Warum die Skythen heulten
Es war der Fund seines Lebens: Im Sommer 2013 stieß der russische Archäologe Andrej Belinski bei Ausgrabungen im Kaukasus auf gut drei Kilo Gold, darunter zwei Gefäße mit außergewöhnlichem Dekor. Sie gehörten einst dem Kriegervolk der Skythen.
Bei Strawropol fanden Archäologen ein Gefäß, das womöglich zeigt, wie Krieger ihre Nebenbuhler erschlagen.
Es war der Fund seines Lebens: Im Sommer 2013 stieß der russische Archäologe Andrej Belinski bei Ausgrabungen im Kaukasus auf gut drei Kilo Gold, darunter zwei Gefäße mit außergewöhnlichem Dekor. Sie gehörten einst dem Kriegervolk der Skythen, das bis zur Zeit von Christi Geburt etwa tausend Jahre lang die Steppen Eurasiens von der Mongolei bis zum Schwarzen Meer beherrschte. Besonders neugierig machte Belinski ein feiner schwarzer Film, der an den Gefäßen haftete. Er ließ ihn in einem Kriminallabor der nahen Stadt Stawropol untersuchen. Der Befund: eine Mischung aus Opium und Cannabis. Die Skythen hatten sie wohl bei Dampfbädern inhaliert. Damit ist auch für den Kaukasus belegt, wovon der Chronist Herodot (um 490 bis 424 v. Chr.) berichtete: von einem Rauch, „den kein griechisches Schwitzbad übertreffen konnte. Die Skythen werden so froh dabei, dass sie laut heulen“.
Interessant sind auch die auf den Gefäßen gezeigten Szenen. Auf dem einen sind ältere Krieger zu sehen, wie sie jüngere Männer töten. Der Archäologe Anton Gass vom Exzellenzcluster Topoi in Berlin, der Belinski begleitete, sieht auch hier eine Verbindung zu Herodots Überlieferungen. Der berichtete von Skythen, die nach 20 Jahren auf dem Kriegszug nach Hause zurückkehrten und erleben mussten, dass ihre Frauen mit Sklaven neue Familien gegründet hatten. „Das konnten sie nicht auf sich sitzen lassen“, sagt Gass.
Dazu wurde ein weiteres Gefäß mit fantastischen Tierdarstellungen entdeckt. Zusammen könnten sie den Kosmos der Skythen darstellen: eine furchterregende Unterwelt und eine ebenso brutale wirkliche Welt.
Die Artefakte wurden in einem Kurgan (Grabhügel) gefunden, den Plünderer Jahrzehnte zuvor weitgehend ausgeraubt hatten. Das zweite Gefäß zeigt fantastische Tierfiguren. Sie ähneln Funden aus der Ukraine sowie den Verzierungen von Grabbeigaben aus der Skythenzeit, die der Archäologe Hermann Parzinger und russische Forscher vor Jahren im AltaiGebirge gefunden hatten. „Die Motive zeigen außerordentliche Handwerkskunst“, sagt Gass. „So etwas zu entdecken ist ganz großes Glück.“
(NG, Heft 3 / 2015, Seite(n) 26 bis 27)