Religiöse Reform im alten Ägypten: Echnaton und Nofretete als Herrscher der Sonne
Nach seiner Thronbesteigung förderte Echnaton den Kult des Gottes Aton. Er schuf eine neue Hauptstadt, genannt „der Horizont des Aton“.
Echnaton und Nofretete mit ihren Töchtern, Ägyptisches Museum Berlin
Es wird oft behauptet, dass sich während der Herrschaft des Pharaos Echnaton in Ägypten eine neue, monotheistische Religion entwickelte, die auf dem Kult des Gottes Aton basierte. Das ist jedoch nicht ganz richtig, denn im antiken Ägypten gab es immer nur einen Gott: Re, die Sonne, allgegenwärtig und allmächtig. Er war der wichtigste altägyptische Gott und stand über allem. Re konnte menschliche und tierische Formen in einer unbegrenzten Anzahl von Individuen annehmen. Die anderen Götter und Göttinnen im ägyptischen Pantheon waren nur Manifestationen von ihm, menschliche oder zoomorphe Formen, in denen er erschien.
Re durchlief auch im Laufe eines Tages Metamorphosen. Am Morgen wurde er Chepre genannt und nahm die Gestalt eines Skarabäus an. Am Mittag war die Sonne eine leuchtende Scheibe namens Aton. Abends, zur Dämmerung, wurde sie zu Atum, einem Widder. Es ist gerade die Manifestation von Re als Sonnenscheibe Aton, die während Echnatons Herrschaft eine einzigartige Entwicklung in der ägyptischen Geschichte erreichte – bis zu dem Punkt, dass sie die anderen Gottheiten in den Schatten stellte.
Das Erbe des Vaters
Um den Ursprung dieses neuen Aton-Kults zu ergründen, müssen wir zunächst die Herkunft von Echnaton selbst unter die Lupe nehmen – oder genauer: seinen Vater Amenhotep III. Wie die Gedenkskarabäen des Pharaos zeigen, konnte er dank des Reichtums aus den eroberten Ländern prächtige Tempel errichten. In einem dieser Tempel, dem von Soleb in Nubien, erklärte sich Amenhotep III. zur „Sonne, die alle Länder erleuchtet“. Er identifizierte sich also mit der Sonne und nahm dadurch eine göttliche Stellung ein. Diese Selbstvergötterung war vermutlich auch die Ursache für den Streit zwischen dem Pharao und dem mächtigen Klerus, der in Ägyptens Hauptstadt Theben den Amun-Kult organisierte. Der Konflikt würde auch erklären, warum Amenhotep III. seinen neuen Palast am Westufer des Nils, in einiger Entfernung zur Hauptstadt, bauen und sein Grab in einem abgelegenen Wadi (ein trockenes Flussbett) westlich des Tals der Könige anlegen ließ.
Der Sohn und Nachfolger des Königs, Amenhotep IV. (der spätere Echnaton), trieb diesen Streit mit dem Klerus des Amun auf die Spitze: Er entwickelte eine Theorie, die mehr politischer als religiöser Natur war, um den Amun-Kult zu schwächen oder vielleicht ganz abzuschaffen und durch eine neue Religion zu ersetzen, in deren Mittelpunkt die Sonnenscheibe Aton stand. Merkwürdigerweise – und trotz dieser gedanklichen Verwandtschaft – scheint die Beziehung zwischen Vater und Sohn nicht sehr eng gewesen zu sein. Amenhotep IV., der in seiner Jugend viele Studienreisen in verschiedene Länder des Nahen Ostens und Mesopotamiens gemacht haben soll, ist nicht zusammen mit seinem Vater auf Flachreliefs oder Statuen abgebildet. Einige Forscher vermuten sogar, dass der Prinz während seiner Reisen in Asien den von seinem Vater entwickelten Sonnenkult bekräftigte.
Überall feierten die Menschen die Sonne, die Leben spendet und ihre Kraft im Zenit des Himmels präsentiert. Als der spätere Pharao das sah, erkannte er, dass er Aton als einfache Darstellung dieser Gottheit der Sonne dienen könnte. Sie war für jeden verständlich, im Gegensatz zu den vielen Inkarnationen der Sonne in Ägypten.
Nofretete, einflussreiche Gemahlin
Amenhotep IV. konnte bei seiner Religionspolitik auf die Hilfe seiner Frau Nofretete zählen. Mehrere Wissenschaftler vermuten, dass Nofretete, deren Name „die Schöne ist gekommen“ bedeutet, asiatischer Herkunft war, möglicherweise die Tochter des Königs von Mitanni in Nordsyrien. Doch trotz ihrer fremden Abstammung scheint sie einen großen Einfluss auf ihren Mann gehabt zu haben. Einige Forscher glauben sogar, dass Nofretete ursprünglich die Ehefrau von Amenhotep III. hätte werden sollen. Allerdings habe Ay, ein einflussreiches Mitglied des königlichen Hofs, diese Verbindung verhindert. Nofretete, die sich wohl zurückgewiesen gefühlt hat, soll sich dann für eine Heirat mit Amenhotep IV. entschieden haben.
So sei sie die engste Mitarbeiterin der religiösen Revolution geworden, zu der ihr Mann den Anstoß gegeben hat. In der Wissenschaft existieren mehrere Theorien darüber, wie weitreichend die politisch-religiösen Ansichten und Maßnahmen von Amenhotep IV. tatsächlich waren. Laut einem Forschungsansatz verkündete der Pharao, dass es neben Aton keine anderen Götter gebe. Deshalb machte er sich sofort daran, seinen Kult zu fördern. Amenhotep IV. errichtete Aton zu Ehren in Theben mit dem Gem-pa-Aton einen neuen Tempel östlich des Amun-Tempels in Karnak, den das neue Bauwerk an Größe deutlich übertraf. Aton war nun der einzige Gott, der verehrt werden durfte. Alle anderen Tempel wurden geschlossen, und die Verehrung anderer Götter war fortan verboten. Der Pharao beschloss zudem, seinen Namen von Amenhotep („Amun ist zufrieden“) in Echnaton („Der Aton dient“) zu ändern.
Cover National Geographic History Nr. 14
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