Antike Handwerkskunst: So schmeckte der Wein der Römer
Der Wein im Alten Rom hatte einen charakteristischen Geschmack. Neue Forschungsergebnisse zeigen, welche Prozesse zu seinen außergewöhnlichen Aromen geführt haben.
Teilweise in den Boden eingelassene Tongefäße in der Villa Villa Regina, einer über 2.000 Jahre alten römischen Villa im Bezirk Boscoreale in Italien.
Wein war bei den Römern beliebt. So sehr, dass er in manch einer opulenten Villa sogar aus Brunnen sprudelte. Die Popularität des Getränks im Alten Rom ist hinreichend untersucht worden, doch nur wenig Forschung hat sich bisher damit beschäftigt, wie der Lieblingsdrink der Römer schmeckte.
Ein belgisch-polnisches Forschungsteam hat nun die Weinherstellung der Alten Römer genauer untersucht und herausgefunden, welch wichtige Rolle in den Boden eingegrabene Tonfässer dabei spielten. In Ihrer Studie, die im Fachmagazin Antiquity erschienen ist, beschreiben die Forschenden, wie genau diese sogenannten Dolia funktionierten – und wie die im Wein dominierenden Aromen von Äpfeln, Nüssen und Curry zustande kamen.
Antike Weinherstellung im Tongefäßen
Die Idee, die Dolia der Römer genauer zu untersuchen, kam dem Studienautoren Dimitri Van Limbergen, Archäologe an der Universität Gent in Belgien, bei einem Besuch in Georgien. Dort wird Wein bis heute in großem Stil in traditionellen Tongefäßen, die Quevri genannt werden, hergestellt. Diese ähneln den antiken römischen Dolia, von denen man bereits wusste, dass Wein in ihnen gelagert wurde. Die Erkenntnis veranlasste Van Limbergen und seine Mitautorin Paulina Komar von der Universität Warschau in Polen dazu, den Weinherstellungsprozess der antiken Römer genauer zu untersuchen.
Sie verglichen die georgische Technik mit antiken Aufzeichnungen der römischen Weinherstellung und dem Aufbau alter Dolia, die an verschiedenen Fundstellen in Italien entdeckt wurden.
Römische Dolia von der Ausgrabungsstätte Ostia Antica – einer ehemaligen Siedlungsregion an der Westküste Italiens, die mindestens vom 6. Jahrhundert v. Chr. bis zum 4. jahrhundert n. Chr. besiedelt worden war. Wein, der in solchen Gefäßen hergestellt wird, heißt heute auch Amphorenwein.
Dabei fanden sie heraus, dass die Dolia-Amphoren eine weitaus größere Rolle bei der Gärung und dem Geschmack des Weines spielten als gedacht. Der Prozess funktionierte so: Die porösen Tonbehälter wurden in den Boden eingegraben und von innen mit einer Mischung aus Harz und Bienenwachs überzogen. Darin ließen die Römer den Most mehrere Monate gären. Weil die Gefäße unten schmal zulaufen, trennten sich dabei die festen Überreste der Trauben nach und nach von der Flüssigkeit und sammelten sich am Boden.
Während dieses Prozesses entwickelten sich an der Oberfläche der Flüssigkeit sogenannte Florhefen, die maßgeblich Geschmack, Textur und Aroma der entstehenden Weine beeinflussen. Wichtig ist dabei, dass die Flüssigkeit ständig in Bewegung bleibt. Das wurde durch den ovalen Aufbau der Gefäße und das bei der Gärung entstehende Kohlendioxid erreicht: Innerhalb der Dolia bildeten sich Strömungen, die den Wein kontinuierlich in Bewegung hielten. Ähnlich funktionieren bis heute auch die Quevri.
Geschmack und Aroma der römischen Weine
Die Erkenntnisse, so Studienautor Van Limbergen, zeugen von einem bisher ungeahnten Fachwissen der Römer. „Durch die Anwendung der von uns beschriebenen Techniken waren die Römer in der Lage, viel bessere, schmackhaftere und stabilere Weine herzustellen, als gemeinhin angenommen wird“, so der Archäologe, der schon lange die Herstellung und Geschichte antiker Weine erforscht.
Der Vergleich des römischen Getränks mit modernen Weinen gestaltet sich allerdings schwierig. „Die Weinfarben wurden beispielsweise nicht standardmäßig in weiß und rot unterteilt (wie es heute der Fall ist), sondern für die Römer gehörten sie zu einem breiten Farbspektrum, das von weiß, gelb, über goldfarben, bernsteinfarben und braun bis hin zu rot und schwarz reichte“, so Van Limbergen.
Nachvollziehen, wie die Weine geschmeckt haben müssen, kann man heute dennoch. Aufgrund des ständigen Kontakts mit dem Ton waren Weine damals komplex, trocken und sehr mineralisch. „Die Bildung von oberirdischen Hefen auf dem Most, die die chemische Verbindung Sotolon produzieren, führten außerdem dazu, dass die Weine würzige, geröstete und brot-ähnliche Aromen sowie Noten von Äpfeln und Curry hatten“, sagt Van Limbergen. Insgesamt, so der Archäologe, sei der Wein extrem genießbar gewesen. Kein Wunder also, dass die Römer ihn liebten.