Geisterhäuser in Deutschland: Wie viel Spuk ist echt?

Leerstehende Häuser ziehen Geisterjäger und Abenteuerlustige an. Auch in Deutschland gibt es Häuser, in denen es spuken soll. Doch was ist wirklich dran an den Legenden von Geistern und Spuk?

Von Simone Kapp
Veröffentlicht am 1. Okt. 2021, 08:59 MESZ
gruseliges Spukhaus

Leerstehende Häuser locken Abenteuersucher und Geisterjäger gleichermaßen. Doch an der Frage, ob es wirklich spukt, scheiden sich die Geister.

Foto von Thomas - stock.adobe.com

Stampfende Geräusche, ein Knallen im Treppenhaus, unerklärliche Lichter auf Fotos: Seit gut 20 Jahren schon steht das Gutshaus Fühlingen bei Köln leer. Verfolgt man die Geschichte des Gebäudes, verwundert es kaum, dass es als eines der bekanntesten deutschen Spukhäuser gilt. Denn schon 1288 kam es im Limburger Erbfolgestreit in der Fühlinger Heide zu einer blutigen Schlacht. Bis zu 1.100 Menschen sollen dabei ums Leben gekommen und in Massengräbern bestattet worden sein. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde das Gutshaus als Schlaflager für Zwangsarbeiter genutzt. Als sich ein Neunzehnjähriger aus Polen in die Tochter des Gutsbesitzers verliebte, veranlasste der Vater, dass der Junge von der Gestapo verhaftet und unweit des Hauses gehängt wurde. Noch heute soll sein Geist in dem Anwesen umgehen.

Eine blutige Vergangenheit hat auch das einstige Schlosshotel Waldlust bei Freudenstadt. Schon seit den 1960er Jahren berichten Gäste und Angestellte des Schwarzwaldhotels von Spukerscheinungen. Dazu zählen plötzliche Kälte und Modergeruch, wackelnde Gläser und unerklärliches Babygeschrei sowie eine Frau im weißen Schleier – sie soll die unerlöste Seele der Hotelchefin sein. In dem 1902 eröffneten ehemaligen Grand Hotel gaben sich zu Glanzzeiten Hochadel und Filmstars die Klinke in die Hand. Doch im Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel zum Lazarett umfunktioniert, 1949 kam die Hotelchefin im Hotel gewaltsam zu Tode. Nach vielen Besitzerwechseln und Leerstand wurde das Schlosshotel Waldlust 2005 endgültig geschlossen.

„Lost Places“ wie das Schlosshotel Waldlust oder das Gutshaus Fühlingen ziehen Besucher auf der Jagd nach einem gruseligen Erlebnis magisch an. Doch wie viel ist wirklich dran an den Geschichten um die Spukhäuser?

Eine blutige Vergangenheit macht verlassene Häuser besonders gruselig.

Foto von Maximilian Beron

Geister, Psychologie und Quantenphysik

Der Parapsychologe Walter von Lucadou bewertet scheinbar übersinnliche Wahrnehmungen und paranormale Ereignisse als etwas, das sich rational erklären lässt, auch wenn derzeit noch die Werkzeuge und Erkenntnisse fehlen.

Der Physiker und Psychologe leitet die Parapsychologische Beratungsstelle in Freiburg, an die sich jährlich rund 3000 Hilfesuchende wenden. Die Beratungsstelle ist für viele der letzte Strohhalm: „Wenn die Leute zu uns kommen, haben sie meist schon alle anderen Erklärungsversuche verworfen,“ berichtet der Wissenschaftler. Sein Ziel ist es, die Mechanismen hinter dem Übersinnlichen aufzudecken und den Menschen Angst und Unsicherheit zu nehmen.

Statt von Spuk spricht der Leiter der Parapsychologischen Beratungsstelle in Freiburg lieber von einer Embodiment-Störung. Danach ist der Mensch so in seine Umgebung eingepasst, dass sich innerliche Prozesse in der Außenwelt widerspiegeln können. Emotionale Belastungszustände und Konflikte können sich so in unerklärlichen Vorgängen Bahn brechen.

BELIEBT

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    Auch die Theorie der Verschränkung aus der Quantenphysik kann laut von Lucadou eine Erklärung für das Unerklärliche sein. Sie besagt, dass zwei Dinge, die in keinem kausalen Zusammenhang stehen, trotzdem so verbunden sein können, dass sie aufeinander bezogenes Verhalten zeigen. Im Hinblick auf Spukerlebnisse sieht der Parapsychologe einen starken emotionalen Zustand der Fokusperson als Ursache, die eine seltene physikalische Reaktion auslöst – wie genau, ist jedoch bisher nicht geklärt. Zudem sind diese Übertragungen und Reaktionen nicht aktiv steuerbar.

    Tritt nun ein solches unerklärliches Ereignis auf, löst dies massive Unsicherheit bei denen aus, die es erleben. Diese Unsicherheit bedeutet einen Kontrollverlust, erklärt Walter von Lucadou im Gespräch mit NATIONAL GEOGRAPHIC: „Indem ich sage, hier spukt der Geist meiner Großmutter, wird etwas Unerklärliches greifbar. Diese Anthropomorphisierung ist auch ein Stückweit Selbsttherapie, um mit dem Kontrollverlust zurecht zu kommen.“ Geister und Spuk als Erklärungsansatz seien demnach als Erste Hilfe-Maßnahme der Psyche zu begreifen.

    Für die unheimlichen Beobachtungen in Spukhäusern gibt es verschiedene Erklärungsansätze.

    Foto von Thomas - stock.adobe.com

    Beweise für Spuk

    Kritiker wie die Mitglieder der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) kritisieren allerdings, dass vieles, was von Lucadou mit der Theorie der Verschränkung erkläre, auch mit etablierten Erkenntnissen aus der Psychologie erklärt werden könne und mit der quantenphysikalischen Verschränkung nichts zu tun habe.

    Die Schwierigkeit beim Nachweis von Spukphänomenen liegt außerdem darin, dass diese in der Regel auftreten, wenn man sie nicht erwartet und unvorbereitet ist. Auch berichten Forscher oft über eine gewisse „Beobachterscheu“ der Ereignisse. Anders gesagt: Wenn etwas allzu leicht zu dokumentieren ist, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Fälschung. Dass die parapsychologischen Theorien bisher ohne Beweise geblieben sind, ist einer der Hauptkritikpunkte der GWUP an den Theorien der Parapsychologie.

    Auch Geisterjäger-Ausflüge, bei denen Einzelne oder Gruppen versuchen, in einem Spukhaus Beweise für die Existenz von Geistern zu dokumentieren, betrachten die Wissenschaftler der GWUP mit Skepsis. Dabei ist es nicht zuletzt das Übermaß an Equipment, das den Kritikern verdächtig vorkommt: Neben Tonbandgeräten und Videokameras kommen Mikrowellen-Prüfer, EMF-Messer und mehr zum Einsatz. „Die Vielzahl der Messgeräte scheint hauptsächlich die Funktion zu haben, irgendetwas aufzuzeichnen, das als ‚Geist‘ interpretiert werden kann“, führt Bernd Harder, Chefblogger der GWUP und Chefreporter ihres Magazins „Skeptiker“, gegenüber NATIONAL GEOGRAPHIC aus. Dabei ist natürlich klar: Je mehr Geräte man aufbaut, desto höher die Wahrscheinlichkeit, etwas aufzuzeichnen. „Rauschen oder nicht vollständig überschriebene vergangene Aufzeichnungen werden dann genauso als Geist interpretiert wie technische Probleme oder Bildaussetzer.“

    Hier offenbaren sich besonders deutlich die unterschiedlichen Interpretationsansätze der GWUP und der Parapsychologen: „Bei den Parapsychologen bleibt nach allen rationalen Erklärungen der Glaube an einen paranormalen Rest,“ erklärt der Leiter des Informationszentrums der GWUP, Dr. Martin Mahner, „und bei uns bleibt lediglich ein bislang unerklärter Rest.“

    Was geht um im Spukhaus? Eine Erklärung ist in der maroden Bausubstanz vieler leerstehender Häuser zu finden.

    Foto von Maximilian Beron

    Spuk oder Gruppendynamik?

    Dabei liegt die Ursache für den Grusel bei „Lost Places“ wie dem Gutshaus Fühlingen und dem Schlosshotel Waldlust rein rational betrachtet wahrscheinlicher im baulichen Zustand der Immobilie als bei rastlosen Seelen: Durch baubiologische Faktoren wie Kältebrücken, Vibrationen oder Schall unterhalb der menschlichen Hörfläche von 16 Hertz, dem sogenannten Infraschall, können bei sensiblen Menschen Unbehagen und Angstzustände ausgelöst werden. Alte Elektrik erzeugt flackernde Lichter und Schimmel in den Wänden kann zu modrigen Gerüchen führen. Kommen dann noch Gestaltwahrnehmungen hinzu, ist das Spukerlebnis perfekt.

    Bei Gruppenbesuchen in sogenannten Spukhäusern können überdies die Gruppendynamik und eine aufgekratzte Stimmung zu vermeintlichen Geistersichtungen führen. Dann werden zum Beispiel Kältebrücken als „Cold Spots“ interpretiert, welche die Anwesenheit eines Geistes anzeigen sollen. Teilt nun ein Teilnehmer der Gruppe unheimliche Beobachtungen mit, etwa, weil sein Gehirn aus Schatten und Licht eine Gestaltwahrnehmung generiert, so lassen sich diese Sinnestäuschungen auf die ganze Gruppe übertragen. Eine Geisterlegende wird geboren.

    In der Bevölkerung hingegen scheint das Thema Spuk keine große Angst mehr auszulösen: Einer im März und April 2021 im Auftrag der GWUP durchgeführten Umfrage nach glauben nur 6,7% der Befragten daran, dass es Spuk und Geister gibt. Die große Mehrheit derer, die vermeintliche Spukhäuser aufsucht, kommt demzufolge für den Nervenkitzel und vielleicht, um hinterher eine gruselige Anekdote erzählen zu können.

    An die Existenz von Spukhäusern glaubt auch Walter von Lucadou nicht. Stattdessen hält der Parapsychologe baubiologische Faktoren, das Wissen um eine blutige Vergangenheit und gegenseitiges Aufstacheln unter den Besuchern für die eigentliche Ursache der Geistererscheinungen: „Mit einem echten Spuk haben diese Geisterjäger-Geschichten nichts zu tun.“ Zumindest in diesem Punkt sind sich Parapsychologen und ihre Kritiker einig.

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