Neues vom nackten Ritter: Kalebuz-Mumie hat rätselhaften Gegenstand im Mund

Neue Untersuchungen der sagenumwobenen Mumie offenbarten Überraschungen: Im Körper des Ritters fanden Forschende kuriose Gegenstände. Darunter eine Münze, die scheinbar kurz nach seinem Tod in seiner Mundhöhle platziert wurde.

Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 19. Juli 2024, 12:10 MESZ
Nahaufnahme des braunen Schädels der Mumie.

Hinter der schmalen Mundöffnung der Mumie haben Forschende eine überraschende Entdeckung gemacht: ein runder Gegenstand, der in die Mundhöhle des Ritters gelegt worden war.

Foto von Medizinische Hochschule Brandenburg - Theodor Fontane

Vor mehr als 200 Jahren entdeckten die Bewohner*innen von Kampehl, einem Ortsteil von Neustadt in Brandenburg, eine Mumie, die gar keine sein sollte. Der Leichnam, bei dem es sich vermutlich um den 1702 verstorbenen Ritter Christian Friedrich von Kalebuz handelt, wurde in seinem Sarg natürlich mumifiziert – und ist allein deshalb bis heute eine Sensation.

Wissenschaftlich untersucht wurde der Leichnam bislang allerdings nur selten, zuletzt in den 1980er-Jahren. Deshalb hat sich ein Team der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) um Anatomieprofessor Andreas Winkelmann des Kalebuz nun wieder angenommen – mit Erfolg. Im Körper des Ritters befanden sich zwei Gegenstände, die bislang unentdeckt geblieben waren: ein Bleistift in seinem Brustkorb und ein Gegenstand in seinem Mund, bei dem es sich vermutlich um eine Münze handelt, die dem Ritter kurz nach seinem Tod mitgegeben wurde.

Gegenstände im Körper des Kalebuz

Obwohl der Leichnam bereits im Jahr 1794 entdeckt wurde, ist über Leben und Tod des Kalebuz bislang wenig bekannt. Wohl auch deshalb ranken sich viele Legenden um den ,nackten Ritter‘, der so genannt wird, weil seine Kleidung ihm in den drei Jahrhunderten nach seinen Tod abhanden kam. Unter den offenen Fragen sind unter anderem die nach seiner Todesursache, dem Grund seiner Mumifikation oder ob er zu Lebzeiten wirklich 40 Kinder gezeugt hat. Bisher konnte nicht einmal eindeutig nachgewiesen werden, ob es sich bei dem Leichnam wirklich um Christian Friedrich von Kalebuz handelt – auch wenn vieles dafür spricht, etwa die Initialen auf dem Leichenhemd, die mit Aufzeichnungen im Kirchenbuch von Kampehl abgeglichen wurden.

Ein Mann beugt sich über die Mumie, die in ihrem Sarg liegt.

Professor Winkelmann und die Mumie, die er und seine Kollegen in stetiger Absprache mit der Gemeinde untersucht haben.

Foto von MHB

Die meisten dieser Fragen konnten auch Winkelmann und seine Kolleg*innen im Rahmen der aktuellen Forschung nicht beantworten – selbst wenn es ihnen dank der heutigen CT-Scanner erstmals möglich war, die Mumie komplett zu durchleuchten. Dennoch offenbaren die neu entdeckten Gegenstände etwas über den Tod des Ritters und den Umgang mit der Mumie, nachdem diese gefunden wurde. 

Der Bleistift zum Beispiel, der in der Brusthöhle der Mumie steckt, befindet sich laut Winkelmann dort erst seit etwa 100 Jahren. Das zeigt das Modell des Stifts, Marke Johann Faber, das hauptsächlich zwischen 1900 und 1920 verkauft wurde.

BELIEBT

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    Nahaufnahme des gelben Bleistifts.

    Der Bleistift, der im Oberkörper der Mumie entdeckt worden ist und – ohne die Mumie zu beschädigen – geborgen werden konnte. Das Modell: Johann Faber Nr. 3.

    Foto von MHB

    Die Frage danach, wie der Stift in den Leichnam kam, kann heute nicht mehr eindeutig beantwortet werden. Winkelmann vermutet aber, dass das Schreibutensil aus Spaß durch einen bereits vorhandenen Brustwanddefekt in den Oberkörper des Kalebuz gesteckt wurde. „Mit der Mumie wurde über die Zeit so einiges angestellt“, sagt der Anatomieprofessor. Sie sei Erzählungen zufolge in Betten gelegt oder an anderen Stellen platziert worden, um Menschen zu erschrecken. „Möglicherweise hat jemand in diesem Zuge dann einen Bleistift in den Körper gesteckt.“

    Eine Münze im Mund für das Jenseits?

    Noch spannender als der Bleistift ist allerdings der zweite Fund. „Auf den CT-Aufnahmen war zu sehen, dass in der Mundhöhle der Mumie ein runder metallischer Gegenstand liegt“, sagt Winkelmann. Dieser, so der Forscher, muss nach aktuellem Kenntnisstand vor der Mumifikation dort hineingelegt worden sein. Denn: „Die Lippen der Mumie sind relativ schmal geöffnet und direkt dahinter befinden sich die noch zahlreich vorhandenen Zähne“, sagt Winkelmann. Und auch sonst gäbe es keinen Zugang, durch den das Objekt in den Mundraum gebracht worden sein könnte.

    CT-Aufnahme aus der Sicht des Kinns: Der Gegenstand hebt sich im Bild deutlich ab.

    Die 3D-Rekonstruktion zeigt deutlich, dass ein runder Gegenstand in den Mund des Kalebuz gelegt wurde.

    Foto von MHB

    Die Forschenden vermuten deshalb, dass es sich bei dem Gegenstand um eine Münze einen sogenannten Charonspfennig handelt. Das sind Münzen, die den Toten vor allem in der Antike mitgegeben wurden, um den Fährmann ins Jenseits zu bezahlen. Die alte Tradition wurde nachweislich in einigen Regionen Deutschlands bis in die 1930er-Jahre praktiziert. Die Münzen wurden dabei auf den Augen oder in den Händen der Leichname platziert, häufig aber auch im Mund. So möglicherweise auch in diesem Fall.

    Genau bestätigen lässt sich diese Theorie trotz aller Wahrscheinlichkeit bislang nicht. Dafür müsste man das Objekt aus der Mumie holen und genauer untersuchen – eine Maßnahme, die der Gemeinderat freigeben muss. „Da der Mund der Mumie zu eng geschlossen ist, kann man diesen Gegenstand nur durch einen Schnitt ins Gewebe bergen“, sagt Winkelmann. Die Frage sei nun, ob man das dem Ritter antun wolle oder ihm sein Geheimnis lasse. Das einzige wäre es immerhin nicht.

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