Megastruktur: Riesige Steinmauer am Boden der Ostsee entdeckt

Ein deutsches Forschungsteam hat am Grund der Mecklenburger Bucht die Überreste einer gigantischen Steinmauer entdeckt. Die Struktur wurde vor etwa 11.000 Jahren von steinzeitlichen Jägern erbaut und ist im Ostseeraum bislang einzigartig.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 13. Feb. 2024, 15:06 MEZ
Rentiere laufen zwischen der Mauer und einem See durch die schneebedeckte Landschaft.

Rekonstruktion der Mauer, wie sie vor etwa 11.000 Jahren ausgesehen haben könnte.

Foto von Michal Grabowski

Etwa zehn Kilometer vor der Kleinstadt Rerik an der mecklenburgischen Küste haben Forschende am Boden der Ostsee eine sensationellen Fund gemacht: Eine etwa 11.000 Jahre alte, versunkene Steinmauer. Das Gebilde besteht aus mehr als 1.600 einzelnen Steinen, die vermutlich von einer steinzeitlichen Jäger- und Sammlergruppe aufgeschichtet wurden, bevor die Region einige tausend Jahre später im Wasser verschwand. 

Entdeckt wurde der 970 Meter lange Steinwall von einem Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde, der Universität Rostock und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Die dazugehörige Studie veröffentlichten die Forschenden im Fachmagazin PNAS.

Mauer wurde von steinzeitlichen Jägern erbaut

Der Fund der gigantischen Mauer war reiner ein Zufall: Eigentlich wollten die Forschenden am Grund der Ostsee Rohstoffe erkunden. Dann aber entdeckten sie in 21 Metern Tiefe die Steine und schwenkten ihr Interesse um. Untersuchungen mit geophysikalischen Methoden konnten schnell bestätigen, dass es sich bei der Mauer um ein absichtlich errichtetes Bauwerk handelt. Mithilfe der Ergebnisse der Messungen konnte das Team außerdem ein detailliertes 3D-Modell der Struktur erstellen und die damalige Umgebung rund um die Mauer rekonstruieren. 

3D-Modell der Steine, die am Grund der Mecklenburger Bucht entdeckt wurden.

Foto von Philipp Hoy, Uni Rostock / Modell: Jens Auer, LAKD M-V

Die Forschenden kamen so zu dem Schluss, dass es sich bei dem Steinwall um eine steinzeitliche Tierfalle gehandelt haben muss, ähnlich wie die sogenannten Wüstendrachen, die Jäger-und Sammlergruppen in der Steinzeit in den Wüstengebieten der arabischen Halbinsel erbauten. Beide Steinstrukturen wurden in der Steinzeit als Abgrenzung genutzt, in die Tiere getrieben werden konnten, um sie besser fangen zu können.

Der Ostsee-Steinwall wurde vermutlich erst im Zusammenspiel mit einem See oder Moor zur Falle. „Wahrscheinlich diente der Wall dazu, Rentiere am Rande eines Sees in die Enge zu treiben, so dass sie von den steinzeitlichen Jägern mit Jagdwaffen erlegt werden konnten“, sagt Marcel Bradtmöller, Altertumswissenschaftler von der Universität Rostock und Mitautor der Studie.

Einzigartig im Ostseeraum

Im zentraleuropäischen Raum sind Funde von derart großen steinzeitlichen Steinstrukturen selten. Aufgrund der dichten Besiedlung des Landes über die Jahrtausende hinweg sind kaum Bauten erhalten geblieben. Anders sieht es in den Regionen aus, die vor etwa 8.500 Jahren überflutet wurden als der Wasserspiegel nach der letzten Eiszeit stark anstieg. Deshalb vermuten Forschende in der Mecklenburger Bucht noch weitere Steinwälle aus der Steinzeit und wollen diese in weiteren Untersuchungen ausfindig machen.

Bis dahin ist die Steinmauer nach aktuellem Kenntnisstand das älteste jemals in der Ostsee entdeckte menschliche Bauwerk. 

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