So sah die gefürchtete Vampirfrau von Pień aus

Bei Ausgrabungen auf einem polnischen Friedhof wurde eine mysteriöse Tote entdeckt: Sie sollte offenbar mit allen Mitteln daran gehindert werden, die Lebenden heimzusuchen. Nun wurde das Gesicht der Frau aus dem 17. Jahrhundert rekonstruiert.

Von Insa Germerott
Veröffentlicht am 14. Nov. 2024, 09:52 MEZ
Skelett auf einem Obduktionstisch.

Das Skelett der Vampirfrau von Pień wurde in der Grabstätte mit einer Sichel und einem Vorhängeschloss gesichert. 

Foto von Andrzej Romański

Auf einem alten Friedhof im polnischen Dorf Pień, nordöstlich der Stadt Bydgoszcz (zu Deutsch Bromberg), entdeckten Archäolog*innen der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Toruń bei Ausgrabungen im Jahr 2022 eine mysteriöse Tote aus dem 17. Jahrhundert. Ihr Skelett war gleich doppelt gesichert – mit einem dreieckigen Vorhängeschloss an ihrem linken Zeh und einer Sichel um ihren Hals. 

Diese merkwürdige Art des Begräbnisses führte zu der Spekulation, ob die Frau damals womöglich für einen Vampir gehalten und aus Angst vor übernatürlichen Kräften auf diese Weise beerdigt wurde. In den Medien erhielt sie deshalb den Spitznamen „Vampirfrau von Pień“. Klar scheint zumindest: Die Tote sollte unter keinen Umständen aus ihrer letzten Ruhestätte auferstehen. 

Vorhängeschlösser aus dem 17. Jahrhundert in den Händen eines Archäologen.

 Ein Vorhängeschloss dieser Art wurde bei der Toten gefunden.

Foto von Andrzej Romański

Doch 400 Jahre später passiert, wovor sich damals alle fürchteten: Oscar Nilsson, ein Bildhauer und Archäologe aus Schweden, erweckt die Vampirfrau von Pień täuschend echt zum Leben – mithilfe einer Gesichtsrekonstruktion.

Wie rekonstruiert man ein Gesicht aus der Vergangenheit?

Nilsson ist Spezialist auf dem Gebiet der Gesichtsrekonstruktion unserer Vorfahren. Zu seinen Arbeiten zählen neben der Toten aus Pień auch eine Mumie aus den Anden und eine Frau aus der Steinzeit. „Der Prozess der Gesichtsnachbildung dauert 200 bis 400 Stunden“, sagt Nilsson. Besonders schwierig sei es, die Form von Ohren und Nasenspitze zu bestimmen, da diese anhand eines Schädels nicht sicher rekonstruiert werden könnten. „Wenn keine Ergebnisse von DNA-Tests vorliegen, ist auch die gesamte Pigmentierung, einschließlich der Augen-, Haar- und Hautfarbe, weitgehend spekulativ“, sagt der Künstler. 

BELIEBT

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    Gesichtsrekonstruktion der Vampirfrau von Pien

    Gestorben als junge Erwachsene: die Tote von Pień.

    Foto von Oscar Nilsson/Projekt Pień

    Für die Rekonstruktion der Vampirfrau von Pień gab es jedoch DNA-Analysen. Zusätzlich nutzte Nilsson ein 3D-gedrucktes Modell ihres Schädels. An diesem brachte er Stifte unterschiedlicher Länge an, die die Dicke des Gewebes in verschiedenen Gesichtsregionen anzeigen sollten. Anschließend modellierte er Muskeln aus einer speziellen Art von Ton und setzte künstliche Augen in das 3D-Modell ein. Er fügte Schichten aus Ton hinzu, die Gewebe und Haut imitierten – inklusive Falten, Hautporen und Narben. Im letzten Schritt tauchte Nilsson den Schädel in Silikon und brachte Haare, Wimpern und Augenbrauen an.

    Kein Vampir – aber trotzdem gefürchtet

    „Es ist ein emotionales Erlebnis, ein Gesicht von den Toten zurückkehren zu sehen, vor allem, wenn man die Geschichte dieses jungen Mädchens kennt“, sagt Nillson gegenüber der britischen Zeitung The Independent. Laut den Forschenden war die junge Frau zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 17 und 21 Jahre alt – und wurde von ihrem Umfeld vermutlich schlecht behandelt. Nicht, weil ihre Mitmenschen sie wirklich für einen Vampir gehalten hätten. Das schließt Grabungsleiter Dariusz Poliński, Professor für Geschichte des Mittelalters und Frühe Neuzeit an der Nikolaus-Kopernikus-Universität, aus. Er vermutet eher, dass die Frau eine körperliche Beeinträchtigung hatte oder an einer psychischen Störung litt.

    Da ihre Mitmenschen nicht gut mit der Toten umgingen, haben sie sich vermutlich davor gefürchtet, von ihr heimgesucht zu werden. Die Sichel und das Schloss sollten das laut Poliński verhindern.

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