Illustration der Frau neben einer Zeichnung des Skeletts.

Ungarische Kriegerin? Frau aus dem 10. Jahrhundert mit Waffen beigesetzt

Speerspitze und Bogen als Beigabe: In Ungarn wurde ein ungewöhnliches Grab aus dem Mittelalter entdeckt – denn Waffen wurden Frauen dort nur selten mit ins Jenseits gegeben.

Silhouette der bestatteten Frau im Grab mit ihren Beigaben und eine Illustration dessen, wie sie zu Lebzeiten ausgesehen haben könnte.

Illustriert von Luca Kis basierend auf der Planzeichnung von Ibolya M. Nepper
Von Lisa Lamm
Veröffentlicht am 16. Jan. 2025, 08:46 MEZ

Lange galt die Annahme: In Kulturen, in denen Grabbeigaben eine große Rolle spielten, wurden Männern mit Waffen und Werkzeug und Frauen mit Schmuck und Haushaltsgegenständen bestattet. Dass diese Unterteilung nicht eindeutig zutrifft, haben mittlerweile mehrere Studien gezeigt. Beispielsweise ging man aufgrund der reichen Waffenbeigaben lange davon aus, dass ein Grab in Südostschweden einem männlichen Kämpfer gehörte – bis eine DNA-Analyse zeigte, dass es sich bei der verstorbenen Person um eine Frau handelte. Weitere solcher Beispiele gibt es auch aus prähistorischen Zeiten. Auch skythische Gräber zeigen, dass Frauen mit Waffen begraben wurden – und wahrscheinlich zu Lebzeiten Kämpferinnen waren.

Erstmals wurde nun auch im heutigen Ungarn das Grab einer Frau entdeckt, die mit Waffen bestattet wurde. Das Mysteriöse an dem Fund: Offenbar wurden der Toten auch traditionell ,weibliche‘ Grabbeigaben mit ins Jenseits gegeben. Handelte es sich bei der Frau also um eine Kämpferin oder gibt es einen anderen Grund für die Waffen in ihrem Grab? Das untersuchte nun ein Forschungsteam aus Ungarn. Ihre Studie erschien im Fachmagazin PLOS one.

Handelte es sich bei der Toten um eine Kriegerin? 

Das Grab in der Gemeinde Sárrétudvari, im Osten Ungarns, wurde bereits im Rahmen von Ausgrabungen in den 1980er-Jahren entdeckt. Es gehört zu einem Gräberfeld aus dem 10. Jahrhundert, einer Zeit, in der die Ungarn mehrere Kämpfe mit ihren Nachbarn eingingen. 

Die Überreste der untersuchten Frau befanden sich in Grab Nummer 63 – gemeinsam mit Überbleibseln von Pfeil und Bogen sowie Knöpfen, einem Haarring und einer Perlenkette. Grabbeigaben, die sowohl traditionell männlich als auch traditionell weiblich konnotiert sind. Darum können die Forschenden die Theorie, dass es sich bei ihr um eine Kämpferin gehandelt haben könnte, nicht eindeutig bestätigen.

BELIEBT

    mehr anzeigen
    Die im Grab der Frau gefundene Artefakte vor einem schwarzen Hintergrund.

    Die im Grab der Frau gefundene Artefakte: 1) Pfeilspitze; 2) Klingelknopf; 3) silberner Federhaarring; 4) Perlenkette; 5) Fragmente von Klingelknöpfen; 6) Geweihbogenplatte, an der einst der Bogen gehalten wurde.

    Foto von Zoltán Faur, bearbeitet von Luca Kis

    Darüber hinaus ist der Zustand des Skeletts zu schlecht, um konkrete Veränderungen an den Knochen festzustellen, die oft mit Krieger*innen in Verbindung gebracht werden. Dazu gehören beispielsweise Veränderungen des Skeletts durch häufiges Reiten oder Spuren von im Kampf erlangten Verletzungen. 

    „Der schlechte Erhaltungszustand hinderte uns daran, selbst grundlegende anthropologische Analysen durchzuführen, wie etwa die Schätzung des Sterbealters und der Körpergröße“ sagt Humanbiologe Balázs Tihanyi, Hauptautor der Studie, gegenüber Phys.org. Auch das Alter der Frau habe man lediglich eingrenzen können: Vermutlich war sie bei ihrem Tod mittleren oder höheren Alters. Die Antwort auf die Frage, ob sie eine Kriegerin gewesen sein könnte, nahm die Frau also vermutlich mit ins Grab.

    Welche Bedeutung haben die Grabbeigaben?

    In ihrer Studie stellen die Forschenden generell infrage, ob Grabbeigaben in Form von Waffen immer darauf schließen lassen, dass sich im Grab ein*e ehemalige*r Krieger*in befindet. „Krieger gehörten einer sozialen Klasse an, die durch spezifische Merkmale auf sozialer und rechtlicher Ebene definiert war. Viele dieser sozialen und rechtlichen Merkmale sind im archäologischen Material nicht sichtbar“, heißt es in der Studie. Das heißt, dass die Waffenbeigaben auch eine andere Bedeutung gehabt haben könnten und beispielsweise als Zeichen der Würdigung beigelegt wurden. Die Studie hält dazu an, auch bei männlichen Toten einmal das Verständnis von Waffen als Grabbeigabe zu hinterfragen. 

     

    loading

    Nat Geo Entdecken

    • Tiere
    • Umwelt
    • Geschichte und Kultur
    • Wissenschaft
    • Reise und Abenteuer
    • Fotografie

    Über uns

    Abonnement

    • Magazin-Abo
    • TV-Abo
    • Bücher
    • Disney+

    Folgen Sie uns

    Copyright © 1996-2015 National Geographic Society. Copyright © 2015-2025 National Geographic Partners, LLC. All rights reserved