Giftiger Frosch muss vor kannibalistischen Geschwistern flüchten

Die Kaulquappen einer peruanischen Froschart fressen ihre Brüder und Schwestern. Wissenschaftler haben nun vermutlich eine Überlebensstrategie entdeckt.

Von Joshua Rapp Learn
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:32 MEZ
Peruanischer Frosch der Art Ranitomeya variabilis
Ein peruanischer Frosch der Art Ranitomeya variabilis trägt seinen Nachwuchs auf dem Rücken.
Foto von Kyle Summers

Geschwister können nerven, aber für junge Frösche der Art Ranitomeya variabilis sind sie tödlich. Wenn sie zusammen in einen Tümpel gelegt werden, fressen die Kaulquappen dieser Art mit Freuden ihre Brüder und Schwestern.

Laut einer neuen Studie haben die Kaulquappen eine Möglichkeit, ihren kannibalistischen Verwandten zu entkommen: Sie reiten einfach auf dem Rücken erwachsener Tiere mit. 

Weibchen dieser giftigen Froschart legen ihre Eier üblicherweise über mit Wasser gefüllten Pflanzen wie Bromelien ab. Wenn die Kaulquappen schlüpfen, tauchen oft die umsichtigen Väter auf und tragen die Schlüpflinge einen nach dem anderen zu verschiedenen Wasserreservoirs in Pflanzen. Das soll vermeiden, dass sich der Nachwuchs gegenseitig frisst, während er zu farbenfrohen Fröschen heranwächst.

Mitunter passiert es aber, dass ein Froschvater mehr als eine Kaulquappe in einem Reservoir ablädt oder ganz vergisst, zurückzukommen und das Gelege zu verteilen. In den meisten Fällen reduziert sich der Kaulquappennachwuchs dann auf ein zufriedenes Jungtier.

„Sie sind ziemlich unersättlich“, sagt Kyle Summers, ein Evolutionsbiologe an der East Carolina Universität, der Pfeilgiftfrösche untersucht, aber nicht an der Studie beteiligt war.

„Selbst, wenn sie dieselbe Größe haben, können sie eine andere Kaulquappe töten und fressen.“

HILFE VON FREMDEN

Für die Studie füllten Lisa Schulte, eine promovierte Forscherin an der Vrije Universität Brüssel, und ihre Kollegen kleine Plastikbecher mit Regenwasser und brüteten 15 Gelege von Ranitomeya variabilis in einem Feldlabor im Nordosten Perus aus.

Die Forscher behielten jedes Gelege von zwei bis vier Eiern beieinander, und im ersten Teil des Experiments hatten die Kaulquappen keinen Kontakt zu ausgewachsenen Tieren.

Als nächstes setzten sie in einer täglichen Sitzung abwechselnd ausgewachsene Tiere drei unterschiedlicher Arten von der Größe eines 20-Cent-Stücks in jeden der 15 Becher. Die Reihenfolge war dabei zufällig. Zu den Arten gehörten Männchen und Weibchen von Ranitomeya variabilis, Männchen von Ranitomeya imitator, einer verwandten Art derselben Gattung, und Männchen von Hyloxalus nexipus, die zu der Überfamilie der Pfeilgiftfrösche gehören, den Dendrobatidae.

Dann zeichneten sie das Verhalten der Amphibien auf Video auf und analysierten die Filmausschnitte. Während die erwachsenen Frösche hauptsächlich versuchten, aus den gesicherten Bechern zu entkommen, sammelten sich die Kaulquappen eher um das ausgewachsene Tier – unabhängig von dessen Art.

Einige Kaulquappen versuchten, auf den Rücken des Erwachsenen zu springen. In zwei Fällen gelang das laut der Studie, die am 5. Mai im „Journal of Zoologystudy“ veröffentlich wurde: einmal bei einem Tier ihrer eigenen Art und einmal mit einem Exemplar von R. imitator.

Auch wenn sich ihre Erkenntnisse nur auf ein paar Tiere bezogen, vermuten die Autoren, dass dieses Verhalten einen Wettbewerb zwischen den Kaulquappengeschwistern darstellt, wer als erster gerettet wird.

In der Wildnis sind die ausgewachsenen Frösche, die am ehesten ihr Wasserreservoir besuchen würden, die Eltern der Kaulquappen. Diese kehren zum Schlafen immer an dasselbe Reservoir zurück.

KEINE FALSCHEN FRÖSCHE, DANKE

Die Kaulquappen ließen sich jedoch nicht täuschen.

In weiteren Experimenten stellten die Wissenschaftler mit 3D-Druckern hergestellte Klon-Frösche in die Becher mit den Kaulquappen. Auch wenn sie gern per Anhalter mit Fremden „mitfuhren“, sperrten sie sich dagegen, auf die Rücken der künstlichen Frösche zu springen.

Das könnte bedeuten, dass die Froschmodelle einfach nicht natürlich genug aussahen, oder dass die Kaulquappen andere Sinne benutzen, wenn sie mögliche Retter erkennen, zum Beispiel chemische Reize.

Juan Santos, ein Biologe an der St. John‘s Universität in New York City, mochte die Studie generell, aber wies auf eine wesentliche Beschränkung hin: Die Wissenschaftler konnten nur eine Handvoll Beobachtungen verzeichnen, bei denen Kaulquappen auf den Rücken von Fröschen geklettert sind.

Da das Team hauptsächlich sah, wie sich die Kaulquappen den ausgewachsenen Tieren näherten, aber nur vereinzelt, wie sie auf sie sprangen, sei es zu früh, um dieses Verhalten als verbreitet zu bezeichnen.

„Es ist ja nicht so, als hätten sie herausgefunden, dass es ein wiederkehrendes Verhalten ist.“

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