Lost Places in Deutschland und Europa: Die geheime Schattenwelt verlassener Orte

Geisterstädte, verfallene Paläste, vergessene Militärlager: Zwei deutsche Urban Explorer spüren verlassene Orte in ganz Europa auf. Einige der spektakulärsten Lost Places zeigen sie in einem neuen Bildband.

Von Jens Voss
Veröffentlicht am 19. Sept. 2024, 10:43 MESZ, Aktualisiert am 19. Sept. 2024, 17:55 MESZ
Der Kontrollraum eines stillgelegten Kraftwerks in Rumänien, das bereits in den 1960er-Jahren abgeschaltet wurde.

Der Kontrollraum eines stillgelegten Kraftwerks in Rumänien

Foto von National Geographic, Till Aufschlager und Marco Gasparic

Vor den Toren Berlins liegt eine Geisterstadt. Die Nazis hatten sie als Luftwaffenstützpunkt erbaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das abgelegene Militärgebiet im Brandenburger Wald von der Roten Armee besetzt. Gut 5.000 sowjetische Soldaten und ihre Familien fanden dort eine neue Heimat. Doch als der Eiserne Vorhang 1991 fiel, zogen die Truppen ab. Heute muten die einstigen Wohnblocks gespenstisch an – wie düstere Gerippe aus Beton, teils überwuchert von Bäumen und Gestrüpp.

Till Aufschlager und Marco Gasparic kennen fast jeden Winkel dieser Schattenwelt. Immer wieder haben sie die geheimnisvolle Kasernenstadt durchstreift, in den Ruinen übernachtet, sich in die klaustrophobischen Bunker gewagt. Es sind verlassene Orte wie dieser, die Till und Marco magisch in den Bann ziehen. Schon zu Schulzeiten stiegen die zwei Freunde lieber gemeinsam in leer stehende Gebäude ein, als zu Hause am Computer zu zocken. Inzwischen haben sie ihr Hobby zum Beruf gemacht.

Als Urban Explorer erforschen sie Lost Places, machen Fotos, drehen Filmreportagen und bringen die verborgenen Schatten der Vergangenheit ans Licht. „Bei unseren ersten Recherchen trafen wir auf Bilder von Orten, wie wir sie lediglich aus dystopischen und vor allem fiktiven Welten kannten“, erinnert sich Till. „Dass sie wirklich existieren, man sie besuchen und erkunden kann, löste eine Begeisterung in uns aus, die wir bis heute nicht verloren haben.“ 

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Bildband mit spektakulärer Lost-Places-Fotografie

Till und Marco haben etliche verlassene Orte in mehr als 15 Ländern erkundet. Da sind Paläste mit einer jahrhundertealten Geschichte, die schon bald in sich zusammenfallen könnten. Geisterdörfer, die von furchtbaren Naturkatastrophen zeugen. Oder kilometerweite Militäranlagen tief unter der Erde, die den Schrecken des Kalten Kriegs heute noch spürbar machen.

Unter dem Namen Broken Window Theory haben Till und Marco mittlerweile über 200 Dokumentarfilme über ihre Erkundungen auf YouTube hochgeladen. Jetzt schlagen sie ein weiteres Kapitel auf. In ihrem Bildband Jäger der verlorenen Orte erzählen sie zum ersten Mal in schriftlicher Form von ihren Erlebnissen – und liefern gleich jede Menge spektakuläre Bilder mit. 

Die Abenteuereise führt quer durch Europa, abseits der ausgetretenen Pfade. Kaum jemand könne sich die Vielfalt verlassener Orte vorstellen, sagen die beiden Entdecker. Till und Marco sind überzeugt: „So gut wie nirgends sonst begegnet uns die Vergangenheit so unverfälscht wie in Lost Places.“ Sie sind wie interaktive Museen, in denen man Geschichte nicht nur betrachtet, sondern hautnah erlebt. 

BELIEBT

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    Lost Places gibt es überall auf der Welt. Manchmal liegen sie direkt vor der Haustür. Man muss sie nur suchen. Wer sie findet, ist ihrer morbiden Ästhetik vermutlich für immer verfallen. Und wer genau hinschaut, entdeckt vielleicht noch mehr. Denn in der Stille des Verfalls offenbart sich manchmal die ganze Kraft des Lebens. 

    So auch in der Geisterstadt vor den Toren Berlins. In den wenigen Jahrzehnten nach Abzug der Sowjet-Truppen ist die Vegetation dort förmlich explodiert. Bäume klettern die Hauswände empor. Im fünften Stockwerk eines Wohnblocks sprießt eine Birke. „Die Natur erobert sich alles zurück“, sagt Marco.

    Till und Marco meiden Unterkünfte. Sie schlagen ihr Nachtlager lieber im Freien an einem Lost Place auf.

    Foto von National Geographic, Till Aufschlager und Marco Gasparic

    Die Autoren

    Till Aufschlager ist gelernter Umweltingenieur, der sich nach seinem Studium dazu entschied, Altlasten lieber zu erkunden, statt sie zu sanieren. Seit vielen Jahren verbringt er jeden freien Moment damit, zu reisen und fremde Kulturen kennenzulernen.

    Marco Gasparic ist Filmemacher und seit 2013 in der professionellen Bewegtbildproduktion tätig. Neben seinem Studium im Bereich Fernsehproduktion hat er als Videojournalist Nachrichtenbeiträge für mehrere Regionalsender erstellt. 

    Buchcover Jäger der verlorenen Orte

    Foto von National Geographic, Till Aufschlager und Marco Gasparic

    Jäger der verlorenen Orte

    Abenteuerliche Reisen zu faszinierenden Lost Places in Europa
    192 Seiten, ca. 200 Abb., Format 22,5 x 27,1 cm
    Hardcover
    ISBN: 978-3-98701-043-9
    € [D] 34,99 / € [A] 36,00 / sFr. 46,50
    NATIONAL GEOGRAPHIC Verlag

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