Naturschützer stirbt bei Umsiedlung gefährdeter Nashörner

Vor Kurzem wurden seltene Spitzmaulnashörner in Ruandas Nationalpark wiederangesiedelt. Dabei kam auf tragische Weise ein Mann ums Leben, der half, die Tiere zu beschützen.

Von Laurel Neme
Veröffentlicht am 9. Nov. 2017, 03:34 MEZ
Spitzmaulnashorn
Dieses Spitzmaulnashorn in Südafrika wird umzingelt und soll nach Botswana geschickt werden, wo es sicherer vor Wilderern ist. Im Mai 2017 wurden 18 Nashörner per Luftweg von Südafrika nach Ruanda transportiert.
Foto von Beverly Joubert, National Geographic Creative

Am 7. Juni wurde einer der Beschützer von Ruandas wiederangesiedelten Spitzmaulnashörnern von einem der Tiere getötet, während er sie überwachte.

„Mit größtem Bedauern muss ich mitteilen, dass Krisztián Gyöngyi heute Morgen von einem Nashorn im Akagera-Nationalpark in Ruanda getötet wurde, während er die Fährte der Tiere im Park verfolgt hat“, sagte Peter Fearnhead in einer Mitteilung. Er ist der Geschäftsführer der gemeinnützigen Naturschutzorganisation African Parks Network. Gyöngyi hatte mehr als fünf Jahre Erfahrung bei der Beobachtung und dem Schutz von Nashörnern in Malawi. Er hat vor Ort Ranger darin geschult, die Fährten der Tiere zu lesen und die zu schützen. Außerdem war er behilflich dabei, die Wiederansiedlung von Nashörnern in Ruanda zu unterstützen.

In dem Land waren nie besonders viele der Kolosse heimisch. Vor einigen Jahrzehnten waren es kaum mehr als 90, und seit 2007 hatte man gar keines mehr gesehen. Das alles änderte sich im Mai, als 18 vom Aussterben bedrohte Spitzmaulnashörner der Unterart Diceros bicornis michaeli von Südafrika per Luftweg zu Ruandas Akagera-Nationalpark transportiert wurden. Die Initiative wurde von African Parks und der ruandischen Regierung geleitet.

Es war der jüngste Schritt in einer Reihe jahrelanger Bemühungen, Akagera wiederzubeleben. Er gehört zu den ältesten Parks von Afrika und hat eine ereignisreiche Geschichte der Wilderei und des Bürgerkriegs hinter sich. Während des Genozids 1994 flohen die Angestellten. Als er schließlich vorbei war, brauchten Flüchtlinge das Land und zogen mit ihrem Vieh in den Park.

1997 machte die Regierung wieder ihre Kontrolle über den Park geltend, ließ die Siedler aber dort bleiben. Stattdessen wurde die Fläche des Parks um mehr als die Hälfte verkleinert: von 2.500 km² auf 1.100 km². Ein Großteil seiner Savanne wurde als Farm- und Weideland umverteilt. Trotz der Verkleinerung hatte Akagera aufgrund von schlechtem Management, dem weiteren Vordringen der Siedler und illegaler Jagd noch weitere Probleme.

Afrikanische Nashörner werden oft Opfer skrupelloser Wilderer, die den asiatischen Markt mit den Hörnern versorgen. Diese werden dort als traditionelles Heilmittel, Partydroge oder Potenzmittel eingesetzt. (Für ihre Wirksamkeit gibt es keine wissenschaftlichen Beweise.) Allein in Südafrika werden jeden Tag drei Nashörner getötet.

2010 beschloss die ruandische Regierung, dass man Akagera am besten helfen könne, wenn man African Parks involviert. Die Organisation verwaltet in Partnerschaft mit der jeweiligen Regierung Nationalparks und Schutzgebiete in acht Ländern.

Seitdem haben sich die Tierpopulationen im Park laut einer Erhebung aus dem Jahr 2015 mehr als verdoppelt. Auch die Wilderei ging dank besserer Durchsetzung des Verbots und verbesserten Beziehungen mit umliegenden Gemeinden zurück.

Ein Nashorn aus Südafrika, wo täglich drei Nashörner der Wilderei zum Opfer fallen, wird einige Zeit in einem Gehege verbringen, bevor es in Botswana in die Wildnis entlassen wird.
Foto von Beverly Joubert, National Geographic Creative

Da sich die Situation stabilisiert hatte, wurden 2015 sieben Löwen aus Südafrika nach Akagera gebracht. Der Tourismus stieg sprunghaft an und im letzten Sommer brachten die Löwen die ersten Jungen in Ruanda seit 20 Jahren zur Welt. Die Zahl der Löwen liegt nun bei 19.

„Wir sehen demselben Erfolg mit unserer Gründerpopulation von Nashörnern schon freudig entgegen“, sagt Jes Gruner von African Parks. Er verwaltet Akagera aktuell.

Die Logistik des Nashorntransports war komplex. Sie begann mit der Auswahl der „Gründernashörner“ – vergleichsweise junge und fitte Tiere, bei denen die Chancen gut standen, dass es ihnen nach dem Transport gut geht und sie sich fortpflanzen.

Anhand genetischer Analysen, die eine größtmögliche Vielfalt sicherstellen sollten, wählte African Parks acht Männchen und zehn Weibchen aus, eines davon mit ihrem 18 Monate alten Kalb. Die Nashörner wurden einige Tage in Gehegen gehalten und genau beobachtet, um sicherzugehen, dass sie sich gut anpassen würden. Dann wurden sie im Park freigelassen, wo Angestellte sie weiter im Blick behielten.

„Es gibt so eine magische Zahl und ein magisches Verhältnis“ für die Gründung einer neuen Population in einer neuen Umgebung, erklärt der Wildtier-Filmemacher und National Geographic Explorer Dereck Joubert. Joubert und seine Frau Beverly leiten die Umsiedlung von 100 Nashörnern aus Südafrika, wo die Wilderei überhandnimmt, in den sicheren Hafen des benachbarten Botswanas.

AKAGERA WIRD SICHER FÜR NASHÖRNER

Da Wilderei eine Bedrohung darstellt, hat African Parks die Sicherheitsmaßnahmen in Akagera verschärft, bevor die Nashörner eingeflogen wurden. Mit finanzieller Unterstützung der Howard G. Buffett-Stiftung erhielten Dutzende Ranger eine Fortbildung durch ihre Kollegen in Simbabwe und Malawi. Sie lernten, wie man Nashörner beobachtet und ihre Fährten liest.

African Parks hat auch die Anzahl der Aufseher erhöht, die rund um die Uhr die Grenzzäune des Parks beschützen, um Eindringlinge zu entdecken. Ein Hubschrauber steht bereit, um im Notfall Luftüberwachung und Unterstützung zu liefern. Eine Spürhundmannschaft kann Wilderer verfolgen und stellen.

BELIEBT

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    Ein Fangteam von Rhino Without Borders – ein Projekt, das 100 der Tiere nach Botswana umsiedelt – fliegt in einem Hubschrauber, um von dort einen Betäubungspfeil auf ein Nashorn zu schießen.
    Foto von Beverly Joubert, National Geographic Creative

    African Parks hat außerdem die öffentliche Unterstützung für den Park ausgebaut. Von den 36.000 Besuchern in letzten Jahr waren mehr als die Hälfte aus Ruanda. Die Eintrittspreise für Einheimische sind niedrig, und jedes Jahr können 1.500 Schulkinder und 500 Erwachsene die Schönheit des Ortes durch ein spezielles Programm kostenlos erleben.

    Der Park gewährt auch anderen Gruppen freien Eintritt. Bisher haben fast 6.000 Kinder und 2.000 Erwachsene aus nahegelegenen Gemeinden vorbeigeschaut.

    Diese Bemühungen zahlen sich aus. 2016 erwirtschaftete der Park 1,4 Millionen Dollar durch touristische Einnahmen. Das ist mehr als das Siebenfache der 200.000 Dollar Gewinn im Jahr 2010. Ein Teil der Eintrittspreise geht an Schulen in der Umgebung, Krankenhäuser und den Straßenbau.

    Gruner sagt, dass das neugewonnene Interesse an Akagera auch der Sicherheit zugutekommt, da es die Wahrscheinlichkeit senkt, dass die Leute in dem Park illegal jagen. Außerdem baut sich so ein Netzwerk aus „Informanten“ aus, die Wilderer melden.

    „Wir wollen der Park für das Volk sein“, sagt er.

    HOFFNUNG AUF EINE BESSERE ZUKUNFT

    Ruanda hofft, dass die Wiedereinführung der Nashörner auch insgesamt zum Schutz der Art beitragen wird.

    „Obwohl die Wilderei die Bedrohung darstellt, welche die meiste Aufmerksamkeit bekommt, ist auch ein Mangel an angemessenem Platz eine genauso große Bedrohung“, bemerkt Cathy Dean. Sie ist die Geschäftsführerin von Save the Rhino International, einer Organisation aus Großbritannien, die Artenschutzprogramme für Nashörner in Afrika und Asien unterstützt.

    Nashörner brauchen große Gebiete. Wenn sie nur begrenzt Nahrung finden – Büsche und Holzgewächse –, kann das der Gesundheit der Tiere schaden. Männchen kämpfen öfter miteinander, wenn ihre Territorien kleiner werden, und wahrscheinlich leidet darunter auch die Fortpflanzung. Mit nur 5.250 verbleibenden Nashörnern in freier Wildbahn zählt jedes einzelne Tier. Besondere Sorge gilt allerdings der Spitzmaulnashorn-Unterart Diceros bicornis michaeli, von der weniger als 90 Tiere verblieben sind.

    Gerade für die braucht man auch neue Gebiete, da die sich die Tiere in hohem – und gefährlichem – Maße zu 75 Prozent auf Kenia konzentrieren.  Der Rest befindet sich in Tansania, und eine kleine Gruppe von Zuchttieren lebt auf einer Ranch in Südafrika. Solche dichten Populationen bedeuten, dass intensive Wilderei oder eine Krankheit den Großteil der weltweit verbleibenden Tiere ausrotten könnte.

    Kenia erkannte das Problem in seiner Artenschutz- und Managementstrategie für Spitzmaulnashörner von 2012 bis 2016 an. Darin heißt es, dass „sichere, neue Gebiete dringend benötigt werden“ und dass man auf die „Wiederbevölkerung ehemaliger Freilandgebiete“ drängt.

    Genau das tut Ruanda, indem es versucht, eine lebensfähige Population von Spitzmaulnashörnern wiederherzustellen und ihren Lebensraum zu erweitern.

    Und was dafür von essentieller Wichtigkeit ist: Die Ruander scheinen das enthusiastisch zu begrüßen. Als die Nashörner in Akagera ankamen, so Gruner, „standen die Leute an den Straßen, um sie zu sehen. Sie sind sehr stolz darauf, dass die Nashörner zurückkommen. Es gibt eine Zukunft für diese Tiere.“

    Und dem Schutz eben dieses Ziels hatte Krisztián Gyöngyi sein Leben gewidmet.

    Laurel Name ist eine freischaffende Schriftstellerin und Autorin des Buches „Animal Investigators“. 

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