Kuriose Konserven: Nutzten Steinzeitmenschen Schildkröten als Reiseproviant?

Eigentlich lebte die Europäische Sumpfschildkröte vor bis zu 50.000 Jahren gar nicht in der Region um Magdeburg. Dass Überreste der Art dennoch dort gefunden wurden, könnte dafür sprechen, dass sie von Menschen mit auf Reisen genommen wurden.

Von Marina Weishaupt
Veröffentlicht am 3. Mai 2024, 15:54 MESZ
Überreste der Schildkrötenpanzer vor einem schwarzen Hintergrund.

Die kleinen Panzerfragmente der Europäischen Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) liefern den Forschenden Hinweise auf den möglichen Speiseplan von umherwandernden Neandertalern oder modernen Menschen der Steinzeit.

 

Foto von Uwe Beye, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Zahllose Relikte aus der Vergangenheit schlummern für uns Menschen unzugänglich in Gesteinsschichten tief unter der Erdoberfläche. Regionen, in denen Berg-, Kies- oder ​​Braunkohlebergbau betrieben wird, sind deshalb für die Archäologie von besonderer Bedeutung. So auch das mittlere Elbtal bei Magdeburg. Die dortigen Kiesgruben sind bekannt für viele archäologische Entdeckungen, von denen einige bis in das Jungpleistozän datiert werden können.

Neue, kuriose Fundstücke aus der Region sorgen bei Forschenden des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt für die Annahme, dass die Menschen der Wechselsteinzeit auf ihren Wanderungen Schildkröten mitnahmen – als Wegproviant.

Schildkröten als lebendige Nahrungsreserven für unterwegs?

Fünf wenige Zentimeter große Fragmente von Schildkrötenpanzern legen diese Vermutung nahe. Sie entstammen dem Kieswerk Barleben-Adamsee im Landkreis Börde. Hier befördern sogenannte Eimerkettenbagger Kies aus Erdschichten hervor, die teils unter dem Grundwasserspiegel liegen und deshalb für archäologische Ausgrabungen unerreichbar sind. Das in einem Rüttelsieb aufgefangene Material wird von ehrenamtlich beauftragten Bodendenkmalpfleger*innen auf potenziell wertvolle Funde kontrolliert. Auf diese Weise wurden auch die fünf Fragmente der Schildkrötenpanzer entdeckt.

Schwimmbagger am Fundort der Fragmente am Adamsee nahe Barleben. 

Foto von Uwe Beye, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Trotz ihrer geringen Größe ermöglichten sie die Bestimmung ihrer Gattung: Es handelt sich dabei um die Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis). Auch das ungefähre Alter der Überreste konnte mittels Radiokarbonmethode auf etwa 42.000 bis 50.000 Jahre datiert werden – ein Fakt, der die Forschenden überraschte. Denn damals herrschte in Mitteleuropa die Weichsel-Kaltzeit vor, deren riesiger Eisschild sich über Skandinavien bis nach Mitteleuropa erstreckte. Die Schildkröten jedoch hätten zum Überleben, zur Fortpflanzung und für die Entwicklung ihrer Gelege deutlich höhere Temperaturen von mindestens 18 bis 20 Grad Celsius benötigt. 

Aus diesem Grund schließen die Forschenden, dass die Schildkröten entweder durch Neandertaler oder moderne Menschen auf ihren Reisen aus wärmeren Gebieten mitgenommen wurden. Leicht transportabel sowie lange „haltbar“ könnte es sich bei den Schildkröten um eine praktische Möglichkeit zur Nahrungsversorgung gehandelt haben. Ob sich diese Theorie bewahrheiten wird, müssen die Forschenden in weiteren Untersuchungen herausfinden.

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