Urzeitliches Kaugummi zeigt: So ernährten sich Steinzeit-Teenager

Anhand mehrerer Klumpen gekauten Birkenpechs konnten Forschende eine Momentaufnahme einer Gruppe Teenager vor 9.700 Jahren erstellen – inklusive ihrer jüngsten Mahlzeit.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 2. Feb. 2024, 15:21 MEZ
Der gekaute schwarze Klumpen Pech und zwei grüne Abdrücke.

Eines der Kaugummis von Huseby-Klev. Die beiden Abdrücke zeigen die Zähne der Person, die ihn kaute.

Foto von Verner Alexandersen / doi.org/10.1038/s42003-019-0399-1

Schon bevor der US-amerikanische Erfinder Thomas Adams im 19. Jahrhundert erstmals die Idee für industriell hergestelltes Kaugummi hatte, war das Kauen von zähen Substanzen beliebt. Vor etwa 9.700 Jahren kaute man jedoch nicht auf dem heute bekannten Gemisch aus Zucker und Kunststoff: Stattdessen nutzten unsere steinzeitlichen Vorfahren Birkenpech als „Kaugummi“. Das zeigt der Fund mehrerer gekauter Birkenpechklumpen aus dem heutigen Schweden – inklusive Bissspuren von steinzeitlichen Teenagern. 

Im Rahmen einer Studie hat ein internationales Forschungsteam um den türkischen Biologen Emrah Kırdök das steinzeitliche Kaugummi nun erneut untersucht. Die Wissenschaftler*innen fanden heraus, was die Teenager gegessen hatten, bevor sie den Kaugummi kauten – und dass einer der Teenager eine extrem schlechte Mundhygiene hatte. Ihre Studie erschien in der Fachzeitschrift Nature.

Üppige Mahlzeit und schlechte Mundhygiene

Entdeckt wurden die Kaugummis bereits in den 1990er-Jahren bei Ausgrabungen in der archäologischen Stätte Huseby-Klev, nördlich von Göteborg. In ersten Studien konnten Forschende damals anhand der im Kaugummi hinterlassenen DNA feststellen, dass es drei Kinder und drei Jugendliche waren, die im Neolithikum die Klumpen aus Birkenpech gekaut hatten.

Gesicht eines 9.000 Jahre alten Teenagers rekonstruiert
9.000 Jahre nach ihrem Tod wurde das Gesicht einer 18-jährigen Frau enthüllt.

In der aktuellen Studie wurde nun weitere DNA aus den Klumpen untersucht, anhand derer die Forschenden die jüngste Mahlzeit der Teenager rekonstruieren konnten. Die Hauptbestandteile: Hirsch, Forelle und Haselnüsse. Zusätzlich konnten Spuren von Ente, Fuchs und Äpfeln nachgewiesen werden. 

Untersuchungen der Bakterien in den Birkenpech-Proben zeigen außerdem, dass einer der Teenager bereits starke Probleme mit seinen Zähnen gehabt haben muss: Er litt vermutlich an starker Parodontitis und an Karies. Die Studienautor*innen vermuten, dass das Kauen von Fleisch und Kaugummi für ihn schon damals schmerzhaft gewesen sein muss.

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    Anders als heute hatte das Kaugummikauen in der Steinzeit vermutlich eine konkrete Funktion: Die gängige Hypothese ist, dass aus dem Birkenpech durch Kauen Kleber hergestellt wurde, der dann für die Herstellung von Werkzeug genutzt wurde. Laut Anders Götherström von der Stockholm University, Archäologe und Mitautor der Studie, ist es aber auch möglich, dass das Pech gekaut wurde, weil ihm eine medizinische Wirkung nachgesagt wurde – oder auch, weil das Kauen Spaß bereitete.  

    Ganz gleich, aus welchem Grund das Birkenpech gekaut wurde: Die Überreste des steinzeitlichen Kaugummis bieten laut Götherström eine einzigartige Gelegenheit, einen Einblick in den Alltag von Steinzeitmenschen zu bekommen, den Knochen- und Zahnfunde sonst nicht erlauben. Der Fund sei eine außergewöhnliche „Momentaufnahme des Lebens einer kleinen Gruppe von Jägern und Sammlern vorliegen“, sagt Götherström.

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