Leidenschaftliche Antike: So steigerten Griechen und Römer ihre Lust
Seit Jahrtausenden versucht man mit Pülverchen und Cremes, der körperlichen Liebe auf die Sprünge zu helfen. Im antiken Griechenland und Rom war man dabei besonders erfinderisch.
Zeus, der König der griechischen Götter, bittet Aphrodite um Hilfe, um Frauen verführen zu können, hier dargestellt auf einer apulischen Terracottavase, ca. 330 v. Chr.. Der Begriff Aphrodisiakum geht auf das griechische Wort „Liebesgenuss“ zurück.
Die Menschen der antiken Welt waren offen und experimentierfreudig, wenn es um die körperliche Liebe ging. Nicht ohne Grund: Sex und Liebe spielten im Leben ihrer Götter eine wichtige Rolle, schreibt Vicky León in ihrer Monografie „The Joy of Sexus“ – und die Menschen nahmen sich ihre Götter zum Vorbild. Anders als einige Jahrhunderte später in der christlich-jüdischen Wahrnehmung gehörten Liebe und Erotik zum normalen Leben und hatten nichts mit Schuld oder Sünde zu tun. Man tat es gerne, man tat es häufig, und man half auch nach, um die Leidenschaft zu entfachen oder die körperliche Leistungsfähigkeit beim Liebesspiel zu steigern.
Antike Aphrodisiaka: Kopfsalat als Lustmacher
Die Liebenden der Antike waren durchaus kreativ, was die Vorbereitung von Schäferstündchen anging. Sie bedienten sich einer erstaunlichen Menge an Aphrodisiaka, die teils heute noch als solche angesehen werden. Das vielleicht berühmteste Beispiel: die Auster.
Die Geburt von Aphrodite, wie sie dem Meeresschaum entstieg. Sie gilt als Göttin von Liebe, Schönheit und sinnlicher Begierde.
Bei den Griechen galt die Auster als Symbol der Göttin Aphrodite (bei den Römern entsprechend der Göttin Venus), die angeblich dem Schaum der Wellen entstieg. Austern wird nachgesagt, dass sie ein wirksamer Lustmacher gewesen seien und die Manneskraft steigerten. Wissenschaftlich nachweisbar ist diese Wirkung bis heute nicht. Einzig der recht hohe Zinkgehalt von Austern, der Einfluss auf den Testosteronspiegel nehmen kann, legt nahe, dass die Muscheln der erotischen Kraft auf die Sprünge helfen könnten.
Daneben galt Granatapfelsaft bei den alten Griechen als Lustförderer – schließlich stammt er vom Lieblingsbaum der Göttin Aphrodite. Auch die Ägypter griffen auf Granatapfelsaft zurück und vermischten ihn mit Wein. Ohnehin waren Weinmischgetränke in der antiken Welt beliebt. So wurde auch Opium verwendet, um Wein als Aphrodisiakum aufzupeppen. Etwas harmloser war Enzianextrakt und ein Extrakt verschiedener Wurzeln der Erdorchideen, die der männlichen Zeugungskraft auf die Sprünge helfen sollten. Selbst dem Genuss von Kopfsalat wurde eine aphrodisierende Wirkung nachgesagt.
Giftigen Substanzen zur Luststeigerung
Nicht immer blieb es bei diesen relativ harmlosen Zusätzen. Antike Liebende schreckten auch nicht vor giftigen Substanzen zurück – die gemeine Alraune, in der Antike als Zauberwurzel gehandelt, wurde unter anderem als Aphrodisiakum genutzt. Dabei handelt es sich um eine halluzinogene Droge mit teils massiven Nebenwirkungen: Ausschläge, Herzrhythmusstörungen oder Verwirrtheit sind keine Seltenheit.
Heute eher unbekannt, war die indische Narde, oder auch Speik genannt, in der antiken Welt weit verbreitet und hochgeschätzt als Zutat für Salben und Öle.
Andere Lustmacher trug manch antiker Zeitgenosse direkt auf die Haut – beziehungsweise auf das beste Stück auf: Die Genitalien wurden mit Honig-Pfeffer-Mischungen, Brennnesselöl oder der viel gerühmten Spanische Fliege eingerieben. Bei letzterer handelt es sich um eine metallisch schimmernde Unterart der Ölkäfer. Um das angeblich aphrodisierende Pulver herzustellen, wurden die Käfer zermahlen und auf die Haut aufgetragen. Die darin enthaltene Substanz Cantharidin verursacht Harnwegsreizungen, was bei Männern wiederum eine starke, womöglich sehr schmerzhafte Dauererektion zur Folge haben kann. Oral eingenommen können bereits extrem geringe Dosen der Spanischen Fliege für Menschen tödlich sein.
Deutlich weniger gefährlich: Olivenöl, häufig angereichert mit Koriander. Es wurde von Männern wie Frauen großzügig vor dem Akt aufgetragen. Griechische Ehefrauen hatten ein Töpfchen damit auf dem Nachttisch stehen, so León. Besonders populär war eine Salbe, die indische Narde enthielt, aus der auch Salböl gewonnen wurde – sie durfte im antiken Medizinschränkchen nicht fehlen.
Aphrodisiaka halfen auch unter dem Bett
Nicht alle Aphrodisiaka wurden aufgetragen oder geschluckt: Von manchen, wie etwa Alraune, Satyrion oder roten Korallen, glaubte die Antike Welt, dass sie bereits wirkten, wenn man sie während des Liebesspiels in der Hand hielt oder unter dem Bett verstaute.
Bessere Standhaftigkeit durch Schmuck? Das phallische Amulett aus Bronze aus dem 1. Jh. n. Chr. legt diese Interpretation nahe.
Populär war auch das Gesetz der Anziehung, also die Idee von „Gleiches zieht Gleiches an“. Es war nicht ungewöhnlich, dass Männer Amulette trugen, die männlichen oder weiblichen Geschlechtsteilen ähnelten. Außerdem gab es individuell hergestellte Liebestränke, die umso machtvoller wirken sollten, mischte man Haare, abgeschnittene Fingernägel oder Ausscheidungen aller Art des oder der Angebeteten darunter.
Antike Aphrodisiaka landeten vor Gericht
Über Aphrodisiaka und deren Wirkung ist sogar ein antiker Gerichtsprozess aus dem Jahre 158 n. Chr. überliefert. Der Schriftsteller und Philosoph Apuleius von Madauros musste sich vor Gericht verantworten, weil er von der Familie seiner Geliebten Pudentilla verklagt worden war, die eine sehr wohlhabende Witwe war. Man warf ihm vor, Pudentilla verführt und in eine Ehe geschwindelt zu haben. Was er zu seiner Verteidigung zu sagen hatte? Er hätte seiner Angebeteten lediglich ein umfangreiches Dinner mit Austern, Seeigel, Tintenfisch und Hummer kredenzt – und Pudentilla hätte sich ihm anschließend nur zu bereitwillig hingegeben.
Was wohl alle Mittel gemeinsam haben: Eine „überaus mächtige Kraft der Suggestion“, wie es im Lexikon der Medizingeschichte über Aphrodisiaka steht. Wissenschaftlich nachgewiesen ist die Wirkung nämlich bei den wenigsten. Einzig für Safran, der bereits in den Kräuterbüchern von Plinius als wirksamer Lustmacher erwähnt wurde, konnte eine Gruppe von Wissenschaftlern in einer großen Metastudie eine tatsächlich aphrodisierende Wirkung nachweisen. Ebenfalls wirksam und meist unbedenklich, wie die Wissenschaftler herausfanden: Ginseng und Yohimbin.
Cover National Geographic 9/24
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