Todes in Zentralasien verorten – in einem Gebiet nahe des Yssykköl-Sees im heutigen Kirgisistan.
Des Rätsels Lösung lag lange nah
Bei der Pest handelt es sich um eine sogenannte Zoonose, also eine vom Tier auf den Menschen übertragene Krankheit. Die verheerenden Ausbrüche der Krankheit wurden bisher auf einen sogenannten „Urknall der Pestdiversität” zurückgeführt, durch den sich die verschiedenen Peststämme massiv diversifizierten. Wo der Schwarze Tod seinen zeitlichen und geografischen Anfang nahm, konnte jedoch bislang nicht zweifelsfrei belegt werden. Während eine Theorie den Ursprung der jahrhundertelangen Pandemie in China vermutete, stehen ihr Funde archäologischer Ausgrabungen aus den 1880er Jahren im heutigen Kirgistan gegenüber.
Grabsteine einer damals entlang des Tian Shan-Gebirges ansässigen Handelsgemeinschaft deuteten auf einen dortigen Pestausbruch in den Jahren 1338 und 1339. Deren Syrisch-Aramäischen Inschriften ließen die Wissenschaft bereits vor über 140 Jahren aufhorchen. In ihnen ist von einer unbekannten Epidemie die Rede, der die Verstorbenen zum Opfer fielen. Ob es sich dabei wirklich um eine vom frühen Stadium des Pesterregers ausgelöste Krankheit handelte, wollte das Team um Maria A. Spyrou, Forscherin an der Universität Tübingen, mit ihrer Studie herausfinden.
Dafür analysierten sie sowohl die DNA der in den Gräbern gefundenen Gebeine, als auch historische und archäologische Daten der Fundstätten. Mit Erfolg: Bereits mit den ersten Ergebnissen gelang es den Forschenden, das Bakterium Yersinia pestis nachzuweisen. „Wir konnten endlich nachweisen, dass die auf den Grabsteinen erwähnte Epidemie tatsächlich durch die Pest verursacht wurde“, sagt Phil Slavin, einer der Hauptautoren der Studie und Historiker an der University of Stirling.
Rekonstruktion des Pest-Genoms
Die zwei vollständig rekonstruierten Genome des Y. pestis Bakteriums stellen laut der Studie einen gemeinsamen Stamm dar. Gleichzeitig wurden sie als jüngster gemeinsamer Vorfahre der diversen später entwickelten Subtypen identifiziert. „Wir fanden heraus, dass sich die alten Stämme aus Kirgisistan genau am Knotenpunkt dieses massiven Diversifizierungsereignisses befinden. Es ist uns also tatsächlich gelungen, den Ursprungsstamm des Schwarzen Todes und seinen genauen Ausbruchszeitpunkt – das Jahr 1338 – zu bestimmen“, sagt Spyrou.
Auch heutzutage kann man das Bakterium weltweit in wilden Populationen von Nagetieren finden. Ein solches Reservoir an Formen von Pestbakterien muss also auch damals der Verursacher der Epidemie rund um den kirgistanischen Yssykköl-See gewesen sein. In der Region kann man laut Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, auch heute noch moderne und sehr eng mit den Proben aus den Gräbern verwandten Stämme finden. „Der Vorfahre des Schwarzen Todes scheint also in Zentralasien entstanden zu sein.“